Press release · 26.04.2006 1 Jahr Große Koalition: Abbruchunternehmer statt Architekten
Zum einjährigen Bestehen der Großen Koalition in Schleswig-Holstein erklärt die Vorsitzende des SSW im Landtag, Anke Spoorendonk:
Bisher ist die große Koalition vor allem dadurch aufgefallen, dass sie viele wichtige Fragen aufgreift und diese dann zu faulen Kompromissen verdaut.
Zumeist wird mehr geredet als gehandelt. Wenn es zu Taten kommt, dann gibt es nur den kleinsten gemeinsamen Nenner. Bei wichtigen Reformvorhaben müssen beide sich so verbiegen, dass dabei nur krumme Verordnungen und schiefe Gesetze herauskommen können, wie aktuell bei der Verwaltungsreform. Dabei werden wichtige Bereiche gegeneinander ausgespielt, die rein gar nichts miteinander zu tun haben: Gemeinschaftsschule gegen Verwaltungsreform - zeitweise hat man das Gefühl, auf einem nordfriesischen Viehmarkt zu sein.
Viel zu häufig reicht die Schnittmenge der Großen Koalition auch nicht für mehr als den Rotstift. CDU und SPD können sich nur auf Einsparungen einigen, ohne dass die Gemeinsamkeit für einen wirklichen politischen Aufbruch reicht. Es wird gespart ohne Perspektive. Der Ministerpräsident und seine Koalitionspartner betätigen sich nicht als Architekten eines neuen, zukunftsfähigen Schleswig-Holsteins, sondern als Abbruchunternehmer.
Insgesamt ist die Politik der Großen Koalition viel zu stark auf Kiel und insbesondere auf den Hamburger Rand ausgerichtet. Vor allem der Wirtschaftsminister vernachlässigt die anderen Regionen - den Landesnorden ebenso wie die Region Lübeck, zum Beispiel wenn es um die Hochschulpolitik geht.
Peter Harry Carstensen trottet als Launebär durch Fußgängerzonen und über Marktplätze und versprüht gute Laune. Das kann er aber nicht fünf Jahre lang durchhalten, und fünf Jahre lang wird ihm das auch keiner abnehmen. Der Lack blättert immer mehr ab. In vielen Bereichen wo er groß getönt hat, wird der Ministerpräsident jetzt von den eigenen Versprechen eingeholt, zum Beispiel beim Vogelschutz auf Eiderstedt oder bei der Beamtenbesoldung.
Carstensens größte Leistung besteht darin, dass er bisher seinen Laden zusammenhalten konnte, obwohl einige Minister vor allem Herr Austermann gern einmal den Alleingang pflegen. Er ist ein guter Stallmeister. Seine politische Leistung ist aber nach einem Jahr immer noch nicht erkennbar. Nur in der Landwirtschafts- und Umweltpolitik wird deutlich, dass dieser Bereich mit dem Ministerpräsidenten und dem Agrarminister zwei CDU-Vertreter im Kabinett hat.
Besonders besorgniserregend sind die Folgen der Großen Koalition für das Parlament. Der größte Teil des Parlaments nimmt seine Kontrollfunktion nur unzureichend wahr. Dadurch verliert der Landtag an Einfluss und ist auch in der Öffentlichkeit weniger sichtbar.
Die große Mehrheit von CDU und SPD nickt nur noch ab, was von der Regierung kommt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik findet nicht statt. Die Parlamentarier von CDU und SPD lassen Dinge durchgehen, über die sie vor einem Jahr laut geheult hätten. CDU-Abgeordnete vertreten jetzt Kürzungen bei den Kommunen, für die sie die Landesregierung vor einem Jahr noch geschlachtet hätte. Andersherum unterstützen SPD Abgeordnete eine Innenpolitik, die gegen all das verstößt, wofür die SPD Schleswig-Holstein jahrzehntelang stand. Vor allem die SPD verliert ihr Profil und wird bei der nächsten Wahl kaum erklären können, worin der Unterschied zur CDU besteht."