Speech · 28.01.2010 Clearingstelle für junge Flüchtlingsopfer
Die aktuelle Lage für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in Schleswig-Holstein aufgegriffen werden, ist alles andere als gut. Es gibt weder eine zentrale Anlaufstelle für diese jungen Menschen noch ein einheitliches Konzept, wie mit ihnen umzugehen ist.
Nach der Novellierung des Paragraphen 42 im SGB VIII im Oktober 2005 sind die Jugendämter verpflichtet, Minderjährige in Obhut zu nehmen, wenn diese unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Immerhin ist damit geregelt, dass diese Flüchtlinge einen Rechtsanspruch auf eine vorläufige Inobhutnahme haben und dass die Jugendämter die Handlungspflicht für die Erstversorgung und die unverzügliche Regelung der gesetzlichen Vertretung haben. Leider ist jedoch bei Minderjährigen ab 16 auch eine Aufnahme nach dem Ausländerrecht in Asylunterkünfte möglich.
In Schleswig-Holstein gibt es bzw. gab es deshalb unterschiedliche Vorgehensweisen der Ämter. 2008 wurden hier ca. 100 minderjährige Flüchtlinge aufgegriffen, im vergangenen Jahr waren es schon über 300. Die Jugendämter sind in Teilen damit überfordert, diesen Jugendlichen eine angemessene Behandlung zukommen zu lassen. Es ist vorgekommen, dass in einem Gespräch im Jugendamt festgestellt wurde, dass für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kein Jugendhilfebedarf besteht und damit auch keine Erst- und Anschlussversorgung aus der Jugendhilfe gewährt wird. Außerdem kann es besonders bei Kindern ab 16 Jahren zu Problemen bezüglich der Altersangaben kommen. Damit wird eine anschließende Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende eingeleitet, anstatt die Inobhutnahme vorrangig vorzunehmen.
Aus Sicht des SSW entspricht dieses Vorgehen in keiner Weise einem Umgang mit Minderjährigen, die vor allem auf der Flucht sind. Eine Inobhutnahme ist nach unserer Auffassung auch nicht nur eine rein ordnungspolitische Maßnahme, sondern ein Vorgang, der auch eine sozialpädagogische Funktion hat. Es muss in erster Linie darum gehen, diesen jungen Menschen zu helfen.
Der SSW setzt sich dafür ein, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dezentral in Jugendhilfeeinrichtungen oder Pflegefamilien untergebracht werden. Im Regelfall sollten ihnen ausgebildete Vormünder zur Seite gestellt werden, die für diese Fälle geschult sind und wissen, was sie tun müssen und können. Neben der dezentralen Unterbringung ist es unerlässlich, eine Clearingstelle einzurichten, die die Vormünder und die jeweiligen jungen Menschen dann professionell begleitet.
In dieser Fachstelle kommt es an erster Stelle darauf an, die Situation der jungen Menschen zu klären und ihnen professionelle Hilfe zu geben. Ihr Lebenslauf, ihre Identität, Nationalität, Erziehung und Sozialisation, kulturelle und sprachliche Hintergründe, gesundheitliche Aufklärung, Klärung der Frage von traumatischen Erfahrungen im Heimatland oder auf der Flucht und die Situation der Notlage müssen eingeschätzt und bewertet werden. Anschließend muss es in einem aufgebauten Netzwerk, in dem alle relevanten Jugendämter, Ausländerbehörden, Gerichte, Verbände und weitere Institutionen lose miteinander gekoppelt sind, zu Kommunikation und vor allem Kooperation kommen.
Zum Wohle dieser jungen Menschen muss es zu einer geeigneten Begleitung kommen. Jugendhilfe, Hilfebedarfsfeststellung, gesundheitliche und familiäre Situationsklärung und die Chance auf ein Asylverfahren sind dann die Zielsetzungen.
Aus Sicht des SSW ist es mit einer Clearingstelle möglich, in Schleswig-Holstein ein einheitliches und professionelles Vorgehen im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu sichern. Die Betreuungs- und Beratungsqualität ist gewährt, so dass für individuelle Fälle die optimale Versorgung in Anspruch genommen werden kann.
Auch die Unterbringung nach dem Ausländerrecht für Jugendliche sollte dadurch verhindert werden.
Es muss bei der steigenden Anzahl an jungen Flüchtlingen zu einer veränderten Vorgehensweise kommen. Eine Clearingstelle kann hier, wie es schon andere Bundesländer vormachen, eine professionelle Begleitung liefern, die alle Beteiligten unterstützt. Für den SSW möchte ich ganz klar sagen, dass wir gerne beide Anträge im zuständigen Ausschuss beraten möchte, um alle Detailfragen beantworten zu können und so im Interesse der Flüchtlingskinder und aller unter 18-Jährigen eine Clearingstelle einrichten.