Press release · Kiel · 07.02.2022 Beschneidung und Deckelung der KfW-Förderung schaffen ernste Probleme für den Wohnungsbau in Kiel
Zu den Auswirkungen der Einstellung Förderung von Gebäuden nach dem EH55- sowie der Deckelung der Förderung für den EH40-Standard für den allgemeinen und den sozialen Wohnungsbau in Kiel, den Kieler Wohnungsmarkt und die Entwicklung der Mieten in Kiel erklärt der Vorsitzende der SSW-Ratsfraktion Kiel, Ratsherr Marcel Schmidt:
„Mit unmittelbarer Wirkung hat die neue Bundesregierung am 24.01.2022 die Förderung von Gebäuden nach dem EH55- sowie dem EH40-Standard eingestellt. Neben privaten Bauherren scheinen davon in nicht unerheblichem Maße auch Wohnungsbauunternehmen und kommunale Wohnungsgesellschaften betroffen zu sein. Um die dadurch entstehende Situation für Kiel einschätzen zu können, baten wir den Kieler Mieterverein, Haus & Grund, die KiWoG und den Kieler Oberbürgermeister, Dr. Ulf Kämpfer um eine Antwort auf die folgenden Fragen:
1. Was bedeutet die Einstellung der Förderung Ihrer Ansicht nach für den allgemeinen und den sozialen Wohnungsbau in Kiel?
2. Wie wird sich die Einstellung auf den Wohnungsmarkt auswirken?
3. Wie wird sich die neue Situation auf die Entwicklung der Mieten auswirken?
4. Welche Handlungserfordernisse und welche Handlungsspielräume ergeben sich aus der Einstellung der Förderung auf kommunaler Ebene?
Wir hatten um Antworten gebeten um einzuschätzen, inwieweit die Notwendigkeit besteht, auf kommunalpolitischer Ebene tätig zu werden. Dies kann bedeuten, negative Auswirkungen abzuwenden oder in ihrem Umfang zu begrenzen sowie mögliche Chancen zu erkennen und zu ergreifen. Ziel unserer Anfragen war es nicht, Munition für parteipolitische Auseinandersetzungen zu erhalten. Wir möchten auch nicht beurteilen, ob die jetzige oder die vorherige Bundesregierung für die nun eingetretene unbefriedigende Situation verantwortlich ist. Die SSW-Ratsfraktion Kiel will sich ein genaues Bild machen und sucht nach Lösungen für Kiel. Es geht uns nicht darum, die Einstellung der Fördermaßnahmen zu bewerten, sondern lediglich darum, sich daraus ergebende kommunale Handlungsoptionen zu bestimmen. Wir hatten den angeschriebenen Personen und Institutionen mitgeteilt, dass hre Antworten in die Basis unserer Anträge und Anfragen zum Thema einfließen sollen.
Inzwischen haben die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz, für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, und der Finanzen sich auf ein gemeinsames Vorgehen zur Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) durch die KfW verständigt:
‚Demnach sollen alle förderfähigen Altanträge, die bis zum Antragsstopp 24.01.2022 eingegangen sind, genehmigt werden. Dabei handelt es sich um rund 24.000 Anträge. Diese eingegangenen Anträge werden nun von der KfW nach den bisherigen Programmkriterien geprüft; die förderfähigen werden genehmigt. Das bietet eine gute und rechtssichere Lösung für alle Betroffenen.
Für die Zukunft soll die Gebäudeförderung neu ausgerichtet werden. Hierbei geht es darum, eine klimapolitisch ambitionierte, ganzheitlich orientierte Förderung für neue Gebäude, wie sie auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, aufzusetzen.‘
Das wird uns in Kiel aber vorerst nicht wirklich helfen. Wie geht es jetzt weiter mit dem Wohnungsbau und den Mieten in Kiel? Der Kieler Mieterverein, Haus & Grund Kiel sowie die KIWOG antworteten uns. Wir hätten auch gern von den Antworten des Oberbürgermeisters berichtet aber wir haben von Dr. Ulf Kämpfer keine Antwort erhalten.
Klare Aussagen erhielten wir von Haus & Grund und vom Mieterverein. Haus & Grund befürchtet, dass der Stopp der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude zu Mietsteigerungen im frei finanzierten Wohnungsbau führen wird. Für den Bau von öffentlich geförderten Wohnungen werden erhebliche Probleme gesehen. Einig ist man sich ‚in der Beurteilung mit dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, die zu Recht darauf hinweisen, dass für diejenigen, die öffentlich-gefördert bauen wollen, sich nur der KfW55-Standard rechnet. KfW40 führt zu erheblichen, zeitintensiven Umplanungen und verteuert den Wohnungsbau und damit die Mieten. Der Neubau von preiswerten Neubauwohnungen und öffentlich geförderten Wohnungen wird zurückgehen.‘
Haus & Grund weist darauf hin, dass die Klimaziele im Gebäudesektor nur erreicht werden können, wenn für die Eigentümer Planbarkeit möglich ist. Der Zentralverband habe Klimaschutzminister Habeck aufgefordert, unverzüglich für eine Wiederaufnahme der Förderung zu sorgen.
Hierzu möchte ich als SSW-Mitglied im Bauausschuss anmerken, dass bei der Vorstellung der Pläne für das Wohngebiet im Kieler Süden mitgeteilt wurde, dass nach Effizienzstandard 55 gebaut wird. Auf Nachfrage wurde erläutert, dass der vom Bundeswirtschaftsministerium nur noch gedeckelt geförderte Effizienzstandard 40 derart hohe Investitionen erfordern würde, dass der Bau nach diesem Standard ohne Förderung nicht mehr wirtschaftlich wäre. Daher wäre ohne Förderzusage ein Bau nach diesem Standard nicht möglich.
Auch der Mieterverein sieht ein großes Problem ‚[…] sowohl auf Bundes-, wie Landes- und auf kommunaler Ebene.‘ Die KfW-Förderung sei ein wichtiges Finanzierungsinstrument; für den Wohnungsbau und insbesondere auch für den sozialen Wohnungsbau. ‚Wenn da nichts mehr kommt, dann sieht es für den sozialen Wohnungsbau schlecht aus!‘
In der Folge würde sich das Finanzierungsproblem vom Bund über das Land bis auf die Kommunen herunterbrechen. Kann also auch das Land nicht einspringen, bleibt nur noch die Kommune, die das Fehlen von bezahlbaren Wohnungen kompensieren muss. In SH hatte man in den 1980er-Jahren noch rund 200.000 Sozialwohnungen im Bestand. Davon sind bis heute lediglich 46.000 Wohnungen übrig. Gleichzeitig hat man derzeit etwa 230.000 Empfänger*innen von Transferleistungen, die auf Wohnungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus angewiesen sind. Weiterhin gibt es rund 70.000 Studierende an den Hochschulen Schleswig-Holsteins, die mehrheitlich wohl ebenfalls auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. Es besteht also schon jetzt im Bereich der Sozialwohnungen ein extrem hoher Druck. Mit dem Wegfall der Förderung wird die Situation noch schlimmer, da deutlich weniger Neubauten geschaffen werden. Die Auswirkungen, so steht zu befürchten, werden jedoch nicht nur auf den sozialen Wohnungsbau beschränkt bleiben. Im privaten Segment werden sich Bauherr*innen überlegen, ob sie weiterbauen. Ohne Förderung weiterzubauen, führt zu frei finanzierten Wohnungen ohne Sozialbindung, was ebenfalls zu höheren Mieten führen wird. So stehen teurere Wohnungen einer wachsenden Nachfrage gegenüber.
Die KiWoG hat sich zurückhaltend geäußert, sie gab keine Stellungnahme zu den konkreten Auswirkungen für Kiel durch die Einstellung der KfW-Förderung. In Hinblick auf die Zukunft heißt es: ‚Wie konkret die neue Fördersystematik aussieht und welche Konsequenzen sich daraus für den Wohnungsbau ergeben, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar bleibt daher abzuwarten.‘
Ich möchte mich sehr herzlich bei Haus & Grund, dem Mieterverein und der KiWoG bedanken. Haus & Grund sowie der Mieterverein haben sich mit unseren Fragen ausführlich beschäftigt und sehr klare und nachvollziehbare Antworten geliefert. Das hat uns sehr geholfen, die Problemlage in ihrer Breite zu erfassen und zu verstehen.
Im Sommer letzten Jahres, im Bundestagswahlkampf, hatte ich als Direktkandidat für Kiel noch gefordert, dass der Bund nach der Wahl ein Wohnungsbauprogramm auflegen müsse, damit die Einkommen der Menschen nicht von den Mieten aufgefressen werden. Die ‚soziale Stadt‘ ist ohne bezahlbaren Wohnraum nicht vorstellbar. Inzwischen ist klar, dass wir in dieser Frage nicht wirklich auf den Bund zählen können. Was ist nun zu tun? Kommunalpolitiker*innen und Verbände müssen die bevorstehenden Landtagswahlkämpfe nutzen, um auf die Schwierigkeiten im Wohnungsbau hinzuweisen. Wir werden uns nach dieser Anfrage an die Kieler Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg (Grüne), Mathias Stein (SPD), Maximilian Mordhorst (FDP) und den SSW-Bundestagsabgeordneten Stefan Seidler wenden, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, was die Einstellung der KfW-Förderung für Kiel bedeutet.
Weiterhin muss der Wohnungsbau – und besonders der soziale Wohnungsbau – noch stärker in den kommunalpolitischen Fokus gerückt werden. Das 30 % Ziel für den Anteil des sozialen Wohnungsbaus bei neuen Wohnungsbauprojekten darf nicht aufgeweicht werden, Ausnahmen dürfen wir nicht mehr zulassen. Wir müssen die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Kommunalpolitik, Wohnungswirtschaft und Mieterverein verbessern, um wenigstens die ‚hausgemachten‘ Kosten zu reduzieren. Was sagt eigentlich der Städtetag zu dieser Entwicklung? Wir müssen in der Ratsversammlung darüber diskutieren, welche Handlungsoptionen wir als Kommune haben. Die SSW-Ratsfraktion hatte im letzten Jahr mehrfach Anträge zum Wohnungsbau eingebracht, die leider alle angelehnt wurden – zuletzt in den Haushaltsberatungen im Dezember. Wir werden nun erneut aktiv werden. Trotz der angespannten Haushaltslage müssen wir uns dringend damit beschäftigen, ob und wie die Landeshauptstadt den Wohnungsbau auch finanziell unterstützt und ankurbelt.“