Speech · 13.02.2019 Die Lebensplanung der Menschen muss auch nach dem Brexit möglich sein

Jette Waldinger-Thiering TOP 7 - Entwurf eines Gesetzes für den Übergangszeitraum nach dem Austritt Großbritanniens und Nordirlands aus der EU (Drs. 19/1205)

"Wir müssen flexible Rahmenbedingungen schaffen, die Härten abfedern oder erst gar nicht entstehen lassen." 

(Nr. 041-2019) Das knappe Votum der Britinnen und Briten für den Austritt ihres Landes aus der EU hat viele von uns regelrecht schockiert. Die Entscheidung war gefühlt wie ein Erdbeben, das die Grundfesten unserer modernen Gemeinschaft erschütterte. Wie mag das erst den Menschen gegangen sein, die davon unmittelbar betroffen sind: den Schleswig-Holsteinern beispielsweise, die in London arbeiten oder den Briten, die hier schon lange Teil unseres Landes sind? Aufenthaltsrecht, Kommunales Wahlrecht, ja sogar die Heirat zwischen einem britischen Staatsbürger und einer EU-Bürgerin werden nach dem Austritt viel komplizierter werden. Erbrecht, Eigentumsverhältnisse, Adoptionsrecht. Die Liste der offenen Fragen, die in das persönliche Leben der Menschen eingreifen, ließe sich ellenlang fortsetzen, weil eben sehr viele Rechtsfragen an die Staatsbürgerschaft geknüpft sind. Dass wir das als Minderheit in Schleswig-Holstein im Übrigen für fragwürdig halten, steht dann wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Doch zurück zu dem, was Schleswig-Holstein in die Wege leiten muss, um den Übergang vom jetzigen Zustand zum Brexit zu gestalten. Dazu gehören auch neue Rahmenbedingungen für die Beschäftigten und für die Betriebe. Zunächst zu den Beschäftigten. Wir haben viele Jahre für die Freizügigkeit auf dem europäischen Binnenmarkt gekämpft. Diese wurde mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung gut angenommen. Inzwischen ist es selbstverständlich, einige Jahre oder dauerhaft im Ausland zu arbeiten. Darum ist es an uns, in dieser Krise weiter das Grundrecht auf Freizügigkeit einzufordern. Entsprechende Verträge mit Großbritannien sollten umgehend abgeschlossen werden. Schleswig-Holstein kann es sich schlichtweg nicht leisten, britische Beschäftigte einfach ziehen zu lassen. Der Fachkräftemangel lässt es nicht zu, dass wir gut eingearbeitete und qualifizierte Beschäftigte nur aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft nicht mehr länger anstellen. Ich denke da vor allem an die Fachkräfte im Bereich Fremdsprachen, die in Volkshochschulen und Betrieben aktiv sind. Hier müssen Regelungen gefunden werden; im Übrigen auch für die Studierenden. Die Lebensplanung der Menschen muss auch nach dem Brexit möglich sein.

Der andere Bereich betrifft die Betriebe, die nach Großbritannien exportieren, Vorleistungen oder Produkte aus Großbritannien importieren oder Niederlassungen bzw. Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich haben. Großbritannien ist derzeitig noch der viertgrößte Handelspartner Schleswig-Holsteins. Viele hiesige  Betriebe haben sich auf die EU verlassen und sind teilweise kräftig gewachsen durch die Geschäfte mit Großbritannien. Die meisten von ihnen haben aber bereits vor Jahren Vorkehrungen für den Brexit getroffen. In der Regel bedeutet das, dass sie sich aus Großbritannien zurückgezogen haben oder das Geschäft insgesamt verringern haben. Das kann ich keinem Unternehmer verübeln. Wir werden in sechs Wochen sehen, wie kompliziert die Zoll- und Einfuhrregelungen tatsächlich werden und wie viele Unternehmen an ihren Beziehungen zu Großbritannien festhalten werden können. Die Verwaltung kann aber nicht einfach alle Verbindungen kappen. Sie vertritt schließlich die  Interessen aller Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen. 
Darum ist es gut, dass wir Rahmenbedingungen verabschieden. Der Bund hat da vorgelegt und die Länder ziehen jetzt nach. Das ist der richtige Weg und ausdrücklich möchte ich die Anstrengungen der Landesregierung loben; auch was die Task Force angeht. Tatsächlich weiß nämlich niemand, nicht einmal die britische Regierung, was nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU tatsächlich geschehen wird. Darum ist ein kontinuierlicher Informationsprozess absolut vordringlich. Allerdings halte ich nichts von Alleingängen, wie die Reisen einzelner Länderminister nach London. Das ist purer Aktionismus: schließlich kann es nicht unser Ziel sein, dass jedes Bundesland Sonderregelungen mit London verhandelt. Wir müssen flexible Rahmenbedingungen schaffen, die Härten abfedern oder erst gar nicht entstehen lassen.

Ich habe bereits im Januar in der Debatte um einen Brexit-Beauftragten betont, dass es vor allem darauf ankommt, Brücken nicht abbrechen zu lassen. Darum mein ausdrücklicher Appell: wir sollten keine Tür zuschlagen. 

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