Press release · Flensborg · 05.05.2022 Die Stadt muss mehr dänisch-sprachige MitarbeiterInnen einstellen
"Aus Sicht des SSW wird sich Flensburg wirtschaftlich, kulturell und sozial nur gemeinsam mit unseren dänischen Nachbarn in eine positive Richtung entwickeln können."
Rede der SSW-Fraktionsvorsitzenden Susanne Schäfer-Quäck zum Bericht zur Lage der dänischen Minderheit in Flensburg 2021
Es gilt das gesprochene Wort
Flensburg, 05.05.2022
Sehr geehrte Herr Stadtpräsident, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
kære venner, det er mig en stor glæde her i byrådet kunne tale dansk. Det viser hvor langt vi er kommet med det dansk-tyske venskab i Flensborg. For årtier siden var det utænkeligt.
Ja, liebe Freunde und Freundinnen,
das war natürlich dänisch. Ich habe mich auf Dänisch gefreut, dass es heute in der Ratsversammlung möglich ist, Dänisch zu sprechen; was noch vor 40 Jahren undenkbar gewesen wäre. Nicht überall werden Minderheiten so anerkannt und respektiert, wie die dänische Minderheit in Flensburg und in ganz Schleswig-Holstein. Wir brauchen nicht weit zu schauen, um zu sehen, dass Minderheitenkonflikte Unruhe schaffen und sogar Kriege auslösen können.
Allerdings ist die positive Entwicklung, die wir heute im deutsch-dänischen Grenzland haben, nicht vom Himmel gefallen. Auch in unserer Region hat die Mehrheit auf die dänische Minderheit runter geguckt. Auch bei uns forderten Kriege viele Opfer.
Dass wir heute friedlich zusammenleben und eng zusammenarbeiten, ist das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen und harter Anstrengungen. Eine zentrale Rolle spielen die demokratische Volksabstimmung 1920 und die Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955. Die Menschen vor Ort wollten keine Auseinandersetzungen mehr, sondern ein demokratisches Miteinander.
Dänemark und Deutschland sind inzwischen enge Verbündete mit denselben Werten und Interessen. Und in Flensburg und in Schleswig-Holstein tragen alle demokratischen Parteien eine progressive Minderheitenpolitik, die allein auf der persönlichen Gesinnung beruht.
Flensburg ist die Hauptstadt der dänischen Minderheit, weil hier seit der Stadtgründung dänische Sprache und Kultur - und zwischendurch auch dänische Verwaltung – einfach dazu gehören. Die dänische Minderheit macht heute fast 20 % der Bevölkerung aus. Alle wichtigen dänischen Institutionen haben ihren Hauptsitz in Flensburg. Auch europäische Minderheiteninstitutionen wie FUEV und das Minderheitenzentrum ECMI sind hier in Flensburg.
Flensburg gilt als Vorreiter der kulturellen Gleichstellung der dänischen Minderheit. Und das zu Recht, wenn man sich ansieht, wie die Stadt die Minderheit unterstützt und integriert hat ; und zwar in nahezu allen Bereichen von den dänischen Kitas bis zu den Krippen über die Schulen und Freizeitheimen und jetzt auch im offenen Ganztag. Vielen Dank an die Verwaltung und Fraktionen für diese gemeinsame gute Minderheitenpolitik. Und wenn es doch einmal zu Problemen kommt, bringt der SSW als Minderheitenpartei dies auf die Tagesordnung.
Für eine gute Minderheitenpolitik braucht es viele Bausteine. Einer davon ist der Minderheitenbericht, den die Stadt einmal in der Legislaturperiode herausgibt. Dieser Bericht liegt nun vor. Vielen Dank an die Oberbürgermeisterin und an die Verwaltung für den Bericht. Schade, dass es wegen der Pandemie so lange gedauert hat. Ich hätte mich gefreut, wenn wir den Bericht zusammen mit dem 100-jährigen Jahresstag der Volksabstimmung bekommen hätten.
Das Jubiläum fiel bekanntermaßen ins Wasser. Corona! Sogar die Grenze wurde zeitweise geschlossen. Das hat uns alle sehr betrübt. Ich sage ganz klar im Namen der SSW-Fraktion und der dänischen Minderheit: Wir wollen eine offene Grenze und keine Grenzkontrollen. Dafür werden wir uns weiterhin bei der dänischen Regierung und der deutschen Regierung einsetzen.
Der Minderheitenbericht gibt einen Überblick über die aktuelle Situation der dänischen Minderheit. Wozu brauchen wir als Stadt Flensburg überhaupt einen Bericht? Ich verstehe den Bericht als eine Motivation für die Verwaltung, in den Anstrengungen der Minderheitspolitik nicht nachzulassen. Tatsächlich offenbart der Bericht einige Baustellen.
Niemand kann in der Verwaltungsspitze damit zufrieden sein, dass von ca. 1.200 Beschäftigten der Stadt nur etwas über 40 Personen dänisch sprechen können. In einer Stadt, wo so viele Menschen dänisch sprechen, so viele dänische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen leben und in der so viele dänischen Touristen Geld ausgeben, muss es möglich sein, mehr dänisch-sprachige Verwaltungsangestellte zu bekommen. Da ist noch sehr viel Luft nach oben, bis wir wirklich eine Minderheitenhauptstadt sind.
Das ist kein Luxus. Die Europäische Charta für Minderheitensprachen und das Rahmenübereinkommen für nationalen Minderheiten, die Deutschland beide unterzeichnet hat, sehen vor, dass in den öffentlichen Verwaltungen in Minderheitengebieten ausreichend Beschäftigte die Sprachen der Minderheiten beherrschen. Dazu kommt, dass durch Paragraph 80 des Landesverwaltungsgesetzes, Mitglieder der dänischen Minderheit sogar das Recht haben, im Kontakt mit den Behörden vor Ort dänisch zu sprechen und dänische Papiere einzureichen. Das heißt, in der Verwaltung müssen ausreichend viele MitarbeiterInnen, die die dänische Sprache beherrschen.
Natürlich wissen wir, dass es nicht leicht ist, dänisch-sprachige MitarbeiterInnen zu bekommen, weil z.B. viele in der dänischen Minderheit wegen den besseren Löhnen lieber in Dänemark arbeiten. Wegen der Pandemie und auch jetzt wegen des Ukraine-Krieges hat die Verwaltung in den letzten Jahren natürlich andere Prioritäten gehabt. Das respektieren wir, aber dennoch erwarten wir bald nennenswerte Verbesserungen.
Die zweite Baustelle ist das dänisch-sprachige Angebot in den öffentlichen Schulen. Das sollte in Flensburg ausgebaut werden, um die Vorteile des gemeinsamen Arbeitsmarktes nutzen zu können. Hier gibt es aus unserer Sicht Nachholbedarf. Im Prinzip sollten wir uns im Grenzland ohne englisch verstehen können. Dänisch ist schließlich die Nachbarsprache.
Deshalb fordert der SSW die Oberbürgermeisterin dazu auf, ein Konzept zu erarbeiten, wie mehr Beschäftigte der Stadt dänisch lernen können. Daneben erwarten wir, dass sie mit dem Land dafür sorgt, dass der Dänisch-Unterricht an öffentlichen Schulen verbessert wird.
Aus Sicht des SSW wird sich Flensburg wirtschaftlich, kulturell und sozial nur gemeinsam mit unseren dänischen Nachbarn in eine positive Richtung entwickeln können.
Tak for jeres opmærksomhed.