Speech · 26.03.2021 In Sachen Hochschulen müssen wir eine Schippe drauflegen

„Wir dürfen die Digitalisierung der Hochschulen nicht nur im Sinne einer technischen Infrastruktur verstehen, sondern wir müssen uns auch mit den inhaltlichen Dimensionen beschäftigen.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 34 - Digitalpakt auch für Hochschulen (Drs. 19/2872)

Die Studierenden im Land stöhnen unter Netzausfällen, unerprobten Digitalformaten in der Lehre und fehlenden digitalen Lernmittel. Investitionen in Serverkapazitäten, Weiterbildung und ein flächendeckendes W-Lan in allen universitären Bereichen würden da schon enorm helfen. Von daher unterstütze ich die vorliegende Initiative ausdrücklich. Ein auskömmlich finanziertes Paket für die Hochschulen, das unbürokratisch in naher Zukunft zum Tragen kommt, ist das Gebot der Stunde. Im Landtag sehe ich eigentlich keine Bedenken, was die Verbesserung der digitalen Lern- und Lehrstrukturen hiesiger Hochschulen angeht. 
Der Digitalpakt würde so gesehen einiges nachholen, was in den letzten Jahren versäumt wurde. Die Hochschulen sind strukturell unterfinanziert, worauf diese Woche noch einmal der Präsident der Europa-Universität Flensburg Werner Reinhart in einem Zeitungsinterview hinwies. Seine Universität sei „die am schlechtesten finanzierte Universität in Deutschland“. Flensburg wird durchaus vom Digitalpakt profitieren, braucht aber darüber hinaus viel weiterreichende, bessere strukturelle Finanzierung. In Sachen Hochschulen müssen wir eine Schippe drauflegen. Das, was wir vor Corona schon beklagt haben, gilt jetzt umso mehr.
Zurück zum Digitalpakt. Ich bin schon zu lange im Geschäft, als dass mir angesichts eines großzügigen Programm für die Unterstützung der Hochschulen nicht aus dem Stand viele Fragen zum Thema Mittelabfluss und Universität einfallen; Fragen zur Vernetzung des Digitalpaktes mit der Hochschulfinanzierung und auch der Evaluation aller Maßnahmen nach einem angemessenen Zeitraum. Alles das muss in einen Digitalpakt einfließen, unter Beachtung der jeweiligen Strukturen der jeweiligen Hochschule. 
Der Digitalpakt kann nur umgesetzt werden, wenn die Hochschulen entsprechend ertüchtigt werden, überhaupt die Umsetzung des Digitalpaktes administrieren zu können. Was nützt es, wenn ich ein Tesla vor die Tür stelle, wenn kein Führerschein vorhanden ist. Genau hier sehe ich eines der Probleme beim Digitalpakt. Ich warne heute ausdrücklich davor, einfach Geld aufs Problem zu schmeißen. 
Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass die Autonomie für die Hochschulen bei der Mittelverwendung ein Punkt des Antrages ist. Das, was die Europauniversität Flensburg benötigt, unterscheidet sich beispielsweise grundsätzlich von dem Nutzen für die Fachhochschule Westküste. Aber der Verweis auf die Autonomie entlässt die Landesregierung nicht aus ihrer Verantwortung, die Hochschulen bei der Umsetzung zu unterstützen. Welche Strukturen sind nötig, um innerhalb einer Hochschule digitale Strukturen zu implementieren bzw. umzusetzen? Was wollen die Hochschulen und was brauchen sie überhaupt nicht? Von Kiel aus, lassen sich diese Fragen nicht immer klar beantworten. Darum müssen die Hochschulen frühzeitig und umfassend in den Pakt eingebunden werden.
Wir dürfen die Digitalisierung der Hochschulen nicht nur im Sinne einer technischen Infrastruktur verstehen, sondern wir müssen uns auch mit den inhaltlichen Dimensionen beschäftigen. Das Hin- und Her um die eSports-Akademie sollte uns Warnung sein, wie Ziele besser kommuniziert und die Umsetzung besser geplant wird. 
Best-practise-Beispiele hiesiger Hochschulen sollten verhindern, dass alle Hochschulen das Rad immer wieder neu erfinden müssen. So ein horizontaler Wissenstransfer, der übrigens auch in anderen Fragen stärker genutzt werden sollte, muss den Digitalpakt unbedingt begleiten.
Ein letztes Wort zu den Studierenden, die im vorliegenden Antragstext unerwähnt blieben. Viele Studierende, die sich ihr Studium mit Nebenjobs finanzieren, befinden sich seit fast einem Jahr in großen finanziellen Schwierigkeiten. Die klassischen Studentenjobs wie Aushilfen, Kellnern oder Nachhilfe, sind wegen Corona ausgesetzt. Diese Studierenden können sich keinen neuen PC  kaufen, wenn der alte seinen Geist aufgibt. Demzufolge können sie eigentlich nicht weiterstudieren. Bevor sie ihr Studium hinschmeißen, müssen wir auch hier schnelle und unbürokratische Hilfe bereit stellen.

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