Speech · 16.09.2015 Investitionen mit Augenmaß sollten möglich bleiben
Lars Harms zu TOP 2 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Kommunalwirtschaft
Lars Harms zu TOP 2 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Kommunalwirtschaft
Drs. 18/3152
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Vor wenigen Jahren erlebten so genannte Cross-Border-Geschäfte einen echten Boom. US-Trusts versprachen deutschen Kommunen hohe Gewinne, wenn diese ihnen ihre Infrastruktur verkauften. Die Amerikaner wollten sich Steuervorteile sichern und die deutschen Kommunen rechneten mit hohen Einnahmen durch den Verkauf ihres Silbers. Zumindest in der Theorie. Viele Kommunen haben ihre Infrastruktur bzw. Teile davon tatsächlich an US-Konzerne verkauft. Auch in Flensburg waren entsprechende Pläne schon weit fortgeschritten, bis der SSW in der Ratsversammlung die Frage nach den Risiken stellte. Bekanntlich hat Flensburg sein Abwassernetz weder über den Atlantik verkauft noch von dort zurück geliehen. Cross-Border kam für die gewählten kommunalen Vertreter aufgrund der unwägbaren Risiken nicht infrage. Damit hat die demokratische Kontrolle wahrscheinlich Verluste in Millionenhöhe vermieden. Diese wurden wohl in fast allen Cross-Border-Geschäften eingefahren; zum Beispiel beim Verkauf der Bodenseewasserleitung. Verluste, die letztlich der Verbraucher und der Steuerzahler tragen müssen.
Wie das Flensburger Beispiel zeigt, funktioniert die demokratische Kontrolle. Voraussetzung ist eine zeitnahe und ausführliche Information der demokratischen Ebenen. Die Kommunalpolitiker müssen sich ihr eigenes Urteil auf Grundlage einer verständlichen Darstellung machen können. Transparenz ist dabei das A und O. In dieser Hinsicht entwickelt der vorliegende Entwurf sinnvolle Leitplanken.
Trotzdem besteht Beratungsbedarf. Es ist zu bezweifeln, ob gerade die kleinen und kleinsten Kommunen ihre Rechte im vorgeschlagenen Rahmen überhaupt wahrnehmen können. Bereits jetzt haben viele Kommunen ganze Aufgabenfelder an Zweckverbände übertragen, weil sie diese nicht aus Bordmitteln erfüllen können. Mit der Aufgabenübertragung geht in vielen Fällen ein Verzicht auf Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten einher. Wir müssen also die Kommunen irgendwann auch handlungsfähiger machen, damit sie die neuen rechte dann auch nutzen können.
Die Skepsis gegenüber riskanten Geschäften der Kommunalwirtschaft ist trotzdem kein Hirngespinst, sondern durchaus angebracht. Einmal bei den Großen mitzuspielen, übt eben einen ungeheuren Reiz aus. Das bedeutet nicht, dass wir es in Schleswig-Holstein mit einer Zockermentalität zu tun haben. Dementsprechend sollte man nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen insgesamt verbieten. Damit legt man den Kommunen Fesseln an, die sie behindern und damit letztlich die Gebühren in die Höhe treiben können. Investitionen mit Augenmaß sollten möglich bleiben. Das gilt vor allem für die dringendsten Aufgaben der kommunalen Wirtschaft und die sehe ich in der nachhaltigen Entwicklung der Energiewirtschaft und im Ausbau der Breitbandversorgung. Genau das sind die Bereiche, die der vorliegende Gesetzentwurf regelt: den Einstieg in überregionale Windparks und der Ausbau der Breitbandversorgung durch die Kommunen.
Zunächst zum Breitband. Bereits mehrmals hat der SSW darauf hingewiesen, dass die Anbindung an die Breitbandversorgung für viele Betriebe zur Grundausstattung gehört. Breitband ist durch die zunehmende Digitalisierung zu einem Teil der Daseinsfürsorge erwachsen. Internet ist keine Spielerei, sondern schafft und sichert dauerhaft Arbeitsplätze. Die flächendeckende Breitbandversorgung ist die Voraussetzung dafür. Das gilt nicht nur für die Großstädte, sondern ausdrücklich auch für den ländlichen Raum. Einige leistungsfähige Kommunen nutzen bereits ihre Chancen; die anderen sollten mitziehen können. Durch die Beauftragung der Breitbandnetzgesellschaft für den Netzwerkausbau haben einige Kommunen Nordfrieslands die flächendeckende Versorgung erreichen können. Sie haben damit solide und zukunftsfähige Standards geschaffen. Die Breitbandnetzgesellschaft hat unter anderen in Risum-Lindholm, in den Reußenkögen oder in Strukum Glasfasernetz verlegt – andere Gemeinden werden folgen und diese sollten wir nicht behindern.
Zu den Windparks. Leistungsfähige Kommunen sollten die Energieversorgung lückenlos betreiben können; also vom eigenen Windpark, durch die eigenen Leitungen bis hin zu den geeigneten Speichermedien. Hier vollzieht der Entwurf endlich das nach, was diese Kommunen schon lange fordern, indem er die Windparks in die wirtschaftliche Betätigung aufnimmt. Dabei muss es nicht zwangsläufig um die direkte Nachbarschaft gehen. Auch Kommunen mit wenigen Windeignungsflächen sollten die Chance bekommen, in die Windenergie zu investieren. Bei der Lektüre des Entwurfes habe ich gelernt, dass sich das Eigenschaftswort „grenzüberschreitend“ nicht auf die deutsch-dänischen Beziehungen beschränkt, sondern ausdrücklich auch die Landesgrenzen einbezieht. Dabei sehe ich beim besten Willen keine Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg oder zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Bislang hat die Gemeindeordnung diese Grenze aber betont, indem die wirtschaftliche Betätigung in Gebieten außerhalb Schleswig-Holsteins gleichermaßen zur Prüfung vorlegt werden mussten. Das machte entsprechende Verfahren unnötig kompliziert. Die Neuregelung, wonach zukünftig nur die wirtschaftlichen Beziehungen ins Ausland geprüft werden müssen, halte ich für ausgesprochen vernünftig und im Kern für längst überfällig. Das Engagement in deutschen Windparks außerhalb Schleswig-Holsteins gehört für süddeutsche Stadtwerke inzwischen zum Kerngeschäft. Ein Grund mehr, dass die Schleswig-Holsteiner mithalten können.