Speech · 24.01.2020 Wir müssen die Beteiligungsrechte unserer jungen Menschen stärken

Lars Harms zu TOP 27 - Einführung des Wahlrechts ab dem 16. Lebensjahr bei Bundestagswahlen (Drs. 19/24)Rede zu Protokoll gegeben

Der Antrag der SPD zur Ausweitung des Wahlalters war einer der ersten dieser Wahlperiode. 
Im Sommer 2017 bekamen wir die schriftlichen Stellungnahmen. Nur vier Stück insgesamt, vom Landeswahlleiter Schleswig-Holstein, dem Landeswahlleiter Bremen, dem Landesbeauftragten für Politische Bildung und dem Landesjugendring. 
Gemessen daran ist die merkwürdig still abgelaufene Ablehnung des Vorhabens durch die Regierungskoalition über zwei Jahre später schon irgendwie irritierend. 

Der Landesjugendring setzt sich schon seit Jahren für eine Absenkung des Wahlleiters ein. Er hat argumentiert, dass junge Menschen ohnehin schon früh in ihrem Leben und ihrem Bildungsweg Entscheidungen treffen müssen, die ausschlaggebende Konsequenzen für ihr späteres Leben haben. Das erwarten wir gesellschaftlich samt damit einhergehenden Pflichten auch wie selbstverständlich. Dass damit aber nicht das Wahlrecht einhergeht, empfindet der Landesjugendring als nicht nachvollziehbar und als Entzug von staatsbürgerlichen Rechten. Die Geschäftsführerin hat uns im Ausschuss klipp und klar gesagt, dass spielerische Beteiligungsformen keine echte Beteiligung ersetzen können. 

Unser Beauftragter für politische Bildung hat festgehalten, dass die Wahlberechtigung ab 16 ebenso zur stärkeren Teilnahme am politischen Leben führt wie zu insgesamt einer höheren Identifikation mit der parlamentarischen Demokratie. Und ein schöner Nebeneffekt könnte es sein, wenn wirklich langfristig die Wahlbeteiligung durch eine erhöhte Einstiegswahlbeteiligung stiege. 
Einer der Hinweise, der in diesem Zusammenhang kam war, dass Jugendliche in ihrer Wahlentscheidung auch in den Schulen begleitet werden sollten. Aber da bin ich erleichtert, dass es den WiPo-Unterricht gibt und der SSW möchte genau den ja weiter stärken.  

Der Landeswahlleiter der Stadt Bremen war klar der Bedenkenträger der Runde. Unser eigener Landeswahlleiter hat abwägend dargelegt, welche Vorteile uns das Absenken des Wahlalters bringen würde.
Ich erinnere mich auch daran, wie er schilderte, dass er regelmäßig von Jugendlichen gefragt werde, warum sie bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein wählen dürften, bei den nächsten Bundestagswahlen aber nicht. 
Mir persönlich fiele die Antwort darauf schwer, auch ich finde dieses Vorgehen nicht schlüssig. Ist Landespolitik weniger komplex? Weniger wichtig? Wenn Sie das meinen, meine Damen und Herren, dann beglückwünsche ich Sie alle herzlich zu Ihrem Amt. 

Schlussendlich hat eigentlich unser eigener Wahlleiter die für mich wichtigste Aussage getroffen: „Rechtlich bestehen keine Bedenken gegen die Herabsetzung des Wahlalters. Die Frage nach der persönlichen Reife der 16- und 17-Jährigen, eine Wahlentscheidung treffen zu können, ist letztlich politisch zu beantworten.“

Die Beschränkung des Wahlalters ist ja eine Ausnahme vom Wahlgrundsatz der allgemeinen Wahl. Und doch sind es manchmal die jüngsten Wahlberechtigten unter den jungen Menschen, die besonders politisch interessiert sind. Bei der Wahl der Bürgerschaft in Hamburg beispielsweise ließ sich ja beobachten, dass die Wahlbeteiligung bei den 16- bis 17-jährigen sogar 10 % höher als bei den 18- bis 24-Jährigen war. 

Unsere Jugendlichen haben uns schon oft bewiesen, dass sie Mitsprache wollen. Und auch dass sie das können. Weil sie genau so gut und genauso schlecht informiert sind, wie Erwachsene auch. Wer von uns das im Laufe der Jahre vielleicht vergessen hat, konnte sich bei den DialogP-Veranstaltungen der letzten Jahre wieder davon überzeugen, dass unsere Jugendlichen absolut politische Haltungen haben. Dass sie diese umsichtig entwickeln und eben genau wie Erwachsene politische Fragen unterschiedlich beurteilen. 
Ob Umweltschutz, Klima-Protest und Uploadfilter: es sind die jungen Leute, die die Proteste anführen.  

Seit Jahren warnen unsere Medien vor dem sogenannten „Generationenkonflikt“. Er lässt sich ja auch schön hochschreiben: jung gegen alt, Innovation gegen Borniertheit, nachhaltiges Umdenken gegen Weitermachen mit dem Konsum im Übermaß. Ob es diesen Konflikt wirklich so gibt, bin ich mir gar nicht sicher. Sicher bin ich mir aber, dass in diesem Bild die Frage nach Generationengerechtigkeit steckt und dass wir bessere Antworten als bisher darauf finden müssen. 
Daher ist die Lage für den SSW vollkommen klar: Die Entscheidung der Regierungskoalition ist falsch. Wir müssen die Beteiligungsrechte unserer jungen Menschen stärken. Und wir finden, es ist ihr folgerichtiges gutes Recht, ihre Zukunft auch als Wählerinnen und Wähler aktiv mitzubestimmen. 

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