Rede · 02.04.2003 Änderung des Abgeordnetengesetzes (Diäten)
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Kaum sitzen wir im neuen Glashaus, schon werfen die großen Fraktionen mit Kies um sich. Ich gehe jede Wette ein: Wir werden noch so oft zu hören bekommen, dass wir im neuen Plenarsaal nun wirklich im Glashaus sitzen, dass es uns zum Halse heraus hängen wird. Mit ihrem Entwurf für ein neues Abgeordnetengesetz sorgen SPD und CDU dafür, dass das Glas noch dünner wird.
Was hier heute in Sachen Diäten durchgepaukt werden soll, lässt sich angesichts der aktuellen Situation der öffentlichen Haushalte niemandem vermitteln. Dass es der Diäten-Koalition anscheinend in letzter Minute gelang, eine Haushaltssperre zu verhindern, macht die Katastrophe nur noch größer. Darf man den Presseberichten Glauben schenken, dann wollte die Landesregierung vorsorglich eine Haushaltssperre einrichten, weil die SPD-CDU-Diätenregelung anders nicht zu finanzieren ist. Zu Recht fragen sich also die Menschen im Lande, ob wir noch ganz bei Trost sind. Im Grunde sitzen wir in Sachen Diätenreform nicht mehr einmal im Glashaus, sondern in jeder Beziehung vor einem riesigen Scherbenhaufen. Das gilt sowohl für das parlamentarische Verfahren, wie für die Arbeit mit den Empfehlungen der Diätenkommission und für die öffentliche Wahrnehmung des ohnehin hochsensiblen Themas Diäten.
Wir sind uns in diesem Hause bisher einig gewesen: Nur größtmögliche Transparenz schafft das Verständnis dafür, dass Parlamente über ihre eigenen Bezüge entscheiden müssen. Doch der Gesetzentwurf, um den es heute geht, ist nicht im öffentlichen politischen Raum entstanden. Die großen Fraktionen haben sich im geheimen Kämmerlein verständigt; sie haben dem Innen- und Rechtsausschuss eine Tischvorlage präsentiert, über er sofort endgültig abstimmen musste. Die nicht eingeweihten Ausschussmitglieder hatten gerade einmal 15 Minuten um über einen komplizierten Gesetzentwurf zu entscheiden, der die Praxis von Jahrzehnten grundlegend reformieren soll. Keiner soll mir weismachen, dass alle Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses alle Einzelheiten der Vorlage verstanden und durchschaut haben.
Nicht nur das Verfahren ist aber höchst verwerflich. Das gilt natürlich auch für die Inhalte der Diätenreform. Der SSW lehnt den Gesetzentwurf von SPD und CDU ab. Zusammen mit FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben wir im Dezember letzten Jahres - so zu sagen bei der ersten Lesung dieser Initiative - gefordert, dass die Diätenreform erst 2005 umgesetzt werden darf, damit die Vorteile und Nachteile der Neuordnung gleichzeitig in Kraft treten. Nur so gibt es eine ausgewogene, vertretbare Reform. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass für 2003 nur eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung um 2,2% vertretbar ist. Diese Erhöhung wäre angemessen gewesen; was SPD und CDU heute beschließen wollen, ist nicht zu begreifen.
Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Bemessungsgrundlage für die Altersversorgung von 3.900 auf 4.900 erhöht wird. Mit welcher Begründung dieses geschehen soll, geht nicht hervor. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die um 45% erhöhte Grunddiät zusätzlich mit einer Aufwandspauschale angereichert werden soll.
Die unabhängige Diätenkommission hat vorgeschlagen, dass die Aufwandspauschale mit der Grunddiät zusammengelegt wird, und dass die Abgeordneten dann mandatsbedingte Werbungskosten steuerlich geltend machen können. Dieses ist aber keine gute Lösung, weil ein Finanzbeamter den Abgeordneten nicht vorschreiben kann, was mandatsbedingt ist und was nicht. Deshalb steht der SSW wie alle anderen Fraktionen auch weiterhin zur pauschalierten Aufwandsentschädigung.
Wenn man aber auf die Werbungskosten-Lösung der Diätenkommission verzichtet, dann ist die logische Schlussfolgerung, dass die von der Diätenkommission vorgeschlagene Grundentschädigung um die Höhe der Aufwandsentschädigung gekürzt werden muss. SPD und CDU berufen sich aber immer wieder auf die von der Benda-Kommission vorgeschlagene Grunddiät und wollen zusätzlich noch eine Aufwandspauschale kassieren. Das geht nicht, und es ist erst Recht unredlich, wenn die Diäten-Koalition auch noch behauptet, dass ihre Vorschläge letztlich aus dem Bericht der Diätenkommission abgeleitet werden können.