Rede · 25.03.1999 Ausbildungsförderung
Erinnern Sie sich: Noch vor gut einem Jahr haben die Studierenden vor dem Landeshaus demonstriert. Sie wehrten sich gegen die Verordnung des Rezepts: Einführung von Studiengebühren, um Studienzeiten zu verkürzen. Seitdem hat sich nichts getan. Noch immer wird über zu lange Studienzeiten geklagt. Andererseits behauptet heute niemand mehr, daß die Studierenden faul sind oder sich einfach einen schönen Lenz machen. Zügig können eben nur diejenigen studieren, deren Lebensunterhalt gesichert ist. Das sind immer weniger Studierende. Bundesbildungsministerin Bulmahn hat kritisiert, daß eine Familie mit zwei studierenden Kindern nur noch dann mit einer Vollförderung rechnen kann, wenn das monatliche Bruttoeinkommen 2.985,-- DM unterschreitet. Wer glaubt, alle Elternpaare wären in der Lage, den ihnen obliegenden Anteil zu finanzieren, kann nur auf beiden Augen blind sein. Das Festhalten an der Elternabhängigkeit wird viele Studierende weiterhin zur Arbeit zwingen.
Der SSW will erreichen, daß die finanzielle Absicherung für die Zeit des Studiums durch den Staat gewährleistet wird. Der Antrag des SSW zielt ausdrücklich nur auf die Studierenden als Förderungsempfänger ab. Während der Abgeordnete Berninger von den Bündnisgrünen eine künftige Förderung andeutet, die Elemente von Elternunabhängigkeit beinhaltet, hat die Bundesbildungsministerin die Zusammenfassung ausbildungsbezogener staatlicher Leistungen - wie Kindergeld und Freibeträge - zu einer elternunabhängigen Förderung in Aussicht gestellt. Studierenden das Kindergeld - statt über den Umweg der Eltern -direkt auszuhändigen, wäre gut. Beide Aussagen sprechen dafür, daß das sogenannte Drei-Körbe-Modell zum Tragen kommen könnte. Dieses Modell hat den Vorteil, daß die Studierenden aus dem ersten Korb einen Zuschuß erhalten, zu dessen Rückzahlung sie nicht verpflichtet sind. Die Leistungen aus den beiden weiteren Körben werden demgegenüber aber weiterhin elternabhängig erteilt. Insgesamt wird die Förderung nach diesem Modell also von den Einkommensverhältnissen der Eltern abhängig sein. Gerade für die Gruppe der Studierenden wird es bei der BAföG-Reform aber entscheidend darauf ankommen, ob die Studierenden endlich als erwachsene Menschen - als selbständige Individuen - behandelt werden. Es ist nicht erbaulich, als 25jähriger vom Kontoauszug der Eltern abhängig zu sein. Der SSW tritt deshalb für ein Förderungsmodell ein, das der Familienunabhängigkeit eine Chance bietet. Wer dieses Ziel verfolgt, der hat den Weg vorgegeben. Umfassende Familienunabhängigkeit ist nur machbar, wenn die Ausbildungsförderung insgesamt weiterhin als Darlehen gewährt wird. Allerdings möchte der SSW, daß das Darlehen völlig zinsfrei wird. Die Verpflichtung zur Rückzahlung soll von der Fähigkeit abhängig sein, zahlen zu können; denn es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Konkurrenzkampf um zukünftige Arbeitsplätze fast in allen Studienfächern immer größer wird.
Wir sind davon überzeugt, daß sich die vom SSW geforderten Eckpunkte finanziell umsetzen ließen, wenn das sogenannte Fondsmodell realisiert würde. Es liegt ja schon längst fertig durchgerechnet in der Schublade. Alle Darlehensrückzahlungen sollten in einen Fonds fließen, der nur zur Gewährleistung der Ausbildungsförderung genutzt werden würde. Natürlich würden wir ein Modell bevorzugen, das nicht nur aus Darlehen besteht. Wir halten aber mehr von einem Belohnmodell, bei dem das Darlehen bei Einhaltung der Regelstudienzeit höchstens zu drei Vierteln zurückgezahlt werden muß, als von einem nicht rückzahlungspflichtigen Zuschuß, der nur zum Preis der teilweisen Elternabhängigkeit zu haben ist.
Eine Reform sollte sich daran messen lassen, daß sie auch in zehn Jahren noch hält. Durch das Fondsmodell könnte die Darlehensverbindlichkeit zu immer größer werdenden Teilen erlassen werden. Die Richtung würde im Ergebnis also stimmen.
Unser Ziel ist: Auch diejenigen, die kein finanzkräftiges Elternhaus im Rücken haben, sollen wieder ein Studium aufnehmen können. Heute besitzen die wenigsten von ihnen den Mut, zu studieren. Der Trend ist momentan aber weiterhin: Geldelite ist gleich Bildungselite. Es wäre wünschenswert, zu dem alten Grundsatz einer echten Chancengleichheit zurück zu kehren.