Rede · 31.01.2008 Bericht zur Situation des UK S-H


Die Situation im und um das UK S-H spitzt sich dramatisch zu und es drängt sich die Frage auf, wie es dazu kommen konnte.  Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2005 und dem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrates kommt das Uniklinikum nicht mehr zur Ruhe. Das aufgelaufene Defizit in Höhe von ca. 70 Mio. und der Investitionsstau in Höhe von über 400 Mio. € lassen die Verantwortlichen offensichtlich in blinden Aktionismus verfallen - ohne Rücksicht auf Verluste.

Dabei steht das UK S-H im Vergleich mit anderen Unikliniken in Deutschland nachweislich gut da, weil man Leistungen hier wirtschaftlicher erbringt, als in anderen Bundesländern – nur diesen Vergleich will man hier im Land nicht gelten lassen. Auch müssen sich die aktuelle und die vergangenen Regierungen die Frage gefallen lassen, wie groß denn ihr Anteil an der angeblich desaströsen Situation des Uniklinikums ist. Als Geldgeber für die Investitionen sind sie nämlich maßgeblich mit schuld an dem immer wieder dem UK S-H vorgeworfenen Investitionsstau und der sich daraus ergebenden, zum Teil unwirtschaftlichen, Infrastruktur. Genauso hat die Politik die geringe Höhe des Basisfallwertes in Schleswig-Holstein mit zu verantworten. Stünde das UK S-H nämlich in Nordrhein-Westfalen oder in Hamburg, könnte es jährlich einen Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe einfahren.

Soviel zur Vergangenheit, jetzt zur aktuellen Situation:
Der Presse können wir entnehmen, dass im UK S-H eine Wiederbesetzungssperre verhängt wurde und angeblich bis zu 1.000 Stellen abgebaut werden sollen. Betroffen seien vor allem die nicht-wissenschaftlichen Berufsgruppen. Abgesehen davon, dass Wiederbesetzungssperren nicht gerade ein Kennzeichen von innovativem Sanierungsmanagement sind, fragen wir uns, wie lange die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Uniklinikums diese Situation noch ertragen. Sie sollen nämlich nicht nur den ständig steigenden Arbeitsdruck aushalten – nein dazu wird im Zuge der aktuellen Tarifverhandlungen auch noch mit Gehaltskürzungen im zweistelligen Prozentbereich gedroht. Und dass, obwohl die Beschäftigten bereits durch den Beschäftigungspakt eine Gehaltskürzung haben hinnehmen müssen. Es gehört schon sehr viel Idealismus dazu, unter diesen Bedingungen täglich seiner Arbeit zum Wohle der Patienten nachzugehen und nicht zu resignieren.

Abgesehen davon, wird sich der Personalmix durch die Nicht-Verlängerung von befristeten Verträgen zu Lasten der älteren Beschäftigten verschieben. Aber gerade die Mischung aus erfahrenen älteren Beschäftigten und jüngeren Mitarbeitern mit neuen Ideen ist notwendig, um den Anforderungen gewachsen zu sein.

Schon jetzt warnen die Beschäftigten aufgrund des Personalmangels öffentlich vor schlechterer Pflege im UK S-H – hatte der Sanierer sich nicht u.a. die Verbesserung des Marketings auf seine Fahnen geschrieben? Das kann er damit ja wohl nicht gemeint haben. Anstelle durch eine Wiederbesetzungssperre planlos Stellen abzubauen, sollte man sich daran machen, die einzelnen Geschäftsbereiche durch modernes Personalmanagement zu stärken. Nur mit gut ausgebildeten und vernünftig bezahltem Personal lässt sich der zukünftige Qualitätswettbewerb gewinnen. Wer an der falschen Stelle spart, spart das UK S-H kaputt.

Die neu durch die Politik entfachte Diskussion um den Verwaltungssitz ist zum jetzigen Zeitpunkt so überflüssig wie ein Kropf und hetzt die Standorte wieder gegeneinander auf. Das UK S-H hatte sich mit dem – anfangs auch vom SSW kritisierten - Doppelsitz arrangiert und war auf dem Weg insbesondere in der Verwaltung Prozesse campusübergreifend zu optimieren und Aufgaben an dem einen oder anderen Campus zu zentralisieren. Denn entscheidend ist doch, dass Aufgaben nur einmal und nicht doppelt wahrgenommen werden. Zweitrangig ist dabei, ob die für beide Standorte zuständigen Mitarbeiter in Kiel oder in Lübeck sitzen. Es soll doch keiner glauben, dass bei einer Zentralisierung der Verwaltung in Lübeck oder Kiel, das Pendeln zwischen den Standorten schlagartig aufhört. Wenn z.B. der Vorstand nicht mehr pendelt, dann müssen sich wohl diejenigen auf die Straße begeben, die Termine mit dem Vorstand wahrnehmen wollen. Wir werden also zukünftig viele Klinikdirektoren und andere Beschäftigte zwischen den Standorten hin- und her pendeln sehen.

Vor diesem Hintergrund haben wir auch ernsthafte Zweifel an den kursierenden Einsparungen, die mal mit 3,6 Millionen, mal mit 4,2 Millionen und mal mit 5 Millionen € beziffert werden, und fordern die Landesregierung auf, diese zu konkretisieren und uns die Maßnahmen konkret zu nennen, die zu diesen Einsparungen führen sollen. Auch wüssten wir gerne, wie viele Verwaltungsmitarbeiter denn nun wirklich an den Standorten betroffen sind und wie viele an den neuen Standort umziehen sollen. Darüber gibt es nämlich auch sehr unterschiedliche Zahlen.

Nach unseren Informationen sind aber die hoch dotierten Stellen im UK S-H wie z.B. Dezernatsleitungen oder Stabsstellen sowieso nur einmal besetzt. Diese Aufgaben werden schon seit längerem standortübergreifend wahrgenommen. Daher bezweifeln wir auch die in den Raum gestellten Zahlen. Denn wie gesagt, das UK S-H hat sich seit der Fusion 2003 durchaus bewegt und viele Maßnahmen umgesetzt, die zu Einsparungen geführt haben. Wie will man also die Einsparungen erzielen und muss man sich dafür wirklich für einen Verwaltungssitz entscheiden? Geht es nicht eher darum, die begonnene standortübergreifende Zusammenlegung von Aufgaben fortzuführen und ist dabei nicht völlig zweitrangig, wo der Verwaltungssitz angesiedelt ist? Diese hochgradig emotional geführte angebliche „Sachdiskussion“ zwischen den Standorten Kiel und Lübeck erweckt eher den Eindruck, es würden hier Nebelkerzen als Ablenkungsmanöver geworfen und wir stellen uns die Frage, wovon die Landesregierung eigentlich ablenken möchte.

Wir als SSW haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir uns aus struktur- und regionalpolitischen Gründen oft dafür aussprechen, andere Standorte als die Landeshauptstadt zu wählen. Vor diesem Hintergrund macht die Überlegung Sinn, den Standort nach Lübeck zu legen und diesen Standort dadurch zu stärken. Aber wie gesagt, wir halten diese ganze Diskussion um den Verwaltungssitz zum jetzigen Zeitpunkt schlicht und ergreifend für überflüssig und bedauern im Übrigen sehr, dass dadurch die Diskussion um den Sitz des Medizinausschusses erneut aufflammt. Denn zumindest diese Kuh hatte man ja schon mal vom Eis.

Andere Fragen als der Standort des Hauptsitzes sind viel wichtiger. Zu Beispiel, wie in Zukunft mit dem Bereich der Pflege umgegangen werden soll. Zum Thema Bedeutung der Pflege und Besetzung der Positionen des Vorstandes für Krankenpflege und Patientenservice können wir uns nur wiederholen. Pflege gehört in den Vorstand, weil sie entscheidend zur bereichs- und berufsgruppenübergreifenden Prozessoptimierung beiträgt und sich schon längst als eigenständige auch wissenschaftlich ausgerichtete Berufsgruppe emanzipiert hat. In vielen anderen Bundesländern und auch außerhalb Deutschlands hat sich diese Erkenntnis schon lange durchgesetzt und man handelt danach. Hier in Schleswig-Holstein unter dem viel beschriebenen wirtschaftlichen Druck macht man eine Rolle rückwärts und entzieht der Pflege unternehmerische Verantwortung. Und zwar nicht nur auf Vorstandsebene sondern auch in den Medizinischen Leistungszentren, wo die Pflegedirektorinnen mit Satzungsänderung vom Dezember 2007 offensichtlich wieder in die zweite Reihe gerückt wurden.

Wenn so Ihre Sanierung aussieht, Herr Austermann, dann graust es mich wirklich. Nicht nur, dass Sie dabei sind, das einzige Uniklinikum des Landes an die Wand zu fahren. Was mindestens genau so schwer wiegt ist, dass hier das Vertrauen der Menschen in diesem Land in die Politik und deren Entscheidungsträger leichtfertig verspielt wird. Inhalte spielen bei der Diskussion um das UK S-H keine Rolle mehr. Es geht nur noch ums Verkaufen und um hiervon abzulenken, wirft man Nebelkerzen wie die heutige Standortdiskussion. Notwendig wäre aber eine Diskussion darüber, wie das UK S-H in Zukunft inhaltlich aufgestellt sein sollte. Diese Diskussion wird aber nicht geführt und das zeigt wieder einmal deutlich die Handlungsunfähigkeit der Großen Koalition.

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