Rede · 24.02.2006 Bilinguale Angebote in Kindergärten und Schulen
Als der Kollege Karl-Martin Hentschel in der Bildungsausschuss-Sitzung vom 12.Januar den Antrag der Carl-Eitz-Grund- und Hauptschule in Pinneberg auf Einrichtung eines bilingualen Klassenzuges ansprach und dabei seiner Enttäuschung über die ablehnende Haltung des Bildungsministeriums Luft machte, hob er hervor, dass gesetzliche Regelungen solch einem innovativen Anliegen nicht im Wege stehen dürften, sondern gegebenenfalls geändert werden müssten. Und der nächst Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung macht ja auch deutlich, was sich der Kollege Hentschel darunter vorstellt. Ich selbst werde übrigens dafür zitiert, gesagt zu haben, dass die angesprochene Frage vor dem Hintergrund der Bildungsgerechtigkeit eher ein Luxusproblem sei. Auch wenn dies vielleicht eine etwas verkürzte Sichtweise ist, stehe ich zu meiner Aussage. Doch darauf werde ich gleich noch eingehen.
Vorerst bleibt festzuhalten, dass sich auch der vorliegende FDP-Antrag trotz der verallgemeinernden Überschrift - Bilinguale Bildungsangebote in Kindergärten und Schulen - konkret auf den Wunsch der Carl-Eitz-Schule bezieht, denn genau dies konnte man Anfang des Monats dem Hamburger Abendblatt entnehmen, wo ja auch auf die entsprechende Kleine Anfrage des Kollegen Klug verwiesen wird.
Alles dies ist völlig in Ordnung und genau so legitim wie die Bemühungen der betroffenen - sehr engagierten Eltern, die nur das Beste für ihre Kinder wollen. Aus Sicht des SSW geht es nun darum, das eine berechtigte Anliegen nicht gegen das andere auszuspielen. Damit meine ich, dass man es sich in dieser Sache vielleicht doch etwas zu einfach macht, wenn man dem Ministerium einem Mauern unterstellt. Im Protokoll der besagten Bildungsausschuss-Sitzung ist zumindest nachzulesen, dass das Ministerium der Carl-Eitz- Schule anbietet, ähnlich wie die Muhliusschule in Kiel ab Klassenstufe 1 ein Fach z.B. Heimat- und Sachunterricht auf Englisch zu unterrichten sowie zusätzlich Englischangebote in Form von Arbeitsgemeinschaften einzurichten. Natürlich ist dies nicht die optimale Lösung, denn sie hat nichts mit einem bilingualen Bildungsangebot zu tun. Sie sorgt aber doch dafür, dass die im AWO-Kindergarten geleistete Arbeit nicht hinten runter fällt.
Und nun ein paar Worte zu unserem Änderungsantrag, der ja die einseitige Festlegung auf Englisch in Frage stellt. Für uns ist entscheidend, dass bei der Erweiterung des Fremdsprachenangebots u.a. durch die Einführung von bilingualen Angeboten nicht zu kurz gesprungen wird. Wenn es um Fremdsprachen in der Grundschule geht, dann bieten nämlich gerade die Sprachen, die in der unmittelbaren Umgebung des Kindes auch täglich gesprochen werden, die größten Chancen und Möglichkeiten für einen besonders lebensnahen und lebendigen Unterricht. In Schleswig-Holstein trifft dies nicht zuletzt auf die Minderheitensprachen Friesisch und Dänisch zu, wobei Dänisch sowohl Minderheitensprache als auch angrenzende Nachbarsprache bzw. Fremdsprache ist.
Als sich der Bildungsausschusses des Landtages 2001 im Rahmen einer großen Anhörung mit dem Fremdsprachenunterricht an Grundschulen befasste, fasste der Beauftragte des IPTS für Friesischunterricht in der Grundschule, Ingwer Nommensen, dies wie folgt zusammen(Umdruck 15/0893): Im Friesischunterricht erwerben oder erweitern die Schüler und Schülerinnen Kenntnisse in der friesischen Sprache und beschäftigen sich mit der Geschichte und Kultur Nordfrieslands. Der Unterricht bildet dabei einen wichtigen Bestandteil für die Identitätsfindung der Kinder und unterstützt gleichzeitig die Erziehung zur Toleranz gegenüber den anderen Kulturen und Sprachen sowohl in Schleswig-Holstein wie auch im gesamten Europa.
Vor diesem Hintergrund regte damals Professor Elin Fredsted von der Universität Flensburg an, verstärkt über eine besondere Nachbarsprachendidaktik in Verbindung mit den Sprachen Dänisch und Friesisch nachzudenken. Insgesamt erhöht nämlich jede positive Begegnung mit einer anderen Sprache und deren Kultur das sprachliche Abstraktionsvermögen eines Kindes und sensibilisiert es so für andere Kulturen. Deshalb ist es auch nicht so entscheidend, dass etwa eine ganz bestimmte Fremdsprache unterrichtet wird, sondern dass die Kinder früh an andere Sprachen und Kulturen herangeführt werden, hebt Elin Fredsted hervor.
Der Erwerb von Kenntnissen in den schleswig-holsteinischen Minderheitensprachen stellt also eine Schlüsselqualifikation dar, wobei es aus Sicht des SSW nicht entscheidend ist, ob es sich dabei konkret um ein bilinguales Angebot handelt oder nicht. Entscheidend ist für uns, dass das frühe Fremdsprachenlernen kindgerecht geschieht. So habe ich mir z.B. sagen lassen, dass eine noch stärkere Einbindung der frühen Fremdsprachenbegegnung in den rhythmisch-musischen Bereich sich auch für die Entwicklung der Muttersprache des Kindes positiv auswirkt, insbesondere bei Kindern mit motorischen Störungen. Auch dies etwas, was mit den hiesigen Minderheitensprachen hervorragend zu leisten sei.
Dass Fremdsprachenkenntnisse und in der deutsch-dänischen Grenzregion nicht zuletzt Dänischkenntnisse nach der Schule dann auch die Berufschancen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steigern, dürfte mittlerweile eine Binsenweisheit sein. Der kürzlich in Flensburg durchgeführte Aktionstag zur dänischen Sprache der Region Schleswig-Sønderjylland unter der Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten - zeigte, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Dennoch gibt es noch genug zu tun, erst recht im schulischen Bereich wie aus der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage hervorging.
Fremdsprachenunterricht in der einen oder anderen Form wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, davon bin ich überzeugt. Daher ist es besonders wichtig, wie die begrenzten öffentlichen Ressourcen eingesetzt werden. Die Ausweitung bilingualer Bildungsangebote steht für den SSW dabei nicht unbedingt an erster Stelle. Viel wichtiger ist für uns und da bin ich denn doch bei dem Punkt Bildungsgerechtigkeit und PISA angelangt wie ein didaktisches Gesamtkonzept aussieht. Ein Gesamtkonzept, das auch Antworten auf die schwierigen Fragen hinsichtlich des muttersprachlichen Unterrichts für Kinder mit Migrationshintergrund geben muss. Nicht hinnehmbar ist für uns ein Modell, das zu einer Reduzierung der Zahl der Deutschstunden führt. Die frühe Begegnung mit einer Fremdsprache darf mit anderen Worten nicht mit größeren Niveauunterschieden hinsichtlich des Lesens- und Schreibenlernens erkauft werden. Wir werden also genau hingucken, wenn mit dem neuen Schulgesetz zu Papier gebracht worden ist, wie sich die Landesregierung einen zukunftsweisenden Fremdsprachenunterricht vorstellt.