Rede · 24.02.2012 Entwicklungpolitische Verantwortung anerkennen
Eine der zahlreiche Auswirkungen der Finanzkrise besteht darin, dass entwicklungspolitische Ziele mehr denn je in den Hintergrund der politischen Aufmerksamkeit und des politischen Handels getreten sind. Die globale Solidarität kann sich allerdings nicht in einer Landtagsdebatte erschöpfen, nach dem Motto „Gut, dass wir darüber geredet haben“.
Tatsächlich sinken die ODA (Official Development Assistance)-Ausgaben im Landeshaushalt und liegen derzeit unter 200.000 Euro. Dieses Feigenblatt ist überaus dürftig. Die Landesregierung verwies in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Schippels darauf hin, dass bei „der Entwicklungszusammenarbeit die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung berücksichtigt werden müssen.“ Damit hat es Schleswig-Holstein auf den allerletzten Rang unten allen Bundesländern geschafft, als entwicklungspolitisches Schlusslicht der Bundesrepublik.
Aus der besagten Antwort der Landesregierung geht weiterhin hervor, dass sie für sich nicht beansprucht, eine eigene Strategie bei der Entwicklungszusammenarbeit zu verfolgen. Es ist also die Aufgabe des Landtages, dieses zu ändern. Fraglich ist aber aus Sicht des SSW, ob die von der Fraktion Die Linke angeführten Vorschläge zielführend sind.
Die Selbstverpflichtung des Landes in Sachen Beschaffung wäre natürlich ein Meilenstein in der Entwicklungspolitik. In Lübeck hat man sich per Ratsbeschluss der Fair-Trade-Bewegung angeschlossen und ermuntert die regionale Wirtschaft, fair gehandelte Produkte anzubieten bzw. auszuschenken. Lübeck erfüllt damit die Voraussetzungen einer Fair-Trade-Stadt. Das Gleiche gilt für das Studentenwerk, das Fair Trade Kaffee in den Mensen anbietet. Das sind Bausteine für eine entwicklungspolitische Strategie, weil die Erzeuger unabhängiger vom Welthandel werden und abseits der herrschenden Spekulationsgeschäfte rund um Rohstoffe wie Kakao und Kaffee eine stabile Wirtschaft aufbauen können.
Die Strukturprobleme der südlichen Länder fußen auf der Ausbeutung durch die entwickelte Welt; sei es durch ruinöse Preise oder etwa durch subventionierte EU-Exporte, die beispielsweise in Kamerun die ansässigen Hühnerbetriebe in die Pleite trieb.
Realistischer Weise wage ich aber zu bezweifeln, ob es möglich sein wird, auf Landesebene dieses verpflichtend durchzuführen. Das müsste im Ausschuss geklärt werden. Fakt ist aber auch: Eine solide wirtschaftliche Grundlage versetzt die Erzeuger in der Dritten Welt in die Lage, ihre Kinder von der Produktion freizustellen und sie zur Schule zu schicken. Wer Geld ansparen kann, investiert in seinen Betrieb und kann sich auch eine medizinische Versorgung leisten. Stärken wir die Erzeuger, dann ist das eine konkrete Maßnahme für die südlichen Länder.
Wir wissen alle, dass das Eine-Welt-Engagement in Schleswig-Holstein ausschließlich von regionalen NGO’s getragen wird. Wer sich die Netzwerkliste anschaut, sieht, dass die Kirche vertreten ist und viele Bildungsträger. Das Land hat sich völlig aus dieser Arbeit zurückgezogen, da hilft es auch nichts zu sagen – wie geschehen in der vorher zitierten Kleinen Anfrage des Kollegen Schippels – dass die Landesregierung neben fachlicher Beratung insbesondere Veranstaltungen und Seminare zu Nachhaltigkeitsthemen initiiert. Das wirkt lustlos und wenig engagiert. Damit meine ich nicht, dass neue Stellen oder Institutionen geschaffen werden sollen. Um seiner entwicklungspolitischen Verantwortung gerecht zu werden, müsste das Land aber schon mehr leisten und dort, wo es direkten Einfluss hat, auch gezielt darauf hinwirken, dass „global gedacht und lokal gehandelt“ wird. Soll heißen, Bingo Lotto ist gut, aber Konzepte für Bildungskooperationen wirken nachhaltiger. Das gilt nicht zuletzt für den Hochschulbereich, wobei ich lobend den Studiengang Energie- und Umweltmanagement an der Uni Flensburg erwähnen möchte, weil dort Studienplätze gezielt für Studierende aus Ländern der Dritten Welt reserviert werden. Damit solche Ansätze verstetigt werden können, brauchen wir neue konzeptionelle Überlegungen – und dass sich das Land den Hut der Verantwortung aufsetzt.