Rede · 19.05.2010 Entwurf eines Gesetzes zur Minderheiten- und Sprachförderung im kommunalen Bereich
Artikel 5 unserer Landesverfassung gehört seit 1990 zu den tragenden Säulen der schleswig-holsteinischen Minderheitenpolitik. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit dieser Feststellung kein Neuland betrete. Dennoch möchte ich - sozusagen zur Einstimmung auf unsere Gesetzesinitiative - Artikel 5, Satz 2 der Landesverfassung zitieren: „Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung“.
Konkret war die Minderheitenpolitik auf Landesebene bisher vor allem davon geprägt, angemessene und gerechte finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, um die kulturelle Arbeit der Minderheiten nachhaltig zu schützen und zu fördern. Für den SSW steht fest, dass das Ziel der finanziellen Gleichstellung von Minderheit und Mehrheit weiterhin oberste Priorität hat.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir aber deutlich machen, dass eine zukunftsweisende Minderheitenpolitik weitere Facetten beinhaltet. Nicht zuletzt die 1998 in Kraft getretene Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen hat ins Bewusstsein gerückt, dass die Sprache Grundlage von Minderheitenidentität und Kulturträger Nummer Eins ist und dass die Nutzung der eigenen Sprache einem Menschenrecht gleichkommt.
Die Förderung von Minderheitensprachen dient somit nicht in erster Linie wirtschafts-, tourismus- oder arbeitsmarktpolitischer Ziele. Eine Sprachenpolitik im Sinne der Sprachencharta heißt, dass der Staat anerkennt, dass das Land mehrere Sprachen hat, diese gleich stellt und fördert. Mit anderen Worten: eine wirkliche Mehrsprachigkeit setzt voraus, dass die nationalen Minderheiten unseres Landes Anspruch darauf haben, dass ihre Sprache in ihrem Alltag präsent und nutzbar ist. Wobei ich in Klammern bemerkt daran erinnern möchte, dass das auf Initiative des SSW und vom Landtag einstimmig beschlossene „Friesisch Gesetz/Friisk Gesäts“ zur Stärkung des Friesischen im öffentlichen Raum genau dieses zum Ziel hat.
Mit unserem heutigen Gesetzentwurf machen wir einen ersten Schritt zum „Mehrsprachenland Schleswig-Holstein“. Schleswig-Holstein sollte eine eigene Sprachenpolitik entwickeln, in der die Gleichwertigkeit der Minderheiten- und Regionalsprachen zum Ausdruck kommt. Aus Sicht des SSW gibt es hierfür verschiedenste Elemente, wie z.B. die Gewährleistung von Mehrsprachigkeit in der Verwaltung im Landesteil Schleswig oder auch die Mehrsprachigkeit bei kulturellen Angeboten.
Gerade weil es um den Alltag geht, ist es dabei unerlässlich, dass das Land die Gemeinden, Städte und Kreise mit ins Boot holt, denn sie müssen die Sprachenpolitik dort umsetzen, wo der Alltag der Menschen stattfindet. Wir möchten erreichen, dass auf kommunaler Ebene das Bewusstsein für die eigene minderheitenpolitische Verantwortung gestärkt wird. Als Steuerungsinstrument möchten wir das in der Kommunalverfassung festgeschriebene Berichtswesen nutzen, das wir um den Punkt erweitern: „Einen Bericht über den Schutz und die Förderung der Minderheiten sowie der Minderheiten- und Regionalsprachen“. - Wie im Schleswig-Holsteinischen Landtag könnte so ein Bericht jeweils in der Mitte der kommunalen Wahlperiode gegeben werden, damit er auch als Werkzeug in der Kommunalpolitik eingesetzt werden kann. Wir begrüßen, dass es im Kreis Nordfriesland sowie in den Städten Flensburg und Kiel schon ähnliche Berichte gibt. Mit der gesetzlichen Verankerung dieser Forderung möchten wir aber deutlich machen, dass es uns auf die nachhaltige Förderung der Minderheitensprachen und des Niederdeutschen ankommt.
Ich fasse zusammen: Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Rahmenbedingungen für ein Mehrsprachenland Schleswig-Holstein verbessern. Ein weiterer Baustein ist vor diesem Hintergrund die vom Landtag in Auftrag gegebene und in diesem Hause mehrfach debattierte Analyse zu den besonderen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der nationalen Minderheiten. Diese Kompetenzen kommen der Gesellschaft als Ganzes zugute - sie stellen sozusagen den gesellschaftlichen Mehrwert einer neuen Sprachenpolitik dar. Damit untermauert diese Sprachenpolitik den Anspruch des Landes auf eine fortschrittliche und europaweit vorbildliche Minderheitenpolitik.