Rede · 26.08.2011 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss HSH Nordbank

Viele Menschen fragen jetzt nach den Konsequenzen, die sich für die an der HSH-Nordbank-Krise Beteiligten ergeben. Während das Handeln der Vorstandsmitglieder und Bank-Mitarbeiter bei einem hinreichenden Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft untersucht werden muss und teilweise ja auch untersucht wird, stellt sich die Frage aber eben auch für diejenigen, die im Aufsichtsrat tätig waren. Man war zwar nicht im operativen Geschäft tätig, aber man hatte eine Aufsichtspflicht und die politischen Vertreter hatten zudem eine politische Verantwortung. Und hier wird dann auch gleich das Dilemma offensichtlich. Da ein Untersuchungsausschuss eher ein politisches Kampfinstrument ist und weniger ein Aufklärungsgremium, sind naturgemäß die politischen Einschätzungen in Bezug auf das Verhalten Einzelner unterschiedlich. Letztendlich ist es auch hier die politische Mehrheit, deren eigene Politiker betroffen sind, die nun auch entscheidet, ob diese Politiker Konsequenzen tragen müssen oder nicht. Deshalb halten wir als SSW weiterhin an unserer Forderung fest, dass anstelle von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Zukunft unabhängige Untersuchungen treten müssen. Hier und jetzt, wird es aber keine Konsequenzen geben und das ist vorweg gesagt schon das eigentlich Bittere an der Untersuchungsarbeit.

Bitter umso mehr, weil hier regelrecht Geld verbrannt wurde. In den Jahren 2008 und 2009 wurden insgesamt Jahresfehlbeträge in Höhe von fast 3,6 Milliarden Euro durch die HSH-Nordbank eingefahren. Das heißt, unsere gemeinsame Finanzspritze mit Hamburg in Höhe von 3 Milliarden Euro reichte noch nicht einmal aus, um diese aufgelaufenen Verluste zu decken. Aber auch der Wertverlust der Bank ist gigantisch. Die Hamburger haben festgestellt, dass der Wertverlust ihrer Anteile von 2007 bis 2009 bei 1,9 Milliarden Euro liegt. Unser Verlust wird ähnlich hoch sein, auch wenn die Landesregierung bisher nicht im Stande war, den Buchwert unserer HSH-Nordbank-Anteile zu beziffern; was im Übrigen ebenfalls ein Armutszeugnis ist. Alleine schon der Wertverlust der Bank stellt einen solchen Vermögensschaden für das Land Schleswig-Holstein dar, so dass man hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.

Auffällig war, dass sich durch alle Arbeiten und Aussagen im Untersuchungsausschuss immer wieder ein Problem zog. Der Aufsichtsrat unterlag immer wieder einem Zielkonflikt. Er war gemäß Aktienrecht ausschließlich dem Unternehmen gegenüber verpflichtet und somit spielten ausschließlich ökonomische Parameter eine Rolle. Unsere Vertreter im Aufsichtsrat waren aber als Landesminister natürlich auch dem Parlament gegenüber verpflichtet und sollten auch politische Ziele umsetzen. Zum Beispiel war es erklärtes politisches Ziel, dass die Bank die regionale Wirtschaft stützen sollte. Mehr und mehr geriet dieses Ziel ins Hintertreffen und spielte am Ende überhaupt keine Rolle mehr. Die Bank verhielt sich wie eine normale Geschäftsbank und orientierte ihr Handeln ausschließlich am Ziel der Gewinnmaximierung. Die Bank war als Aktiengesellschaft nicht mehr ein Förderinstrument der Landespolitik, sondern eine Bank wie jede andere auch. Daher gab und gibt es für das Land keinen Grund mehr Anteile an dieser Bank zu halten. Dies ist zumindest schon einmal eine Feststellung, die man nach der Untersuchungsausschussarbeit treffen kann.

Allerdings muss ich selbstkritisch sagen, dass es eine Fehlentscheidung war, diese Bank zu privatisieren, ihre Börsenfähigkeit anzustreben und einen privaten Anteilseigner mit ins Boot zu nehmen. Im Nachhinein können wir feststellen, dass die Bank dadurch für uns als Parlament unkontrollierbar wurde; mit den entsprechend negativen Folgen. Die Schlussfolgerung lautet deshalb für uns: Wenn man politische Ziele verfolgt, dann darf man die Zügel nicht aus der Hand geben und dann verbietet sich eine Privatisierung von selbst.

Betrachtet man die handelnden Personen, so wird man feststellen, dass vor und während der Krise nicht in der Mehrheit die so viel gescholtenen Politiker das Heft des Handelns in der Hand hatten, sondern vielmehr auch andere beteiligt waren. Der Vorstand setzte sich ausschließlich aus Wirtschaftsfachleuten zusammen und auch der Aufsichtsrat war in der Mehrheit nicht politisch besetzt. Neben den vier politischen Vertretern aus Hamburg und Schleswig-Holstein saßen dort Arbeitnehmervertreter, Vertreter des Investors Flowers, Vertreter der Sparkassen und Wirtschaftsvertreter aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Wenn also festgestellt werden kann, dass der Aufsichtsrat in bestimmten Fällen seiner Kontrollfunktion nicht ausreichend nachgekommen ist, dann hat nicht hauptsächlich die Politik versagt, wenn es um unternehmerische Entscheidungen zu bestimmten Zeitpunkten geht, sondern versagt haben viele – auch die Vertreter der Wirtschaft.

Politischen Vertretern ist nach unserer Auffassung immer nur dann ein Vorwurf zu machen, wenn politische Weichen falsch gestellt werden. Diese Weichen wurden aber erst wieder bei der Krisenbewältigung gestellt. Hier war es die Aufgabe der Landesregierung, Schaden vom Land Schleswig-Holstein fernzuhalten. Und das ist nach unserer Auffassung nicht passiert – im Gegenteil: Der SSW stellt fest, dass die damalige Landesregierung in einem engen Zeitraum im Krisenherbst 2008 mehrfach die Möglichkeit hatte, die Sanierung der HSH-Nordbank gemeinsam mit dem Bund anzugehen. Wäre dies geschehen, hätte das finanzielle Risiko für das Land Schleswig-Holstein, das heute immer noch besteht, stark verringert werden können. Die Große Koalition hat sich unter dem Einfluss der HSH Nordbank dafür entschieden, diese Option einer Bundesbeteiligung nicht zu nutzen und damit den Steuerzahlern im Land einen ungleich größeren Teil der finanziellen Verantwortung für die Bank aufgebürdet.
Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses hat gezeigt, dass die sehr risikoreiche Situation, in der wir immer noch stecken, absehbar war. Deshalb ist es unter sachlichen Aspekten nicht nachvollziehbar, warum die ausgestreckte Hand des Bundes nicht ergriffen wurde. Wir haben im Rahmen der Untersuchung den Eindruck gewonnen, dass das damals SPD-geführte Bundesfinanzministerium bewusst herausgehalten wurde, um dessen Einfluss und entsprechende Einblicke in die Bank zu verhindern. Aus unserer Sicht war dies ein schwerwiegender Fehler, der durch nichts zu entschuldigen ist.

Im Laufe der Untersuchungsausschussarbeit hat sich auch das Bild weiter verfestigt, dass die Informationspolitik der Landesregierung nach Eintritt der HSH-Krise gelinde gesagt suboptimal war – und dass dies sehr bewusst so betrieben wurde. Informationen wurden immer nur dann gegeben, wenn Entscheidungen gefallen waren und diese nicht mehr vom Parlament beeinflusst werden konnten. Damit war der Landtag, der keine Chance hatte, im Vorwege an die Informationen zu kommen, völlig außen vor. Hier bestand eindeutig eine Bringschuld der Landesregierung, der sie nicht oder allenfalls ungenügend nachgekommen ist. Sie hat im Gegenteil Ende 2008 und insbesondere zu Beginn des Jahres 2009 zielgerichtet und systematisch den Druck auf die Landtagsabgeordneten so weit erhöht, dass diese dem Handlungsdruck mehrheitlich unterlagen, 1,5 Milliarden Euro in die Bank zu schießen und für 5 Milliarden Euro Garantien zu übernehmen.

In diesem Zusammenhang ist es wenig tröstlich, dass der dem CDU-Lager zugehörige ehemalige Wirtschaftsminister Marnette ebenfalls über mangelnde Informationen klagte und dass auch die SPD-Kabinettskollegen in der damaligen schwarz-roten Koalition nicht ausreichend im Bilde waren. Die Handelnden der CDU haben den Bündnispartner SPD offensichtlich ausgebootet und vor vollendete Tatsachen gestellt. Dies entlässt die SPD allerdings nicht aus der Gesamtverantwortung für die Fehlentscheidungen bei der HSH Nordbank-Krisenbewältigung, die sie als Teil der damaligen Landesregierung mit trägt.

Wir können feststellen, dass riesige Verluste mit hoch-spekulativen Geschäften gemacht wurden. Der Aufsichtsrat hat diese Geschäftspolitik nicht verhindert und ist dadurch mittelbar für die Misere der HSH-Nordbank mit verantwortlich. Dies mag strafrechtlich nicht relevant sein, aber es gibt hier die gesellschaftlich-politische Verantwortung dieses Kontrollgremiums. Diese Verantwortung lässt sich auch in Zahlen fassen: 3,6 Milliarden Euro Verluste in nur zwei Jahren, 1,5 Milliarden Euro Überlebensspritze der Schleswig-Holsteinischen Steuerzahler für dieses so grandiose Geschäftsmodell und die alleinige Übernahme von Risiken in Form von Garantiegewährung, Gewährträgerhaftung und hohem verbleibendem wirtschaftlichen Risiko für die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger.

Am Ende haben Vertreter der damaligen Landesregierung mit Finanzminister Wiegard an der Spitze bewusst gegen die Interessen des Landes gehandelt, in dem sie keine Bundeshilfe annahmen und sie dabei die freie Entscheidungsfindung des Parlaments behindert und die Abgeordneten ungebührlich unter Druck gesetzt haben. Als Parlamentarier kann ich hier nur fordern, dass personelle Konsequenzen gezogen werden müssen. Allerdings ist mir auch klar, dass die Mehrheit in diesem Hause genau das nicht tun wird und damit die Schleswig-Holsteiner auf allem sitzen bleiben werden.

Was bleibt ist:
•Null Konsequenzen aus der HSH-Nordbank-Krise,
•ein misslungenes Kooperations-Vorzeigeprojekt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein
•Milliardenverluste für das Unternehmen,
•ein Mehr an Schulden für den Landeshaushalt in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro,
•ein Verlust des Wertes unserer Unternehmensanteile von rund 2 Milliarden Euro
•und ein wirtschaftliches Risiko für das Land, dass das Land in den Ruin treiben kann.
Deutlicher kann man das Versagen der damaligen Großen Koalition mit ihrem Finanzminister Wiegard nicht darstellen. Das Land hätte damals eine bessere Regierung verdient gehabt.

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