Rede · 12.12.2019 Professur für „Plurale Ökonomik“ Es bleibt so einiges im Nebel des Unkonkreten zurück
Letztendlich ist und bleibt ja das Ziel, auf ökonomische Fragen die richtigen Antworten zu finden. Und hierfür brauchen wir eine breite fundierte Ausbildung, wo alle Lehrinhalte aufeinander abgestimmt sind. Genau hierzu fehlen uns aber die konkreten Informationen!
Lars Harms zu TOP 21 - Errichtung einer Professur für „Plurale Ökonomik“ (Drs. 19/1745)
Wir alle haben selbstredend ein Interesse daran, dass die Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein vielfältig, innovativ und leistungsstark ist. An unseren Hochschulen muss am Puls der Zeit gearbeitet und geforscht werden. Theorie und Praxis sollten dabei Hand in Hand gehen, damit die Absolventinnen und Absolventen dazu befähigt und ermutigt werden, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dies gilt insbesondere auch für die Wirtschaftswissenschaften.
Die globale Wirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen, keine Frage – entsprechend komplex gestalten sich Gegenwartsdiagnosen und Zukunftsstrategien. Die Jamaika-Koalition will darauf nun also unter anderem mit der Errichtung einer neuen politisch motivierten Professur reagieren. Ob eine solche Einflussnahme grundsätzlich nicht doch eine zu große politische Einflussnahme auf die Freiheit der Forschung und Lehre ist, ist zumindest eine Fragestellung, die vorab geklärt werden müsste. Diese Professur soll das wirtschaftswissenschaftliche Fachangebot, ich zitiere, „sinnvoll“ ergänzen, wird da politisch gefordert. Nun stellen sich dazu folgende Fragen: Woran wird festgemacht, ob und dass eine derartige Ergänzung sinnvoll ist? Braucht es tatsächlich einen zusätzlichen Lehrstuhl oder ließe sich die erwünschte Ergänzung des Fachbereiches nicht auch aufwandsärmer in die bestehende Struktur integrieren? Und überhaupt: Wie wäre die neue Professur ausgestaltet und welche Inhalte würden vermittelt? Der Dreizeiler im vorliegenden Antrag gibt dazu ja keine wirklich erhellende Auskunft.
Wie man erfährt, wäre die Einrichtung einer solchen Professur die Umsetzung eines entsprechenden Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag. Wirklich viele Hintergrundinformationen gibt es aber noch nicht. Meine Vorredner haben ja nun ein wenig dazu ausgeführt – und dennoch bleibt so einiges im Nebel des Unkonkreten zurück.
So wollte die Landesregierung gemäß ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage des Kollegen Heiner Dunkel von Mai letzten Jahres Details zu dieser neu zu schaffenden Professur im Rahmen der nächsten Ziel- und Leistungsvereinbarung mit den Hochschulen erörtern. Dieses Dokument ist im September veröffentlicht worden. Die Professur soll als eine von vier neuen Professuren aus dem Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der EUF angesiedelt werden. Näheres erfährt man aber leider nicht. Auch die von der Landesregierung in besagter Kleinen Anfrage notierte Definition dieses Begriffs lässt Interpretationsspielraum offen.
Doch gerade die inhaltliche Ausrichtung – und damit die Definition des Faches „Plurale Ökonomik“ an sich – ist nach unserer Ansicht ein sensibler Punkt. Vertreter der Pluralen Ökonomik kritisieren ja hauptsächlich die in ihren Augen realitätsferne Theoriebildung der derzeitigen Lehre auf diesem Gebiet. Der „Mainstream-Ökonomie“ wird die Annahme eines zu einfach gestrickten Menschenbildes unterstellt, darüber hinaus sei diese geschichtsvergessen, habe im Hinblick auf die Finanzkrise 2008 versagt und wäre überhaupt generell von einer „geistigen Monokultur“ geprägt.
Das ist schon ein recht harter Vorwurf, den man durchaus hinterfragen sollte. Zum einen macht es ja definitionsgemäß schon Sinn, dass die Studierenden eines Studiengangs die Standard-Inhalte der eigenen Disziplin beherrschen. Auf die Mainstream-Inhalte kann man daher nicht verzichten. Zum anderen finden sich bereits durchaus kontrovers diskutierte und methodisch wie auch inhaltlich vielfältige Ansätze zur Erklärung sozio-ökonomischer Fragestellungen in den derzeit geltenden Curricula. Professoren und Studierende haben ja von sich aus schon ein Interesse an einer möglichst breit gefächerten Ausrichtung ihres Faches. Wird hier also wirklich etwas bahnbrechend Neues diskutiert?
Grundsätzlich kann man ja nichts dagegen haben, wenn die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre um innovative Ansätze bereichert wird – gerade in puncto Nachhaltigkeit. Es wäre jedoch zu klären, ob es dazu tatsächlich einer eigenen Professur bedarf. Man müsste dann genau darauf achten, wie eine derartige Professur in die bestehenden Strukturen eingebaut würde. Eine radikale „Gegensatz“-Professur zu den bestehenden Lehrstühlen wäre womöglich eher kontraproduktiv, ein Lehrstuhl unter dem übergeordneten Dach der Mainstream-Ökonomie wäre gegebenenfalls zu überlegen. Letztendlich ist und bleibt ja das Ziel, auf ökonomische Fragen die richtigen Antworten zu finden. Und hierfür brauchen wir eine breite fundierte Ausbildung, wo alle Lehrinhalte aufeinander abgestimmt sind. Genau hierzu fehlen uns aber die konkreten Informationen!