Rede · 22.01.1997 Gegliedertes Sonderschulwesen
Ehrlich gesagt hatte ich nicht ganz begriffen, aus welchem Anlaß wie heute den Antrag der CDU zum Sonderschulwesen diskutieren sollten. Meines Wissens plant die Landesregierung nicht die Liquidierung des gegliederten Sonderschulwesens, und ich sehe nicht ganz, was die CDU Neues fordert. Andererseits nehme ich natürlich gerne die Gelegenheit wahr, die Einstellungen des SSW zur Integration Behinderter vorzutragen.
Für den SSW steht unzweideutig fest, daß wir behinderte Kinder in die Regelschule integrieren müssen, so weit es möglich ist. Kinder haben von sich aus in der Regel keine Berührungsängste mit Behinderten. Es gilt, diese vorurteilsfreie Atmosphäre zu nutzen, um diese so weit wie überhaupt möglich in der Gesellschaft zu integrieren. Außerdem ist die Integration ein Mittel, um Gewalt gegen Behinderte und deren Diskriminierung vorzubeugen. Mit der Entwicklung der Förderzentren wird ein wirksames Instrumentarium geschaffen, um diese Ziele umzusetzen.
Daß trotz aller Integrationsbestrebungen die Sonderschulen nicht überflüssig werden, liegt auf der Hand. Bei manchen Kindern läßt die Behinderung keinen gemeinsamen Unterricht mit nichtbehinderten zu. Bei anderen Formen von Behinderung ist es nicht zweckdienlich, zu integrieren. Letzteres ist zum Beispiel der Fall bei gehörlosen Kindern. Hier ist der gesonderte Schulgang zu empfehlen, weil dieser Kinder zur Persönlichkeitsentwicklung das Erleben von gehörlosen Kindern und Erwachsenen brauchen. Außerdem ist zweisprachige Kommunikation mit Gebärdensprache und verbaler Sprache zugleich der beste Weg, um ihnen sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten zu geben. Aber auch hier lassen sich behinderte gehörlose Kinder mittels zieldifferenzierten Unterrichts in Klassen mit nichtbehinderten Gehörlosen integrieren.
Die Integration bleibt der Königsweg, wo sie nur möglich ist. Das deutsche Regelschulwesen beinhaltet durch die frühe Abspaltung der Schülerinnen und Schüler für weiterführende Schulen ohnehin schon ein Zuviel an Differenzierung. Wenn es um behinderte Kinder geht, ist die Erfahrung der Differenzierung für die Kinder verstärkt mit Ausgrenzung verbunden.
Es besteht überhaupt keinen Anlaß, den Erhalt der Sonderschulen zu beschwören, denn sie bleiben bestehen. Sie werden nur als Förderzentren in eine engere Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen eingebunden. Es ist nicht ersichtlich, wie daraus für die in den Sonderschulen unterrichteten Kinder Qualitätsverluste entstehen sollten.