Rede · 19.06.2009 Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und Einbau einer Schuldenbremse in die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

Bei der Föderalismusreform II ging es bekanntlich insbesondere darum, den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen. Diese Zielsetzung ist jedoch kläglich gescheitert. Statt die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern klarer zu strukturieren, greift der Bund in die Haushaltsrechte der Länder ein und schreibt eine Null-Schuldenbremse vor. Im Endeffekt hat die Föderalismuskommission also nur eines erreicht: Sie schwächt die Länder und greift ihre Eigenstaatlichkeit an.

Mit der Entscheidung im Bundesrat dürfen die Länder ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen, außerdem müssen sie bis dahin ihr strukturelles Defizit abgebaut haben. Mehrfach hat der SSW in den letzten Wochen hier im Landtag vor den Konsequenzen dieses Beschlusses gewarnt. Und ich möchte dies heute noch einmal tun: Nicht nur die finanzpolitischen Konsequenzen dieser rigorosen Schuldenbremse werden für Schleswig-Holstein katastrophale Folgen haben. Auch die strukturellen Konsequenzen, wenn wir uns durch eine Grundgesetzänderung quasi entmündigen lassen.

Schleswig-Holstein darf ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufnehmen und muss bis dahin ein jährliches strukturelles Defizit von 600 Millionen Euro abbauen. Zur Unterstützung dieses Vorhabens zahlen der Bund und die reicheren Bundesländer neun Jahre lang jeweils 80 Millionen Euro an das Land. Nun fordert unser Ministerpräsident zwar dazu auf, frei nach dem Motto „Besser als gar nichts“ dankbar zu sein - für den SSW sage ich aber: so einfach geht das nicht. 80 Millionen Euro sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bisher steht in den Sternen, wie die restlichen 520 Millionen Euro strukturelles Defizit eingespart werden sollen. Und vor allem ist völlig unklar, wie der momentane Schuldenberg des Landes von 23 Milliarden Euro kleiner werden soll.

In dieser Situation nicht gegen die vom Bund diktierte und von unserem Ministerpräsidenten geduldete Schuldenbremse anzugehen, kommt finanzpolitischem Selbstmord gleich.
Wir können die Bereiche Kinderbetreuung, Bildung, Polizei und Justiz nicht so weit zurückfahren, dass wir bis 2020 fit für die Schuldenbremse sind. Auch ist es völlig illusorisch, davon auszugehen, dass wir bis dahin den Schleswig-Holsteinischen Schuldenberg abgetragen haben und jetzt nur noch Gold aus dem Inneren des Berges scheffeln.
Um es für den SSW noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir sehen die Notwendigkeit einer Schuldenbremse. Aber diese Schuldenbremse wird unser Land in den finanzpolitischen Ruin treiben und uns jeglichen finanziellen Gestaltungsraum entziehen.

Der Landesrechnungshof hat in der letzten Woche sehr deutlich gemacht, dass die aktuelle Haushaltslage katastrophal ist und dass dringend gehandelt werden muss. Die Große Koalition ist mit dem Vorhaben, den Haushalt zu konsolidieren in diese Legislaturperiode gegangen. Ein knappes Jahr vor den nächsten Wahlen wissen wir aber, dass auch nächtliche Rendezvous keine Ergebnisse mehr bringen und dass auch dieses Vorhaben an der Handlungsschwäche der Landesregierung scheitert. Trotzdem müssen wir die Kritik des Landesrechnungshofs ernst nehmen. Die Probleme haben sich summiert, aber diese Schuldenbremse suggeriert auf den ersten Blick, dass dann alles wieder gut wird. Wird es aber nicht!

Nur weil diese Landesregierung in der Föderalismuskommission so schlecht verhandelt hat, können wir noch lange nicht sagen: Na gut, dann kompensieren wir das halt mal eben. Aus Sicht des SSW bräuchten wir dringend Nachverhandlungen und nicht einen Ministerpräsidenten, der sich im Bundesrat der Stimme enthält und damit sein eigenes Armutszeugnis unterschreibt.

Der Landtag war sich darin einig, dass gegen die Einführung der Schuldenbremse vor dem Verfassungsgericht geklagt werden muss. Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Landtages und darf nur vom Landtag beschnitten werden. Vor diesem Hintergrund bedaure ich, dass die Fraktionen jetzt nicht mehr an einem Strang ziehen. Besonders die FDP schert mit ihrer Pressemitteilung aus, in der sie ankündigt, einer Klage nur zuzustimmen, wenn eine Schuldenbremse für jede Legislaturperiode in die Verfassung aufgenommen wird. Der SSW steht zum Landtags-Beschluss, eine Verfassungsklage einzureichen und verschließt sich insgesamt nicht vor einer Diskussion über die Schuldenbremse. Aber für den SSW sage ich auch noch einmal, dass Schleswig-Holstein den Entschluss aus der Föderalismuskommission nicht akzeptieren kann, da wir sonst unseren politischen Gestaltungsraum aufgeben.

Wir werden eine Konsolidierung des Haushalts nicht durch eine reine Begrenzung der Verschuldung erreichen. Wir müssen für eine nachhaltige Finanzpolitik auch die aktive Zukunftsvorsorge in Form von öffentlichen Investitionen ermöglichen. Nur so können wir einen Konjunkturaufschwung gestalten und dann die höheren Steuereinnahmen nutzen, um die Landesfinanzen zu konsolidieren.

Der SSW setzt nicht auf eine passive Zukunftsvorsorge des Landes, das sich gesund spart. Wir treten für eine Finanzpolitik ein, in der wir durch mehr Einnahmen und ein überlegtes Entschuldungskonzept zu einer Haushaltskonsolidierung kommen. Sinkende Arbeitslosenzahlen, Steuereinnahmen und Investitionen in Bildung und Infrastruktur sind die Schalthebel, die wir betätigen müssen. Der SSW unterstützt grundsätzlich die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen nach einem Konzept für die Haushaltskonsolidierung unseres Landes. Richtig ist auch, dass wir nicht bis 2020 warten können, ehe wir anfangen zu haben.

Die finanziellen Probleme des Landes sind aber zu groß, um sie für politische Grabenkämpfe zu nutzen. Der SSW fordert daher, dass sich die Fraktionen mit an den Tisch setzen und dazu beitragen, dass finanzielle Konzepte entwickelt werden, die konsensfähig sind. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir brauchen Lösungen, die über die Fraktionen und die Legislaturperiode hinausgehen. In dieser Runde muss entschieden werden, ob die Landesverfassung überhaupt der richtige Ort für das Festschreiben einer Schuldenbremse ist oder ob wir nicht besser ein Gesetz brauchen. Aus Sicht des SSW macht es nämlich überhaupt keinen Sinn, eine Schuldenbremse in die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein zu schreiben. Haushaltslagen und finanzielle Entwicklungen sind zu unbeständig, als dass wir je nach Lage ständig die Verfassung ändern können. Wichtig ist für mich zu erst, dass wir ein nachhaltiges Finanzkonzept erarbeiten, in dem sowohl eine Begrenzung der Schulden zu finden ist, als auch Tabuthemen angegriffen werden.

Nach unserer Auffassung darf das Ergebnis der heutigen Debatte nicht ist, dass wir keine gemeinsame Verfassungsklage gegen die vom Bund diktierte Schuldenbremse einreichen. Dann hat dieses Parlament auch nicht mehr Willen für eine gemeinsame Sache zu kämpfen als unser Ministerpräsident in den Verhandlungen der Föderalismuskommission. Wir können aber nicht hinnehmen, dass Schleswig-Holstein die Luft zum Atmen genommen wird, weil der Ministerpräsident auf Bundesebene nicht den Mut aufgebracht hat, für sein Land zu kämpfen.

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