Rede · 21.03.2007 Gesetz zur Stärkung des Petitionswesens und zur Zentralisierung der Landesbeauftragten


Jeder Abgeordnete erlebt regelmäßig, dass Bürgerinnen und Bürger um Hilfe bitten, weil sie im Dschungel der Behörden festsitzen. Das Dickicht der Zuständigkeiten ist kaum zu durchschauen, in den gesetzlichen Regelungen klaffen Löcher, die Umsetzung der Gesetze bietet so manchen Fallstrick und natürlich machen auch Behördenmitarbeiter Fehler.

Damit die Bürgerinnen und Bürger trotzdem zu ihrem Recht kommen, haben wir das Petitionswesen. Es soll den Bürgern Orientierung geben und ihnen gegebenenfalls eine Schneise freischlagen, damit sie zu ihrem Recht kommen.

Traditionell gibt es in der Bundesrepublik die Eingaben- oder Petitionsausschüsse der Parlamente, bei denen sich alle Einwohner – auch Ausländer und Kinder – über eine ungerechte oder falsche Behandlung durch Bundes- oder Landesbehörden beschweren können.
In den letzten Jahrzehnten sind in Schleswig-Holstein aber über den Petitionsausschuss hinaus eine Reihe weiterer Institutionen mit Ombudsfunktion eingerichtet worden. Dazu gehören zuvorderst die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, aber auch der Flüchtlingsbeauftragte und der Beauftragte für Menschen mit Behinderung. Damit ist die Berührungsfläche zwischen der Politik und den Bürgern deutlich vergrößert worden, und vor allem haben diese neuen Angebote eine niedrigere Schwelle als der klassische Petitionsausschuss. Dieses kommt besonders in den lokalen Sprechstunden der Bürgerbeauftragten zum Ausdruck, aber auch die beiden anderen Beauftragten sind regelmäßig in der Fläche präsent.

Die FDP schlägt uns jetzt vor, das Petitionswesen in Schleswig-Holstein umzugestalten und sich dabei an das rheinland-pfälzische Bürgerbeauftragten-Modell anzulehnen. Ein solches Ansinnen können wir nicht von vornherein ablehnen, denn der SSW hat in der Vergangenheit selbst beantragt, dieses Modell aus den Süden hierzulande zu übernehmen. Allerdings ging es dabei um das reine Petitionswesen und nicht um die Rolle der sozialen Beauftragten.

Um es gleich klar zu sagen: Die verschiedenen Landesbeauftragten, die Schleswig-Holstein in den letzten Jahrzehnten gehabt hat, waren ein Glücksfall für das Land. Ebenso wie ihre Vorgänger machen die Bürgerbeauftragte Birgit Wille-Handels, der Behindertenbeauftragte Dr. Ulrich Hase und der Flüchtlingsbeauftragte Wulf Jöhnk einen hervorragenden Job. Den sollen sie auch weiterhin machen – und den sollen ihre Nachfolger auch noch machen können.

Schleswig-Holstein hat mittlerweile eine eigenes „Modell“ mit einem eigenen Wert entwickelt.  Deshalb kann es hier nicht darum gehen, diese Strukturen zu zerschlagen, sondern allenfalls um eine Optimierung. Angesichts der Arbeitsbereiche der Beauftragten ist für die Bürger vielleicht nicht immer erkennbar, wer für was zuständig ist. Deshalb ist es legitim, die Frage zu stellen, ob das Petitionswesen besser geordnet werden kann. Wir müssen uns fragen, wie wir das Ombudswesen so einfach wie möglich gestalten, damit die Bürger ohne große Schwelle um Unterstützung bitten können, wenn sie Fragen haben oder sich ungerecht behandelt fühlen.

Dabei muss es zuerst um eine bessere Verschränkung von Bürgerbeauftragter und Petitionsausschuss gehen, denn hier sind die doppelten Strukturen und Zuständigkeiten besonders ausgeprägt. Deshalb setzt sich der SSW seit langem dafür ein, die Bürgerbeauftragte und den Petitionsausschuss so zu verschmelzen , dass die Bürgerinnen und Bürger ein einziges Portal haben, durch das sie gehen müssen, um Hilfe zu bekommen. Ich kann nicht verhehlen, dass für den SSW dabei die Sicherung der Arbeit der Bürgerbeauftragten absolut erste Priorität hat. Der Petitionsausschuss ist in der Landesverfassung vorgeschrieben und muss seine Arbeit leisten. Ohne den Einsatz der Kollegen in unserem Eingabenausschuss schmälern zu wollen, ist für uns klar: Die Arbeit der Bürgerbeauftragten ist bürgernäher, niedrigschwelliger und umfassender. Deshalb muss eine Konstruktion gefunden werden, bei der die Vorteile der Bürgerbeauftragten erhalten bleiben. Hierfür macht der Gesetzentwurf der FDP einen bedenkenswerten Vorschlag.

Der SSW meint, dass die Bürgerbeauftragte DIE Anlaufstelle für alle sozialrechtlichen Probleme sein muss. Ihr Büro soll vorrangig die individuelle Beratung für alle Bürger anbieten – auch wenn es um die Probleme von Migranten oder von Menschen mit Behinderung geht.

Die Aufgaben der beiden anderen Landesbeauftragten reichen aber weit über diese individuelle Beratung und die Ombudsfunktion hinaus. Der Beauftragte für Menschen mit Behinderung und der Flüchtlingsbeauftragte sind Ansprechpartner für Verbände, Vereine und Einrichtungen. Sie sind bei den Betroffenen vor Ort präsent. Sie beraten Kommunalpolitiker, wenn es darum geht, die Belange von Flüchtlingen oder Menschen mit Behinderung auch vor Ort zu berücksichtigen. Sie weisen auf strukturelle Probleme hin und können so – wenn sie von der Politik ernst genommen werden – gerade dazu beitragen, den Behörden- und Regelungs-Dschungel etwas zu lichten. Es gibt viele gute Gründe dafür, die Landesbeauftragten nicht nur als Petitionswesen zu sehen, und deshalb lehnt der SSW den Gesetzentwurf der FDP in der vorliegenden Form ab.

Sicherlich könnte man erwägen, wie man besser mit den Überschneidungen der drei Beauftragten umgehen und die Zusammenarbeit optimieren kann. Ich glaube ein erster wichtiger Schritt wäre schon getan, wenn die drei Beauftragten unter einem Dach zusammengefasst, sprich: beim Landtag angegliedert werden. Auch in diesem Punkt geben wir der FDP Recht, zumal es eine Reihe weiterer guter Gründe dafür gibt. Sowohl bei der Ombudsfunktion als auch beim Beauftragtenwesen geht es darum, zwischen den Bürgern und dem Staat bzw. zwischen bestimmten Gruppen und dem Staat zu vermitteln. Hierzu braucht ein Beauftragter eine Armlänge Abstand zur Regierung und eine kritische Solidarität mit der Verwaltung.  Dass dieses nicht gewährleistet ist, wenn der Beauftragte in der Hierarchie der Landesregierung verhaftet ist, liegt auf der Hand.
Wie es schief  gehen kann zeigt ja das Beispiel des Naturschutzbeauftragten Roger Asmussen, der ja eigentlich in vorbildlicher Weise die Fachlichkeit höher wertete als sein CDU-Parteibuch.

Wenn der SSW diesen Gesetzentwurf der FDP begrüßt, dann ist es mehr als eine Höflichkeitsfloskel, auch wenn wir dem in der vorliegenden Form nicht zustimmen können. Er gibt uns die Möglichkeit, in den Ausschüssen eine Reihe von Verbesserungen zu diskutieren. Vor allem begrüßt der SSW aber, dass die FDP offensichtlich lernfähig ist, wenn es um die Stelle der Bürgerbeauftragten geht. Denn bisher beschränkten die Vorschläge der Liberalen zu dieser Institution sich vor allem darauf, bei den Haushaltsberatungen die Stelle streichen zu wollen, um das Geld woanders auszugeben. Der SSW möchte gern mit der FDP weiter darüber beraten, wie wir die Bürgerbeauftragte stärken können – allerdings nicht um den Preis, dass dieses Mal dann die beiden anderen Beauftragten aus dem Haushaltsplan gestrichen werden.

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