Rede · 22.03.2012 Gesetzentwürfe zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein
Jedem von uns ist natürlich bewusst, dass Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung eine andere Qualität haben als andere Gesetzesänderungen. Daher gehört zur heutigen Diskussion folgerichtig die Frage dazu, ob es nicht besser gewesen wäre, die Debatte zur Änderung unserer Verfassung an den Anfang der neuen Wahlperiode zu stellen. Wir haben uns aber mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen dafür entschieden, beides zu machen. Für beide Gesetzentwürfe gilt, dass sie zum Ziel haben, unsere Rechte – die Rechte des Parlaments – deutlich zu stärken. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.
Wer einen übergeordneten Blick auf die Stellung der Landesparlamente in unserem politischen System wirft, erkennt ohne Weiteres, dass die Kompetenzverteilung zwischen Regierung und Parlament den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Hinzu kommt das Verhältnis von Bund und Ländern, das seit Einsetzung der ersten Föderalismuskommission Anfang 2000, auf der politischen Agenda der Parlamente in Deutschland steht.
Auch der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich von Anfang an aktiv an diesen Debatten beteiligt. Hervorheben möchte ich hier das Engagement unseres verstorbenen Landtagspräsidenten Heinz-Werner Arens und das seines Nachfolgers Martin Kayenburg.
Dass sich auch Landtagspräsident Geerdts die Stärkung unserer Parlamentsrechte auf die Fahne geschrieben hat, ist daher gut und richtig. Dafür gebührt ihm nicht nur unser Dank, sondern mehr als alles andere unsere Unterstützung, wenn es um die konkrete Umsetzung dieser Intentionen geht.
Unser Gesetzentwurf zum Weisungsrecht des Landtages und zur Einführung eines Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof ist so ein Umsetzungspunkt. Ich rufe in Erinnerung, dass wir uns fraktionsübergreifend für eine Vereinbarung mit der Landesregierung in Sachen Subsidiaritätskontrolle stark gemacht haben und dass diese Forderung, Dank der Beharrlichkeit des Landtagspräsidenten, nunmehr auch umgesetzt worden ist. Das ist positiv, auch wenn die vorliegende Vereinbarung nicht so weit geht, wie es sich der SSW gewünscht hat – und wie andere Parlamente es uns vor gemacht haben.
Die Stuttgarter Erklärung der Landtagspräsidenten-Konferenz 2010 gibt uns die Richtung vor. An ihrer weiteren Umsetzung sollten wir in der nächsten Wahlperiode fraktionsübergreifen arbeiten. Daher betrachten wir die heutige Debatte zu diesem Punkt unserer Landesverfassung als einen Einstieg und als eine erste Lesung. Denn die Diskussion um die vorhin genannte Vereinbarung mit der Landesregierung hat meiner Meinung nach eines deutlich gemacht: Es dreht sich nicht nur um Verfahrensfragen, sondern um eine neue politische Kultur und um eine Klarstellung des Verhältnisses von Landesregierung und Landesparlament. Für den SSW steht mit anderen Worten fest, dass wir dazu mehr Zeit benötigen als uns jetzt noch zur Verfügung steht.
Anders verhält es sich mit dem Gesetzentwurf zu den Beziehungen von Bund und Ländern – Stichwort: Schuldenbremse. Als sich der Landtag fraktionsübergreifend dafür entschied die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen, gab es auch keine zwei Meinungen dazu, dass vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden müsste, ob die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz ohne Beteiligung der Landesparlamente nicht ein deutlicher Eingriff in das Budgetrecht des Landtages – sein „Königsrecht“ – darstellt. Diese Debatte ist ausführlich geführt worden, sowohl in den Fraktionen wie auch im Parlament und zwischen den Fraktionen. Hier haben wir keine Erkenntnisdefizite. – Auch nicht, wenn es um die Interpretation des Urteilsspruchs des Bundesverfassungsgerichts geht. Denn Dreh- und Angelpunkt unserer Niederlage vor dem Verfassungsgericht war die Frage der Zuständigkeit des Landtages – also die Frage, ob wir überhaupt klagen dürfen, ohne dass die Landesregierung der Klage beitritt. Dieses zu heilen, ist das Anliegen des genannten Gesetzentwurfs, nicht mehr und nicht weniger. Hier geht es nicht darum, dass die Landesregierung vorgeführt werden soll; hier geht es um eine nach vorne gerichtete Initiative zur Stärkung des Parlaments – unabhängig von jedweder politischen Mehrheit. Die Notwendigkeit einer solchen Korrektur braucht in der nächsten Legislaturperiode nicht neu diskutiert zu werden. Wir sagen: Derselbe Landtag, der die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufgenommen und mit guten Argumenten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angestrebt hat, muss diese Politik zu Ende führen. Das wäre ein gutes Signal für die Arbeit des neuen Parlaments.