Rede · 26.04.2013 Gesetzentwurf und Antrag zur Bestandsdatensicherung

Gut, dass ein Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, der so ausgereift ist und hohen professionellen Standards genügt, dass wir auf dieser Grundlage zu einem tragfähigen Gesetz kommen werden. Da bin ich mir völlig sicher.
Sicher bin ich mir allerdings überhaupt nicht, ob alle Beteiligten wissen, wie der Diskussionsstand ist. Wir sollten nicht bei jeder Internetdiskussion wieder von vorne anfangen bzw. immer wieder die Extreme Segen und Fluch hin- und her diskutieren. Das Problem bestand in der Vergangenheit darin, dass die demokratischen Gremien hoffnungslos hinter der digitalen Wirklichkeit hinterher liefen.
Der digitale Datenaustausch gehört heutzutage einfach in den Berufsalltag und spielt auch im Privatleben der meisten Menschen eine Rolle. Wir sprechen also weder über allgemeine Spielregeln fürs Internet, noch über das klassische Postgeheimnis. Fangen wir mit letzterem Missverständnis an: die sehr engagierte Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages hat doch gezeigt, wie wenig hilfreich Analogien zu herkömmlichen Nachrichtenwegen sind, wenn wir über Sicherheit im Internet reden. Die Kommissionsmitglieder haben schnell begriffen, dass sie dazulernen müssen, um das Internet verstehen zu können. So wenig wie man in früheren Zeiten die Post per reitenden Boten oder Ponyexpress mit einem Fax vergleichen konnte, obwohl beide Systeme Nachrichten übermitteln, so wenig kommt man voran, wenn man das Postgeheimnis heranzieht, wenn es um elektronische Mails geht.
Gerade die Enquete-Kommission hat aber auch gezeigt, dass Kompromisse über Parteigrenzen möglich sind. Das sollten wir auch in Schleswig-Holstein anstreben.
Wir sollten ohne Hysterie einen praktikablen Weg finden, der die Auflagen des Bundesverfassungsgesetzes berücksichtigt und gleichzeitig der Polizei unter Richtervorbehalt den Zugang zu nötigen Informationen eröffnet. Noch einmal der Hinweis, dass wir nicht über das Internet an und für sich, also über Inhalte und Angebote reden, sondern über Bestandsdaten, also die Daten, die der Telefon- oder Internetanbieter dauerhaft vom Kunden speichert. Das sind die Angaben, die der Nutzer in der Regel in seinem Vertrag angibt, also sein oder ihr Name, die Adresse und Kontodaten. Darüber hinaus gehören die IP-Adressen, mit denen sich ein Computer im Netzwerk identifiziert, zu den Bestandsdaten. Letztere Angaben bilden quasi die Verbindung zwischen der digitalen Spur und dem realen Menschen.
Gerade darum sind diese Daten besonders sensibel. Es kommt darauf an, wer auf die Daten zugreifen kann. Die Forderung nach einem digitalen Vermummungsverbot, das die CDU für alle Internetnutzer forderte, ist natürlich Unsinn. Es wird niemals ein öffentliches Nachschlagewerk für IP-Adressen, analog dem Telefonbuch, geben. Das ist genau die Art weltfremder und altbackener Nutzervergleichen, die die Politik bei vielen Usern völlig lächerlich gemacht hat. Dass auch hier gerne das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, und der Politik generell das Recht auf den gesetzgeberischen Zugriff aufs Internet abgesprochen wird, gehört allerdings auch zu den falschen Extremen.
Über die Grundsätze beim Zugriff auf Daten sollte immer nur einer entscheiden: und das ist das demokratisch gewählte Parlament. Wir dürfen Entscheidungen über den Datenverkehr im Netz und die Netzüberwachung nicht in die Hände kommerziell agierender Konzerne geben. Das ist genau das, was die Aktiengesellschaft „Facebook“ derzeit massiv versucht; Daten werden langfristig gespeichert, sogar, wenn sie vom Nutzer gelöscht wurden, und Daten werden weiterverwertet und - schlimmer noch - weiter verkauft. Das ist falsch! Daten gehören den Nutzern. Nur demokratische Mehrheiten entscheiden über die Zugriffsrechte auf die Internetdaten - transparent, nachvollziehbar und in öffentlicher Debatte. Nur so bleiben die demokratischen Rechte auch für die Nutzung des Internet gewahrt.
Und dazu gehört der Richtervorbehalt, der im Entwurf fest verankert ist. Für den SSW steht fest, dass es niemals zu einer allgemeinen Überwachung aller Nutzer kommen darf. Die Freiheitsrechte im Internet werden wir verteidigen, weil sie zu den Pfeilern unserer Gesellschaft gehören. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. das vom Bundesverfassungsrecht so genannte IT-Grundrecht, gilt es zu respektieren. Staatliche Eingriffe - das geht auch eindeutig aus dem Gesetzentwurf hervor - bilden die absolute Ausnahme im Datenverkehr. Die Kompetenzen für Eingriffe, also wer aus welchen Gründen Kenntnisse über die Bestanddaten erhält, sind genau festgelegt. Allerdings sehe ich durchaus noch Klärungsbedarf, was den Praxisvollzug des Richtervorbehalts betrifft. Kritiker im Netz verweisen auf die komplexe Materie, die es nur qualifizierten Richtern erlaube, sich wirklich mit dem Vorgang sachkundig auseinanderzusetzen. Unter anderen bezüglich dieses Punktes bin ich auf die Anhörung gespannt.

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