Rede · 21.02.2007 Medienstaatsvertrag HSH und Antrag zum Medienstaatsvertrag

Was ist die Sachlage? Wir erinnern uns: Die Hamburger Bürgerschaft stimmte dem Vertrag Ende Januar in 2.Lesung zu, was in Schleswig-Holstein auf harsche Kritik stieß. Nicht nur die SPD-Fraktion fühlte sich durch das Vorgehen über Gebühr unter Druck gesetzt. Von „Affront“ war die Rede, und der Kollege Eichstädt kündigte an, dass bis zum 28. Februar wesentliche Nachbesserungen erfolgen mussten, ansonsten sei der Medienvertrag tot. Er hat sich nicht nur redlich bemüht, er hat auch als medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion einige Änderungen am Medienvertrag herbeiführen können, zum Beispiel bei der Filmförderung. Von einem großen Wurf kann dennoch nicht die Rede sein.

Nach Meinung des SSW sollten vor allem drei Voraussetzungen erfüllen sein: Erstens: ein Gleichgewicht zwischen den Medienstandorten, zweitens: die Sicherung der Qualität der Berichterstattung sowie drittens die Stärkung des Bürgerfunks.  Keines der Ziele wurde erreicht.
Die Medienindustrie in Hamburg ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit tausenden Arbeitsplätzen in der Hansestadt. Dafür wurde der Standort der neuen Medienanstalt in Norderstedt maßgeschneidert. Der Standort der neuen länderübergreifenden Anstalt ist ein Symbol: ein Symbol für die einseitige Bevorzugung der Hamburger Interessen. Der SSW möchte trotzdem die Entscheidung für den Hamburger Vorort Norderstedt nicht überbewerten, denn andere, inhaltliche Konsequenzen des neuen Vertrages wiegen weit schwerer.

Schleswig-Holstein wird es mit seiner Themenbreite und regionalen Vielfalt zukünftig schwerer haben, die Öffentlichkeit zu erreichen. Da richten auch zwei Kieler NDR-„Tatorte“ im Jahr nur wenig aus. Kleine, regionale Anbieter haben keine Chance. Sie sind in der Regel finanzschwache Anbieter. Sie werden bei der Vergabe der begehrten und profitablen Sendefrequenzen das Nachsehen haben. Die großen Konzerne werden die Lizenzen unter sich vergeben. Dieses Kartell hat noch nichts mit den von den Grünen prognostizierten Berlusconi-Verhältnissen zu tun, weil wir es noch nicht mit nur einem Anbieter zu tun haben. Das ist übrigens nicht das Verdienst der Politik, sondern einzig des Kartellamtes. In Konzernzentralen zählt vor allem der Profit. Profit, der auch auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet wird, wie die aktuellen Vorgänge bei „Springer“ zeigen, wo sich neuerdings freie Mitarbeiter verpflichten sollen, auf Zweitverwertungsrechte zu verzichten. Angst um Einkommen und Arbeitsplatz sind schlechte Ratgeber für eine unabhängige und kritische Berichterstattung.

Die Vorlage verzeichnet unter dem Stichwort „Alternativen“, dass bei der „Beibehaltung des Status quo Chancen des Medienstandortes HSH nicht genutzt“ würden. Ich würde es konkretisieren: Bei der Beibehaltung des Status quo würden die Chancen der Hamburger Konzerne nicht genutzt.

Zu meinem zweiten Punkt: der Qualitätssicherung. Die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens durch die ULR an den Privatanbieter NOA 4 aus Norderstedt wegen einer Reportage, die nichts als Werbung war, zeigt, wie notwendig ein engmaschiges Kontrollnetz einer starken Anstalt ist. Die ist aber im neuen Vertrag nicht gewollt. Der Vorwurf der Rumpfanstalt hält der SSW trotz der Nachbesserungen weiterhin aufrecht. Der SSW anerkennt durchaus – ich sagte es bereits, was vor allem der Kollege Eichstädt erkämpfen konnte. Dennoch bleibt die Kompetenz der neuen Anstalt kleiner als die der bestehenden. Es ist ein eindeutiger Rückschritt, der heute beschlossen wird. Auch wenn Medienkompetenz und Medienpädagogik, die in Zeiten zunehmend jüngerer Mediennutzer aktueller den je ist, in der neuen Anstalt ihren Platz finden, ist in Sachen Minderheitenschutz oder der Verankerungen journalistischer Grundsätze nicht viel erreicht worden. Die Anstalt hat weit überwiegend technische Aufgaben zu erledigen, wie uns Paragraph 38 aufklärt. Das ist zu wenig!

Zu einem weiteren Punkt: dem Offenen Kanal. Während das Internet sich gerade in einem unglaublichen Umbruch befindet, indem es zu einer gigantischen alternativen Informationsbörse der Nutzer wird, fürchten die Betreiber der Offenen Kanäle in Schleswig-Holstein um ihren Fortbestand. Die vier Sätze zum Offenen Kanal garantieren letztlich nur die Standorte Kiel, Lübeck und Flensburg.

Tatsächlich ist keine Form der Bürgerbeteiligung im neuen Medienstaatsvertrag vorgesehen. Bürger dürfen auf eigene Kosten im Internet eine Öffentlichkeit herstellen; der Staat verabschiedet sich aber aus der Förderung der Gegenöffentlichkeit in Fernsehen und Hörfunk. Das passt einfach nicht zusammen. Ich befürchte, dass wir offenen Auges eine lebendige Struktur zunichte machen.

Der SSW lehnt darum den Medienstaatsvertrag ab.

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