Rede · 10.10.2002 Mittelstandsförderungsgesetz

Beim Lesen des Gesetzentwurfes der CDU kam mir immer wieder eine Frage in den Sinn: „Was ist, von dem was vorgeschlagen wird, neu?“ Es ist zwar nicht neu, dass auch die CDU pauschal die Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand fordert, aber dass dies gesetzlich verordnet werden soll, ist dann doch neu. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir schon öfter sowohl auf der kommunalen Ebene als auch auf der Landesebene feststellen mussten, dass sich nicht jede öffentliche Aufgabe pauschal privatisieren lässt.
Es kann nämlich sein, dass die öffentliche Hand auch andere Ziele verfolgt, die durchaus auch im Interesse der Bevölkerung stehen. In manchen Fällen ist eine öffentliche Trägerschaft immer noch sinnvoller. Gerade in den Bereichen, die eine hauptsächlich soziale Funktion haben, gibt es oft keine Chance gewinne zu erwirtschaften., so dass hier eine Privatisierung den Staat nicht von seinen Transferleistungen befreit. Oft gibt es aber auch einen Zielkonflikt zwischen sozialen und ökologischen Zielen auf der einen Seite und wirtschaftlichen Zielen auf der anderen Seite. Bei einer Privatisierung werden die wirtschaftlichen Ziele naturgemäß überwiegen. Wie sollte ein Unternehmen sonst auch überleben können. Trotzdem kann es aber sein, dass die öffentliche Hand andere Ziele verfolgt, die durchaus auch im Interesse der Bevölkerung sind. Diese Ziele können nur angemessen berücksichtigt werden, wenn eine hierfür zuständige Organisation auch weitgehend frei von den ökonomischen zwängen eines privaten Unternehmens ist. Mir geht es nicht darum, die Strukturen nicht verbessern zu wollen – auch eine Privatisierung kann im einen oder anderen Fall sinnvoll sein. Aber die Pauschalität, wie sie im Paragraphen 1 des Gesetzentwurfes enthalten ist, lehnen wir ab.

Neu ist auch, dass die CDU im Paragraphen 5 die öffentliche Hand verpflichten will, bei Förderungen die jeweiligen Landesorganisationen, also die Wirtschaftsverbände, zu beteiligen. Auch ohne diese Verpflichtung werden die Verbände heute schon auf vielfältige Art und Weise beteiligt, wenn es um Förderungen in ihren jeweiligen Bereichen geht. Die Verpflichtung hierzu geht uns aber zu weit. Es handelt sich immerhin um Steuergelder, das den Unternehmen und der Wirtschaft zu Gute kommen soll. Hier werden politische Schwerpunkte gesetzt, die politisch entschieden werden müssen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Einflussnahme wäre unserer Ansicht nach unglücklich, zumal wir mit der Beteiligung von Wirtschaftsverbänden und Standesorganisationen eigentlich keine konkreten Probleme haben.
Das war´s dann aber auch schon mit den neuen Ideen. Ansonsten soll alles das Gesetz werden, was ohnehin schon geschieht. Das Land soll beispielsweise überbetriebliche Einrichtungen fördern Bürgschaften übernehmen oder die Kooperation mittelständischer Unternehmen fördern. Alles das, was ohnehin schon geschieht.
Besonders augenfällig ist in diesem Zusammenhang der § 11, wo es um Technologieförderung geht. Sie wissen, dass ich durchaus auch den Hang habe, die Landesregierung zu kritisieren, wenn ich meine, dass etwas falsch läuft im Staate Schleswig-Holstein. Aber in einem Gesetz eine bessere Technologieförderung in Schleswig-Holstein anzumahnen, ist wie Eulen nach Athen zu tragen. Gerade hier in Schleswig-Holstein wird eine vorbildliche Technologieförderung durchgeführt, die oft schon im sehr frühen Entwicklungsstadium ansetzt, um so die optimalen Marktchancen zu erreichen. Im Technologiebereich sind wir obenauf.
Aber auch, wenn ich mir den Paragraphen 15 ansehe, muss ich sagen, dass alles was gefordert wird, schon da ist. Es geht hierbei um die Erschließung ausländischer Märkte. Man wünscht sich Beratungsstellen im Ausland – ich nenne nur als Stichwort Hanse Office – und man wünscht sich Markterkundung und Beteiligung an internationalen Fachmessen. Ich kann die CDU nur auffordern, einmal den Außenwirtschaftsbericht der Landesregierung zu lesen, in dem über all diese Aktivitäten in vielfältiger Art und Weise berichtet wird. Auch hierfür brauchen wir kein Gesetz.
Bei den Regelungen zu öffentlichen Ausschreibungen wird mir allerdings Angst und Bange. Da sollen bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr nur die Vergabebestimmungen gelten, sondern bestimmte Unternehmen bevorzugt werden. Der Wettbewerb soll zugunsten bestimmter Unternehmen ausgeschaltet werden. Wer bestimmt eigentlich, welche Unternehmen durch die im Gesetzentwurf geforderte Streuung von öffentlichen Aufträgen begünstigt werden soll? Es mag ja sein, dass eine solche Vorzugsbehandlung am Markt vorbei in bestimmten Parteien Tradition hat, aber deshalb muss dies nicht gleich in Gesetzesform gegossen werden. In jedem Fall haben wir für solche planwirtschaftlichen Elemente im Vergabeverfahren nichts über. Wir sind für gleiche Startbedingungen im Wettbewerb. Aber wenn der Wettbewerb um Aufträge läuft, dann darf nur noch das Vergaberecht gelten. Sonst ist den wildesten Entwicklungen Tür und Tor geöffnet.
Trotz aller Kritik meinerseits, möchte ich aber doch noch eine Tatsache loben. Die CDU hat sich erstmals eine Erkenntnis zu eigen gemacht, die wir schon seit langem angeprangert haben. Im Gesetzentwurf wird gefordert, dass bei der Vergabe von Bauleistungen die VOB und bei Lieferungen die VOL zu gelten hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die CDU erkannt hat, dass sowohl VOB als auch VOL nicht immer eingehalten werden und es notwendig ist, hier eine Ermächtigungsgrundlage in Gesetzesform zu schaffen. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder gesagt und wir sind selbstverständlich auch in Zukunft dafür offen, hier eine gesetzliche Regelung zu finden.
Es bleibt aber festzuhalten, dass das Gesetz inhaltlich nichts neues bringt und dem Mittelstand in keinster Weise weiterhilft. Ich habe eher den Eindruck, dass die CDU unbedingt auf dem Papier etwas tun wollte, weil mit unserem Tariftreuegesetz dem Mittelstand wirklich geholfen wird und dieses Gesetz von der Wirtschaft begrüßt wird. Und wer überlässt schon gerne den Mittelstand alleine SPD, Grünen und SSW. Wir tun etwas und sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, haben dem Mittelstand nur Placebos zu bieten.
Was muss man nun wirklich tun? Da muss zum Beispiel die Kreditversorgung für den Mittelstand sichergestellt werden. Basel II kommt nicht, sondern ist schon da. Die Banken gehen immer restriktiver mit der Kreditvergabe für den Mittelstand um. Hier muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Kriterien zu Basel II mittelstandskonform ausgestaltet werden. Des weiteren müssen die bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden. In der Tat leiden viele mittelständische Unternehmen unter der typisch deutschen Bürokratie. Wir müssen uns ein Beispiel an unseren Nachbarländern nehmen und diese Hemmnisse abbauen. Und drittens müssen wir die Lohnnebenkosten senken. Dies wird allerdings sehr schwer, da wir uns in Deutschland nicht von unseren beitragfinanzierten Sozialsystem verabschieden wollen. Solange das nicht geschieht, werden hier nur Erleichterungen im Null-Komma-Bereich möglich sein. Das ist nicht ausreichend. Will man den mittelständischen Unternehmen nachhaltig helfen, muss das deutsche Sozialsystem hin zu einem steuerfinanzierten Sozialsystem umgebaut werden.
Und wie können nun die CDU und die FDP dem Mittelstand helfen? Sie können helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, indem Sie mit dafür sorgen, dass der Wettbewerb wieder eine Chance erhält. Sorgen Sie mit uns dafür, dass die Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen eingehalten wird. Wenn Sie für unser Tariftreuegesetz stimmen, stimmen Sie für die Interessen des Mittelstandes in Schleswig-Holstein. Und sorgen Sie mit dafür, dass wir ein Register über unzuverlässige Unternehmen bekommen. Wenn Sie diese beiden Gesetze mit unterstützen, tun Sie wirklich etwas für den Mittelstand.
Den vorliegenden Gesetzentwurf für ein sogenanntes Mittelstandsförderungsgesetz kann man jedenfalls auch in den Ausschussberatungen nicht noch so verbessern, dass man ihm noch etwas Positives abgewinnen könnte.

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