Rede · 13.10.1999 Nationalparkgesetz - Nationalpark Wattenmeer

Wir werden heute das Nationalparkgesetz für das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer verabschieden, das in seiner Entwicklung einen einmaligen, schwierigen aber auch konstruktiven Prozeß durchlaufen hat.
Die vorgesehene Gesetzesänderung stand mit der unglücklichen Bekanntmachung des Ökosyntheseberichts durch die Landesregierung gleich zu Beginn unter einem schlechten Stern, da die von der Landesregierung durchgeführte Informationspolitik in dieser Hinsicht sehr zu wünschen übrig ließ. Große Teile der Bevölkerung an der Westküste taten sich schwer mit einer Gesetzesänderung, die auf der Grundlage der Eckpunkte des Ökosyntheseberichts durchgeführt werden sollte. Es wurde an der Westküste der Eindruck erweckt, daß hier etwas aus Kiel auf die Menschen zukommt das sie in ihrem alltäglichen Leben einschnürt und beengt.
Jedoch hat es mit den Anhörungen in den Kuratorien und in den Kreistagen in Nordfriesland und Dithmarschen einen Verlauf in diesem Gesetzgebungsprozeß gegeben, dem sich die Landesregierung nicht verschließen konnte. Wenn man sich das Ergebnis heute anguckt, hat die Landesregierung viele der ursprünglichen Forderungen des Ökosynthseberichts von vornherein nicht ins Gesetz aufgenommen oder sie hat die konstruktiven Änderungswünsche aufgegriffen und in das neue Nationalparkgesetz eingebracht.
Das aktuelle Beispiel für eine gelungene Kompromißfindung ist die Unterzeichnung des Vertrages mit der Gemeinde St. Peter Ording. Diesen Verlauf begrüßt der SSW außerordentlich. Die in der Gemeinde St. Peter Ording gefundene Lösung, die sowohl vom Kreis Nordfriesland, dem Nationalparkamt, den örtlichen Naturschutzverbänden und dem Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt einvernehmlich getragen wird, ist nach Ansicht des SSW ein pragmatischer Weg, um dieses langjährige Problem jetzt endlich zu einem vernünftigen Abschluß zu bringen. Es ist jedoch bedauerlich, daß die Landesregierung in der Strandbeparkung nicht schon früher einen Weg vorgegeben hat, der von Änderungsbereitschaft und pragmatischer Lösungsfindung geprägt war. Statt dessen hat sie hier einen Schlingerkurs gefahren, der zum Unmut in der Bevölkerung vor Ort geführt hat. So war von der Landesregierung erst zu Beginn des Jahres vorgesehen, daß Sondergenehmigungen für die Gemeinden Böhl und St. Peter Ording erlassen werden sollen, die bis 2001 und 2006 gelten sollten.
Die im letzten Jahr durchgeführte sozioökonomische Untersuchung bei den Strandparkern hat ergeben, daß 14 % der Dauergäste und 27 % der Tagesgäste nicht mehr nach St. Peter Ording kommen würden, wenn sie nicht an den Strand fahren dürften. Das würde für St. Peter Ording einen Netto-Umsatzverlust von 22 Mio. DM und Einkommensausfälle von 11,4 Mio. DM bedeuten. Dieses kann nicht in unserem Interesse sein.
Der Kompromiß in St. Peter Ording hat gezeigt, daß man zu interessenüberschreitenden Lösungen gelangen kann, wenn Vertreter aller Parteien es wirklich wollen. Niemand geht letztlich als Verlierer aus dieser Runde hervor. St. Peter Ording bekommt die Sicherheit zur Strandbeparkung auf 20 Jahre und dem Nationalpark fallen Strandbereiche zu, die aus naturschutzfachlicher Sicht von hoher ökologischer Wertigkeit sind. Der SSW begrüßt den gefundenen Kompromiß und wird ihn auch unterstützen.
Wir erkennen die eingebrachten Änderungsvorschläge von SPD und Grünen an, da wir das Ziel unseres Antrags hierin bestätigt sehen. Für besonders wichtig halten wir die Ergänzung zur Muschelfischerei. Durch diese Ergänzung wird keine traditionelle Muschelfischerei benachteiligt, vielmehr erreicht man hierdurch eine Sicherung der Küstensockel um die Inseln und Halligen, die durch das Fischereiverfahren bei der Herz- und Schwertmuschelfischerei in Gefahr geraten könnten. Es ist daher sowohl aus Küstenschutzgründen als auch aus naturschutzfachlichen Gründen vertretbar, dieses in das neue Gesetz mit einfließen zu lassen.
Als Argument gegen das neue Nationalparkgesetz ist von mehreren Seiten immer wieder angeführt worden, daß es keine objektive Notwendigkeit zur Gesetzesnovelle gibt. Dieses Argument kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe sehr wohl, daß die Notwendigkeit besteht, das 14 Jahre alte Nationalparkgesetz zu ändern. Denn wir wissen alle, daß das alte Gesetz auf der Grundlage der damals vorhandenen Erkenntnisse entstanden ist. Anders formuliert heißt dies, daß viele Regelungen nicht auf der Basis von zuverlässigen Untersuchungen und Erfahrungen getroffen worden sind. Diese Basis wurde uns nun mit dem Ökosynthesebericht und den vielen Stellungnahmen geliefert. Auch wenn der SSW in vielen Punkten nicht mit dem Bericht übereinstimmt, erkennen wir ihn als Zustandsbericht für das Wattenmeer und als Anregung für eine Nationalparkgesetzänderung an. Weiter hat sich auch durch die Änderungen der Naturschutzgesetze von Bund und Land die Notwendigkeit ergeben eine Änderung des Nationalparkgesetzes durchzuführen. Daher halte ich solche Aussagen für unangemessen und populistisch.
Wir sollten das neue Nationalparkgesetz als Chance für die Westküste sehen, denn es wird oft vergessen, daß diese Novellierung auch Vorteile mit sich bringt. So ist z.B. das geplante Walschutzgebiet als Chance für unsere Fischer zu sehen. Gerade vor dem Hintergrund, daß das Walschutzgebiet künftig als FFH-Gebiet zu betrachten sein wird, erreicht man für dieses Gebiet einen europäischen Schutzstatus, der somit auch eine Bindungswirkung für ausländische Fischer erlangt. Folglich wird durch das Verschlechterungsverbot der FFH-Richtline sichergestellt, daß Industriefischerei wie z.B. Grundstellnetzfischerei oder Gammelfischerei in diesem Gebiet nicht betrieben werden darf. Da diese Art der Fischerei von unseren Fischern von vornherein nicht betrieben wird, stellt das Walschutzgebiet eher eine Existenzsicherung als eine Gefahr für unsere Fischer dar.
Durch die neuen Schutzzonensausweisungen und die Erweiterung des Nationalparks werden Eingriffe ins Wattenmeer verhindert - ich denke hierbei besonders an Ölbohrung oder Off-Shore Windkraftanlagen - die auch vom SSW nicht gewollt sind.
Ebenso möchte ich noch einmal hervorheben, daß es durch die Errichtung des Multimar Wattforums in Tönning und der Nationalpark-Service GmbH zu ca. 50 neuen Arbeitsplätzen gekommen ist, die auch mit dazu beitragen, die touristische Attraktivität der Westküste zu fördern.
Das neue Nationalparkgesetz stellt das politisch Machbare dar - nicht mehr und nicht weniger. Wir sollten endlich anfangen es zu lesen und aufhören, es mir weiteren was - wäre - wenn" Betrachtungen zu überfrachten.

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