Rede · 09.10.2002 Neuordnung von Gemeindegrenzen im Kreis Ostholstein

„Die Bedeutung dieses Projekts reicht weit über die Küsten Fehmarns hinaus. So viel Weitsicht und Mut brauchen wir überall im Land.“


Kommunen sind nichts Gott gegebenes. Kreise, Städte und Gemeinden müssen bestimmte Bedürfnisse erfüllen - und danach müssen sie auch gestaltet werden. Wenn es um die identitätsstiftende Funktion der Kommunen und eine bürgernahe Politik geht, haben kleine Einheiten vieles für sich. Wenn es aber um die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben geht und um die Verwirklichung der kommunaler Politik, haben kleine Kommunen zuweilen Probleme. Auch weil sie zu wenig Finanzmasse haben, sind sie häufig wenig handlungsfähig. Das ist das Dilemma, vor dem wir stehen.

Bisher hat sich die Politik nicht an die Probleme getraut, die unweigerlich in diesem Bereich liegen. Das liegt zum einen an der emotionalen Bindung der gewachsenen kleinen Kommunen. Das liegt zum anderen aber auch – und das muss auch mal gesagt werden – an den vielen verschiedenen persönlichen Interessen, die damit verbunden sind. Denn drei Gemeinden bedeuten auch drei Bürgermeister, drei Ge­meinderäte, drei Bürgervorsteher, drei Wehrführer, usw. Werden die Gemeinden zusammenlegt, dann gibt es auf Dauer von jedem nur noch einen, die anderen zwei verlieren ihren Posten. Außerdem können Parteien ihre angestammten kleinen Hochburgen verlieren. Diese Aspekte müssen ehrlicher Weise auch genannt werden, denn sie standen bislang vielfach einer rationalen Entscheidung im Weg.

Um so erfreulicher ist es natürlich, dass wir Freitag in Zweiter Lesung über diesen Gesetzentwurf ent­scheiden, bei dem mehrere Kommunen freiwillig die Vorteile einer größeren Kommune nutzen wol­len. Die Ein­woh­­nerinnen und Einwohner der Insel Fehmarn haben für sich entschieden, zukünf­tig gemeinsam in der „Stadt Fehmarn“ zu leben. Die Entscheidung hierzu ist sicherlich nicht leicht­ gefallen. Aber die Betroffenen haben sich trotzdem über die genannten Ängste hinweggesetzt und das ver­dient allen Respekt. Diese mutige Entscheidung kann für die Kommunen im Land ein Wegweiser sein.

Langfristig gesehen kann eine verstärkte freiwillige Zusammenarbeit bis hin zu einem Zusammenschluss für die schleswig-holsteinischen Ge­meinden der Heilsweg sein, um sich für die Zukunft fit zu machen. Sie gibt den Kommunalpolitikern die Möglichkeit, politisch zu gestalten. Sie vermeidet Abstimmungsprobleme über Gemeindegrenzen hinweg. Sie ist die Basis einer leistungsstarken Verwaltungsebene. Sie garantiert einen fairen Wettbewerb zwischen den Kommunen im Land.

Die Zusammenlegung von zwei Gemeinden ist natürlich mehr als eine Hochzeit, bei der sich zwei ewige Treue schwören. Wie kompliziert es ist, zeigt der vorliegende Gesetzentwurf. Die Ver­schmel­zung der Kommunen betrifft sehr viele Aufgaben und eben so viele Menschen – Politiker, Beamte, Angestellte, Bürgerinnen und Bürger. Deshalb geht es nicht von heute auf morgen, sondern erfordert langfristige Übergangslösungen. Für eine Übergangszeit müssen die bisherigen Verantwortlichkeiten aufgeteilt und verteilt werden. Auch Fürsorgepflichten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen gewahrt werden. Dies zeigt wie weit die politisch Verantwortlichen einschließlich der Verwaltung auf Fehmarn bereit waren, ihrer eigenen Positionen und Besitzstände dem Gemeinwohl unterzuordnen. So viel Weitsicht und Mut brauchen wir überall im Land.

Die Zusammenlegung der Kommunen auf Fehmarn ist ein seit Jahrzehnten einmaliger Vorgang. Deshalb wird es vermutlich auf dem Weg zu einer „Stadt Fehmarn“ noch so manche Überraschung und einige Probleme ge­ben. Die betroffenen Menschen sollen aber wissen, dass sie die volle Unterstützung des Landes auf diesem Weg haben. Wir werden den Prozess mit besonderem Interesse verfolgen, positiv begleiten und unterstützen - nicht zuletzt weil die Bedeutung dieses Projekts weit über die Küsten Fehmarns hinausreicht. Es wird hoffentlich ein leuchtendes Vorbild dafür sein, dass weitere Gemeinden und Ämter ihre Ängste und Bedenken überwinden und sich zu leistungsfähigen Kommunen zu­sammentun. Denn starke Gemeinden sind letztlich nicht nur Ausdruck einer effektiven, schlanken Ver­waltung. Starke Kommunen sind auch eine Voraussetzung für eine handlungsfähige kommunale Selbstverwaltung.

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