Rede · 27.01.2021 Nie war der digitale Unterricht wichtiger als jetzt!

Frau Prien, bei allem Respekt den ich für Sie und ihre Zuständigkeiten habe, die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf Ihre Ankündigungen verlassen können.

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 3, 17, 23, 28, 35, 43 - Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes aufgrund der Coronavirus-Pandemie, Anträge zur Schule während der Corona-Pandemie und ein Bericht über die Unterrichtssituation (Drs. 19/2631, 19/2621, 19/2683, 19/2704, 19/2716, 19/2471)
    

Bei der Anzahl der verschiedenen Anträge, die wir unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren ist ja klar, dass wir alle etwas unterschiedliche Schwerpunkte setzen. 
Ich möchte mit dem Punkt starten, der für uns als SSW gerade besonders wichtig ist: die Umsetzung des Digitalpaktes. 
Dabei ist uns natürlich bewusst, dass wir kein neues Problem entdeckt haben. Alle Fraktionen, die hier vertreten sind und außerdem wahrscheinlich alle Menschen, die in Schleswig-Holstein mit dem Bildungssystem Berührungspunkte haben, sind unzufrieden mit dem Mittelabfluss. Auf die Kritik der Gewerkschaften und Oppositionsparteien an den hohen bürokratischen Hürden hat das Bildungsministerium ja letztes Jahr auch reagiert. Ministerin Prien verkündete im Juni 2020, dass die Konzepte, die von den Schulen im Vorfeld einer Beantragung eingereicht werden müssen, nun auch im Nachhinein nachgereicht werden können und versprach sich davon einen deutlich schnelleren Mittelabfluss. 
Wir können nun sehen, dass das leider nicht reicht. 
Von den 170 Millionen Euro, die für Schleswig-Holstein vorgesehen sind, sind bisher nur 4,9 Millionen Euro bewilligt worden. Tatsächlich geflossen ist wohl erst eine Million Euro. 
Je nachdem, wen Sie fragen, sind die Erklärungsansätze verschieden. 
Von der Ministerin wird oft, auch zurecht, angemerkt, dass wir in Schleswig-Holstein längere Fristen für die Antragsstellung haben, als in anderen Bundesländern. Das mag einen Einfluss haben. Aber viel gravierender scheinen doch die Hinweise zu sein, die wir von Lehrkräften, Schulleitungen oder tatsächlich auch unseren Verwaltungen bekommen. Der Arbeitsaufwand im Antragsverfahren ist einfach immer noch zu hoch. 

Sicherlich haben sie alle vor ein paar Tagen im SH-Magazin den Weg einer Schulleiterin gesehen, die ganz genau schildert, was das Verfahren so langwierig macht. 
Bevor die Fördermittel kommen, brauchen sie ein Entwicklungs-, ein Fortbildungs- und ein Wartungskonzept. Dann folgen noch Bestandsaufnahmen über die Infrastruktur und die Ausschreibungen der Schulen für Beschaffungen und das soll zusätzlich zu allem, was gerade anfällt geleistet werden. Lehrkräfte schreiben hierfür in ihrer Freizeit Konzepte. 
Dass das aber aufgrund von mangelnder Zeit oder tatsächlich auch personal nicht überall so umsetzbar ist, heißt, dass das Land hier eingreifen muss. 
Wir fordern daher, das bisherige Verfahren zur Antragsstellung jetzt radikal zu vereinfachen. Wir müssen hier vorankommen. Nie war der digitale Unterricht wichtiger als jetzt! 

Das zweite große Problem wird deutlich, wenn durch die Bewilligung von Fördermitteln weitere Defizite auffallen, für die dann der Schulträger aufkommen muss. Ein weiteres gutes Beispiel aus dem NDR-Beitrag, vom dem ich eben schon sprach: fehlende Steckdosen. Für die gibt es keine Fördergelder, also muss der Schulträger dafür aufkommen. Einigen Trägern fehlt dafür aber das Geld. Wir fordern daher das Land auf, den finanziellen Eigenanteil durch Landesmittel aufzufangen. Die vom Land geforderte Co-Finanzierung der Kommunen darf uns in der jetzigen Situation nicht bremsen. 
Gerade wenn wir uns in dieser Frage mal vergleichend umsehen, wird klar, wie sehr wir in Schleswig-Holstein den anderen Bundesländern hinterherlaufen. Wir teilen uns den traurigen letzten Platz mit dem Saarland. 
Millionen, bundesweit Milliarden Euro stehen eigentlich zur Verfügung und werden hier in Schleswig-Holstein nicht genutzt. Eine lähmende Verzögerung, die so nicht mehr weitergehen darf! 

So viel zu unserem Antrag, aber wir haben ja noch ein paar weitere Anträge, die wir unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren. 
Da wären die Schulgesetzänderungen unter Top 3, die Dynamisierungen beim Durchführen von Abschlussprüfungen ermöglichen. Also beispielsweise ein zeitlich veränderter Rahmen oder alternative Rahmenbedingungen. Das entspricht den Schulgesetzänderungen, denen wir schon im Frühjahr 2020 zugestimmt haben und da die Situation, in der sich unserer Schülerinnen und Schüler jetzt wieder befinden damit vergleichbar ist, werden wir dem Antrag zustimmen. 

Neu sind die Forderungen der SPD für die pandemiebedingte Anpassung der Prüfungsbedingungen. 
Und sie kommen zur rechten Zeit. Am 21. Januar hat die Kultusministerkonferenz Beschlüsse zu den Abschlussprüfungen 2021 gefasst. Ich hatte schon davor im Ausschuss Ministerin Prien gefragt, wie sie zu etwaigen Beschlüssen der KMK stehen wird und sie versicherte mir, sie würde die Beschlüsse 1-zu-1 in Schleswig-Holstein umsetzen lassen. 
Vor allem anderen steht ja erstmal die Feststellung, dass die Abschlussprüfungen überhaupt stattfinden werden. Beruhigend für viele wird sein, dass Schülerinnen und Schülern zugesichert wird, dass ihre erworbenen Abschlüsse absolut gleichwertig mit den Abschlüssen früherer oder späterer Jahrgänge sind und gegenseitig anerkannt werden. 
Für den einen oder die andere mag außerdem eine Erleichterung darin liegen, dass die Länder den Schülerinnen und Schülern ermöglichen können, das Schuljahr zu wiederholen, ohne dass es auf die Verweildauer in der gymnasialen Oberstufe angerechnet wird. Dass die Höchstverweildauer, die ansonsten vier Jahre beträgt, ausgesetzt werden kann, begrüßen wir von Seiten des SSW wirklich sehr. Das muss unseren Schülerinnen und Schülern jetzt ermöglicht werden, wenn man es ernst meint, dass ihnen keine Nachteile aus der Pandemie heraus entstehen sollen. 
Und da möchte ich von dieser Stelle aus gerne noch an unsere Schulleitungen appellieren, dass sie auch ein besonders Auge auf Prüflinge mit chronischen Krankheiten haben und ihnen mündliche Prüfungen auch digital anbieten, damit sie sie von zu Hause aus ablegen können. 
Für die Schülerinnen und Schüler und natürlich auch Lehrkräfte, ist es wichtig, dass sie sich in Prüfungssituationen gut aufgehoben fühlen können. Und die SPD liefert dafür gute Vorschläge. Luftreinigungsgeräte, kostenlose Schnelltests, digitale Endgeräte leihweise für zu Hause. 
Wir stimmen all diesen Punkten und auch diesem Antrag generell zu. 

Und wo ich gerade schon bei Apellen bin, ich sage auch oft im Gespräch mit Ausbildungsbetrieben, dass sie sich gegebenenfalls darauf einstellen müssen, dass bei gewissen Inhalten einfach noch zielgerichtet nachgesteuert werden muss. 
So sehr unsere Lehrkräfte versuchen, gegen an zu arbeiten, es ist einfach realistisch, dass es zu Lehrrückständen bei den kommenden Auszubildenden kommt. Dafür werden ausbildende Betriebe Verständnis aufbringen müssen und im Gespräch mit den Berufsschulen Lösungen finden müssen. Gute und vertrauensvolle Kommunikation wird hier von allen Seiten nötig sein. 

Und das gilt nicht nur für unsere Schulen oder unsere Betriebe, sondern selbstverständlich auch für die zuständige Ministerin. 
Denn Frau Prien, bei allem Respekt den ich für Sie und ihre Zuständigkeiten habe, die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf Ihre Ankündigungen verlassen können. Es kann nicht mehr sein, dass Sie in Pressekonferenzen oder auch hier in der Plenardebatte etwas anderes ankündigen, als das Ministerium dann umsetzt. Das Schulchaos muss aufhören! 

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