Rede · 28.09.2000 Resolution zum Rechtsextremismus
Rechtsextreme Gewalt und Agitation ist auch in Schleswig-Holstein seit Jahren wieder zu einem Teil des Alltags geworden. Daher ist es höchste Zeit, dass die gesamte Gesellschaft erkennt, dass die rechtsextremistische Gefahr nicht von selbst wieder verschwindet. Es ist allerhöchste Zeit, mit Taten deutlich zu machen, dass rechtsradikales Gedankengut und rechtsradikale Taten nie wieder in Schleswig-Holstein Fuß fassen werden. Dafür werden wir sorgen. Wir wissen alle, wie der Rechtsextremismus die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes unterdrückt, verfolgt und ermordet hat. Das machen wir ganz bestimmt nicht noch einmal mit. Das sollen diese rechten Brandstifter begreifen. Wir, die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land, sind stärker!
Gerade deshalb besteht auch kein Grund dazu, nach härteren Strafen, schärferen Gesetzen und Verboten zu rufen. Selbstverständlich sollen rechtsextreme Taten und rechtsextreme Propaganda streng und vor allem schnell verfolgt werden. Aber es ist wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch wenn wir alle keine Toleranz für Rechtsextreme haben, müssen die Mittel in einem Verhältnis zu den Zielen stehen. Die Forderung, das Demonstrationsrecht für Rechte einzuschränken, ist deshalb falsch. Es wäre katastrophal, wenn die Feinde unserer freiheitlichen Verfassung mit ihrem Wahnsinn erreichen würden, dass Grundrechte eingeschränkt werden. Auch ein Parteienverbot der NPD bringt uns nicht wirklich weiter. Es erreicht die angestrebte Wirkung höchstens kurzfristig, bis sich neue Strukturen verfestigen. Die Problemlösung sollte nicht auf die Strukturen zielen, sondern auf die Menschen. Gerade hier kann ein Verbot nichts verändern. Gleichzeitig kann es aber erhebliche Probleme verursachen, weil Aktivisten erst einmal in den Untergrund verdrängt werden und Sympathisanten sich wahrscheinlich eher noch mehr von der Demokratie entfernen.
Der SSW will selbstverständlich auch, dass rechte Straftäter schnell und effektiv gefasst und bestraft werden. Trotzdem darf aber bei aller Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht in Vergessenheit geraten, dass eine politische Debatte mit Argumenten geführt werden muss. Es ist nicht genug, rechtsextreme Schläger und Agitatoren zu ächten und zu bestrafen. Das reicht nicht aus, denn ein erschreckend großer Teil der Bevölkerung teilt mittlerweile die ausländer- und minderheitenfeindlichen Ansichten. Wir reden eben nicht nur über junge Straftäter und Ewiggestrige. Das fremdenfeindliche Gift der Rechten ist in die Mitte der Gesellschaft gesickert, deshalb müssen wir uns einer seriösen inhaltlichen Debatte über diese Themen stellen. Wir müssen den Menschen zeigen und sie davon überzeugen, dass wir nicht von Ausländern überschwemmt werden, dass Ausländer nicht den anderen die Arbeit wegnehmen, dass Asylbewerber auf der Flucht nicht Schmarotzer sind, dass Ausländer nicht krimineller sind als Deutsche, und dass Menschen aus verschiedenen Kulturen respektvoll miteinander zusammenleben können, ohne etwas zu verlieren.
Alle Menschen haben ein Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Das gilt auch für Ausländer und für soziale Minderheiten wie Behinderte, Obdachlose oder Lesben- und Schwule. Alle Menschen sind gleich viel Wert. Diese Dinge müssen wir jeder und jedem klar machen. Wir können alle dazu beitragen, in dem wir uns mit den Menschen auseinandersetzen, die das Gegenteil glauben. Die besseren Argumente haben wir!
Aber eines ist sicher: Wir werden mit noch so vielen Argumenten und Strafen nicht weiterkommen, wenn die soziale Ungleichheit in unserem Land weiter wächst. Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit müssen wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung stehen. Wenn man den Rechtsradikalismus verhindern will, dann muss man den Menschen die Unsicherheit nehmen. Dann muss man gute Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche sichern. Dann muss man so weit wie es geht gleiche Zugangschancen zu Bildung und Ausbildung sicherstellen. Dann muss man eine vernünftige finanzielle Grundsicherung für alle gewährleisten. Zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus gehört auch, dass in unserer Gesellschaft die Stärkeren für die Schwächeren Verantwortung übernehmen und solidarisch die größten Lasten tragen. Soziale Sicherheit ist eine grundlegende Voraussetzung für die Demokratie. Wer nicht die Ressourcen hat, um den Alltag zu bewältigen, der wird in der Regel kaum die Kräfte haben, sich aktiv in das demokratische Zusammenleben einbringen. Davon lebt aber eine demokratische Gesellschaft.
Und noch eines ist sicher: Wir von der Politik und den Parteien müssen auch vieles tun, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder zu gewinnen. Da ist in den letzten Jahren so manches verloren gegangen. Die Politik muss sich auf politische Inhalte konzentrieren und nach gemeinsamen Lösungen suchen, statt die Parteitaktik in den Vordergrund zu stellen. Wir brauchen vertrauensbildendende Maßnahmen. Wir brauchen einen transparenten Staat. Politische Entscheidungen müssen so weit wie möglich dezentral - das heißt bürgernah und vor Ort - getroffen werden. Und die Bürger müssen auch zwischen den Wahlen Einfluss nehmen können. Deshalb ist es auch begrüßenswert, dass die Debatte über Volksabstimmungen in Deutschland jetzt wieder geführt wird.
Nur eine soziale und bürgernahe Demokratie, die den Menschen Sicherheit gibt, kann verhindern, dass die Menschen sich wieder nach undemokratischer Autorität sehnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon einmal in den letzten zehn Jahren in unserem Land erlebt, dass die Rechten auf dem Vormarsch waren. Als die DVU Anfang der 90er in den Landtag einzog, konnten sich alle demokratischen Fraktionen darauf einigen, gemeinsam diese Brandstifter zu entlarven. Dieses kann und wird wieder gelingen, das zeigt der vorliegende gemeinsame Antrag, für den wir allen Beteiligten danke.
Das Thema Rechtsextremismus muss für den Landtag ein Dauerthema werden. Insofern steht die gemeinsame Resolution am Anfang und nicht am Ende einer Zusammenarbeit der demokratischen Parteien in dieser Frage. Wir alle, alle Kolleginnen und Kollegen, sind jetzt aufgerufen, innerhalb und außerhalb dieses Hauses eine gemeinsame und deutliche Sprache gegen den Rechtsextremismus zu sprechen. Wir müssen mit Worten und Taten klar machen, dass wir uns vor diejenigen stellen, die von tumber rechter Gewalt bedroht sind.
Wir brauchen wieder eine Gemeinschaft der Demokratinnen und Demokraten, die den Rechtsradikalen zeigt, dass sie bei uns keine Zukunft haben. Und wir müssen gemeinsam den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass die von den Rechtsextremen geschürten Ängste nicht begründet sind, und dass wir die besseren Argumente haben. Wir rufen alle demokratischen Kräfte in Schleswig-Holstein auf, mitzumachen. Alle müssen daran mitarbeiten, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen und eine offene, tolerante und solidarische Kultur in unserem Land zu fördern.