Rede · 12.05.2000 Rückführung von Flüchtlingen

Sicherlich habe viele von Ihnen die selbe Erfahrung gemacht wie ich: Es haben sich Nachbarn oder Freunde einer Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien an Sie gewandt und verzweifelt um Hilfe gebeten, weil eine Abschiebung droht, und die Betroffenen beim besten Willen nicht in der Lage wären, dieses zu verkraften.
Eben dieses Gefühl der Ohnmacht bei lebenswichtigen Entscheidungen hat dazu geführt, dass rund 100 Bundestagsabgeordnete von SPD, CDU, Grünen und FDP - darunter u. a. auch in diesem Zusammenhang eher ungewohnte Namen wie Volker Rühe, Klaus Kinkel und Otto Graf Lambsdorff - sich mit dem Appell an die Ministerpräsidenten gewandt haben, bestimmte Flüchtlingsgruppen vom Balkan weiterhin von der Zwangsabschiebung auszunehmen.
Ungefähr gleichzeitig hat der UN-Sonderbeauftragte im Kosovo Bernard Kouchner (UNMIK) sich mit einem Hilferuf an die Weltöffentlichkeit gewandt, und die zuständigen Stellen darum gebeten, die fürs Frühjahr 2000 geplante Rückführung von Kosovoflüchtlingen zu bremsen. Seine erschreckende Botschaft: Im Kosovo liegt immer noch ein großer Teil der Städte und Dörfer in Schutt und Asche. Es steht bei weitem nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung. Bereits jetzt, wo die Rückführungen gerade anlaufen, bestehen schon Probleme. Die in diesem Jahr erwarteten zehntausende Rückkehrer drohen die Situation in ihrer Heimat zu destabilisieren. Vor allem die Gefahren für Angehörige ethnischer Minderheiten würden unterschätzt. Daher fordert er, die Zwangsrückführungen auf ein Minimum zu begrenzen, und bestimmte Personengruppen ganz auszunehmen.
Beide Probleme, sowohl die Rückkehr der Kosovoflüchtlinge als auch die fehlende Härtefallregelung für bosnische Flüchtlinge betreffen uns in höchstem Maße. Die Landesregierung trägt unmittelbar Verantwortung für Rückführungen, deshalb steht auch der Landtag in die Pflicht, und deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht.
Wir fordern die Landesregierung auf, bezüglich der Kosovoflüchtlinge gänzlich auf Zwangsmassnahmen zu verzichten. Außerdem soll der Bitte von Kouchner entsprochen werden, die Aufnahmeländer mögen mit der UNMIK zusammenarbeiten. Auch die vor Ort tätigen deutschen Hilfsorganisationen könnten miteinbezogen werden, um einen genaueren Überblick über die Situation in den Gebieten zu verschaffen, in die diese Menschen zurückgeschickt werden sollen. Es muss verhindert werden, dass die Menschen in eine Region geschickt werden, in der sie keine vernünftige Bleibe finden, und soziale Konflikte verstärken könnten. Außerdem sollten bestimmte Personengruppen im Rahmen von Einzelfallprüfungen ganz ausgenommen werden, deren Integration in die alte Heimat aufgrund Traumatisierungen, persönlicher Lebensumstände, Kriegsdienstverweigerung oder ähnlicher Tatsachen gefährdet oder unmöglich wäre.
Entsprechendes gilt auch für jene Bosnienflüchtlinge die heute noch bei uns leben, und die ebenfalls nicht vertretbare und wahrscheinlich nicht überwindbare Probleme bei der Reintegration haben dürften. Bei denen, die heute noch unter uns leben, handelt es sich eben um solche Problemgruppen", die eigentlich unter eine Härtefallregelung fallen müssten, hätte nicht die Innenministerkonferenz verhindert, dass für diese Menschen auch die Altfallregelung" gilt. Auch sie müssen endlich von dem Druck der drohenden Ausreiseaufforderung befreit werden. Unvertretbar ist auch auf lange Zeit die Abschiebung von Menschen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bedroht sind. Diesen Menschen muss endlich eine Lebensperspektive gegeben werden, in dem ihr Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik abgesichert wird, und sie die Möglichkeit erhalten, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Seit wir diese Initiative eingebracht haben, haben sich etliche Menschen an den SSW gewandt, und um Hilfe gebeten, weil sie trotz fehlender Zukunftsaussichten in der Heimat und gelungener Integration hierzulande nicht mehr in Deutschland bleiben dürfen. Ich hoffe, dass Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ihre Stimme dafür in die Waagschale werfen, dass manchen dieser Menschen wieder eine echte Perspektive in ihrem Leben haben können.

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