Rede · 10.11.2005 Schleswig-Holstein soll Vorreiter in der palliativmedizinischen Versorgung werden

Erst wenn man als Angehöriger einmal in der traumatisierten Situation steckte, eine angemessene Versorgung für Mutter, Bruder oder Kind finden zu müssen, kann man die Unterstützung wertschätzen, die palliativ-medizinische Profis bieten können: neben rein praktischen Hilfestellungen sind es vor allem die psychologisch-seelsorgerische und soziale Unterstützung, die wirklich helfen. Doch derartige Profis gibt es nur wenige. Anders als beispielsweise in England, wo die Palliativ-Medizin fester Bestandteil des Medizinstudiums ist, besteht ein entsprechender Lehrstuhl in Deutschland überhaupt erst seit sechs Jahren. Da muss sich noch etwas ändern!

Wir haben im Bericht über die Hospizbewegung und die entsprechenden Hospize in der letzten Legislaturperiode gesehen, dass eine würdevolle Sterbebegleitung in Schleswig-Holstein durchaus möglich ist. Es gibt zwar Lücken, doch diese schließen sich allmählich.

Ähnlich muss es auch in der palliativ-medizinischen Versorgung werden. Doch zunächst müssen wir wissen, wie die Strukturen aussehen. Ich warne allerdings schon vorweg vor einer Fehleinschätzung. Bei einer Unterversorgung, und in diesem Bereich ist sie massiv, werden neue Angebote neue, vorher nicht erhobene Nachfragen schaffen. Viele Menschen sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden. Gäbe es ein palliatives Netz, würden sie es auch nutzen. Statistik und Bettenzählen helfen also bei diesem Thema nur bedingt.

Vor allem müssen wir wissen, wie es mit der Finanzierung aussieht. Einige Krankenkassen verweigern die Kostenerstattung der Fahrten in weiter entfernte Palliativ-Zentren, als ob eine schmerzstillende Therapie immer noch ein Luxusgut sei. Diese Vorstellung geistert auch noch in den Köpfen vieler Patienten herum, die nicht um die Vorteile einer gezielten Schmerztherapie wissen. Von wem denn auch? Zu wenige Ärzte sind ausgebildet, zu wenig Pflegepersonal informiert und Schmerztherapie für Sterbende und Schwerkranke umgibt immer noch den Nimbus der Betäubung und des Bewusstseinsverlusts. Dabei ist es für sterbende Patienten sehr viel selbstbestimmter, sich schmerzfrei von Freunden und der Familie verabschieden zu können als unter der drückenden Last schlimmer Qualen.

Das ist alles schon oftmals gesagt worden. Es wird Zeit, dass Handlungen folgen: das wird auch durch den gemeinsamen Antrag noch einmal bekräftigt.

In Schleswig-Holstein sollte ein dichtes Netz palliativer Angebote bestehen. Der Zugang muss dabei allen Schmerzkranken oder Sterbenden offen stehen, unabhängig von ihrer finanziellen Situation und von ihrer Situation. Palliative Angebote sollten auch für Kinder. Menschen mit Behinderungen und Migranten bestehen. Das Angebot muss außerdem stationär und vor allem auch ambulant verfügbar sein.

Die ambulante palliative Versorgung unterstützt Kranken und Sterbende in der gewohnten häuslichen Umgebung. Und in genau der wollen die meisten Menschen bis zum Ende verbleiben. Wegen fehlender Unterstützung führt der Weg heutzutage aber weit überwiegend ins Heim oder ins Krankenhaus. Das ist oftmals nicht erwünscht, ist aber derzeit mangels Alternative nicht zu verhindern. Der Hospiz- und Palliativverband Schleswig-Holstein empfiehlt daher zur Unterstützung der Hausärzte ambulante Teams zusammenzustellen, die aus Pflegekräften, Ärzten und Sozialarbeitern bestehen. Diese könnten bestehende Strukturen ergänzen und die Hausärzte unterstützen. Darüber hinaus können sie den Angehörigen praktische Tipps vermitteln sowie ihnen behilflich sein.

Aber alle diese Ideen können wir erst umsetzen, wenn die Datenlage einigermaßen klar ist. Und deshalb bin ich froh, dass wir hier zu einer gemeinsamen Initiative gekommen sind und würde es begrüßen, wenn wir dieses parteiübergreifend unstrittige Thema gemeinsam weiter nach vorn bringen können.

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