Rede · 22.02.2001 Soforthilfeprogramm für die Land- und Ernährungswirtschaft

Einleitend möchte ich zwei Bemerkungen voranstellen:
1. Die Landesregierungen stehen derzeit gerade in Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Kosten der BSE-Krise. Die Bundesregierung hat die Übernahme von 1 Milliarde DM der auf rund 2 Mrd. Mark geschätzten Kosten bisher zugesagt. Hier darf sich die Bundesregierung auf keinen Fall aus der Verantwortung stehlen - die Summe von 1 Mrd. Mark ist für die Bewältigung der BSE-Krise zugesagt worden. Den Ländern ist dies, mit Recht, zuwenig. Bei den Verhandlungen dreht es sich nicht nur um die jeweils zu tragenden Kosten, sondern auch darum, welche Bereiche kostenmäßig vom Bund oder Land übernommen werden sollen. Diesen Verhandlungen sollten wir jedoch nicht vorgreifen. Da wir sonst unsere Verhandlungsposition gegenüber dem Bund verschlechtern.
2. Wenn 30 Millionen Mark aus dem Landeshaushalt bereitgestellt werden sollen, muss auch gesagt werden, welche Haushaltstitel dann weggespart werden sollen. 30 Mio. Mark lassen sich nicht so einfach durch Einsparungen innerhalb eines Haushalts erreichen - bei 30.000 oder auch 300.000 Mark mag dies noch möglich sein. Bei 30 Millionen Mark brauchen wir einen Deckungsvorschlag.

Von den Grünen wurde beispielsweise der Vorschlag gemacht, 12 Millionen Mark für die Förderung standortangepasster Landwirtschaft dadurch freizumachen, indem man die Mittel für die Dorferneuerung kürzt. Darüber kann man durchaus diskutieren. So werden Möglichkeiten geschaffen, die Landwirtschaft zusätzlich mit 12 Millionen Mark zu fördern und außerdem würde ein erster Schritt hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gemacht.

Dass die Land- und Ernährungswirtschaft unterstützt werden muss, ist allen klar. Die Frage ist daher, woran machen wir künftige Förderungen fest? In diesem Zusammenhang ist es für mich wichtig, dass wir die Zahlungen an bestimmte Leistungen binden. Wir wollen keine reinen Zuschüsse sondern Anreize schaffen, schon jetzt anders zu wirtschaften als bisher. Öffentliche Förderungen müssen schon jetzt an umweltschonende Bewirtschaftungsformen und Qualitätsverbesserung ausgerichtet werden. Dafür müssen jetzt aber auch Übergangsbeihilfen oder Übergangsprämien bereit gestellt werden, um den Landwirten eine reelle Chance zu geben.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass es wichtig ist, dass Banken bei der Gewährung und der Rückzahlung von Krediten für die betroffenen Landwirte großzügig vorgehen sollten. Diese Krise lässt sich nur längerfristig lösen. Daher ist es wichtig, dass von Seiten der Kreditwirtschaft auch längerfristige Ansätze zugrundegelegt werden. Vertreter der Landwirtschaft und der Kreditwirtschaft sollten sich zusammensetzen und Maßnahmen ausarbeiten - wie z.B. Umstellungsberatung inklusive Finanzierung - damit betroffenen Landwirten auch von dieser Seite geholfen wird.

Wir wissen, dass das Land bisher in der BSE-Krise erheblich in Vorleistung gegangen ist. Die Landesregierung hat sich eingesetzt für den Aufbau von Testmöglichkeiten, Verstärkung der Kontrolle, Schaffung neuer Laborkapazitäten oder auch eine sofortige Informationspolitik in die Wege geleitet. Die aktuellste Maßnahme ist die Aufkaufaktion von Mischfutteraltbeständen und Milchaustauschern. Für diese Aktion stellt die Landesregierung derzeit 820.000 Mark zur Verfügung um den betroffenen Landwirten diese Mittel zu Kaufpreis abzukaufen. Derartige Maßnahmen der Landesregierung begrüßt auch der SSW, diese Leistungen und Zahlungen kommen somit der Land- und Ernährungswirtschaft zugute.

Die Forderung im Antrag der CDU, dass die Landesregierung die Rindersonderprämie für bereits gelieferte Tiere zum frühestmöglichen Zeitpunkt zahlen soll, ist nur richtig. Die Prämie wird nach geltendem Recht ausgezahlt und mit einer vorgezogenen Zahlung mildert man mögliche Liquiditätsprobleme bei den Landwirten. Sollte dies noch nicht geschehen sein, muss diese Regelung schnell umgesetzt werden.
Die Forderung im Antrag, dass die Landesregierung sich umgehend beim Bund für eine begrenzte Aussetzung der Superabgabe bei der Überschreitung der Milchquote einsetzen soll, ist bereits von der Wirklichkeit eingeholt. Die Abschaffung dieser Abgabe, die vom Landwirten eingefordert wird, halte ich für sinnvoll wenn man sie zeitlich begrenzt. Durch die BSE-Krise kommt es dazu, dass Landwirte derzeit teilweise mehr Milchkühe im Stall halten, als es ihre Milchquote zulässt. Dies ist für die betroffenen Landwirte keine haltbare Situation. Daher begrüßt der SSW, dass die Landesregierung im Bundesrat den Antrag aus Baden-Württemberg, zur Aussetzung dieser Abgabe, unterstützt hat.
Wichtig ist mir hierbei jedoch, dass die Aussetzungszeit nicht ewig anhält. Es wäre der absolut falsche Ansatz, wenn wir aufs Neue Anreize schaffen würden, die zu einer mengenorientierten Produktion führen. Die Aussetzung der Abgabe, wie im Bundesrat vorgeschlagen, ist die absolute Notlösung!
Für alle Bereiche der Landwirtschaft gilt, dass über kurz oder lang das gesamte System der Quotierung, der Ausgleichszahlungen, der Interventionszahlungen und der Exporterstattungen völlig abgeschafft werden muss und sie durch qualitätsbezogene Leistungen ersetzt werden.

In Bezug auf die Milchquote begrüßen wir im übrigen, dass Milchbetrieben, die von BSE-Fällen betroffen sind und ihre Produktion daher auch aussetzen müssen, die Möglichkeit eingeräumt worden ist, ohne bürokratischen Aufwand ihre Milchquoten auf andere Betriebe übertragen zu können, um so wenigstens einige Einnahmen aus der Milchquote erhalten zu können. Diese Problemlösung ist meines Erachtens eine gute kurzfristige Hilfe.

Wir dürfen jedoch die Aufstellung von Soforthilfeprogrammen nicht nur unter finanziellen Aspekten sehen, sondern müssen vielmehr auf strukturelle Änderungen als Ziel setzen, die die Landespolitik auch wirklich beeinflussen kann.
Dies beinhaltet z.B. die Ausrichtung der Arbeit der Landwirtschaftskammer. Hier müssen Gelder für bestimmte Forschungsvorhaben und für bestimmte Ausbildungsgänge bereitgestellt werden. Über die Höhe solcher Mittelzuweisungen lässt sich durchaus diskutieren. Und wie wir wissen, wird diese Thema noch in den Ausschüssen behandelt werden.
Hier muss die Landwirtschaftskammer aber auch auf andere Forschungsstellen zugehen und eine stärkere Zusammenarbeit z.B. mit der CAU oder auch ökologischen Landwirtschaftverbänden in Schleswig-Holstein anstreben.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass mögliche Zahlungen und Initiativen darauf ausgerichtet werden, dass sich die Land- und Ernährungswirtschaft nachhaltig ändert. Dieses Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Wir sehen allerdings bei den beiden vorliegenden Anträgen nicht, dass man genau dieses Ziel erreichen will.

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