Rede · 26.02.2009 Stand und Perspektiven der kulturellen Entwicklung Schleswig-Holsteins
In dem aktuell von der Bundesregierung veröffentlichten Forschungsgutachten „Kultur- und Kreativwirtschaft“ wird deutlich, wie sehr Kultur unser Leben prägt und bereichert. Mit einer Million Erwerbstätigen und einem Umsatz von 132 Milliarden Euro macht dieser Wirtschaftsbereich 2,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt aus.
Trotz dieser nicht nur herausragenden finanziellen Bedeutung, hat Kultur gerade in der Politik keinen einfachen Stellenwert. Dies wird auch in der Antwort auf die große Anfrage der Fraktion der SPD noch einmal deutlich. In Schleswig-Holstein hat sich die finanzielle Förderung sozusagen auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Seit 2005 ist Kultur in Schleswig-Holstein Chefsache, doch auch dies hat nicht zu einer Weiterentwicklung der Kulturlandschaft geführt.
Kultur ist ein elementarer Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit und erfordert eine staatliche Förderung, die durch private Investitionen unterstützt - und nicht ersetzt - wird. Wenn die Landesregierung in ihrer Antwort dann schreibt, dass sie einer Stärkung der Eigenverantwortung der kulturellen Einrichtungen positiv gegenüber steht und begonnen hat, zur Verbesserung der Eigenwirtschaftlichkeit Zielvereinbarungen abzuschließen, läuten bei mir sämtliche Alarmglocken. Der Abschluss von Zielvereinbarungen sichert nicht die kulturelle Grundversorgung und wird der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung auch nicht gerecht.
Kultur hat sowohl einen ideellen als auch einen wirtschaftlichen Stellenwert. Die Kulturwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der regionalen Wirtschaftsförderung und trägt zur Entwicklung von Städten und Regionen bei. Nicht nur die existenzielle Identitätsbildung und Identifizierung der Bevölkerung mit ihrer Lebensumgebung werden durch Kultur gestärkt. Kultur ist außerdem ein wichtiger Imagefaktor für die Regionen.
Die Kulturwirtschaft ist eine zukunftsorientierte Wirtschaftsbranche, die nicht nur Einfluss auf das Beschäftigungspotenzial hat, sondern auch die Attraktivität der Städte und Regionen stärkt. Bei einem Blick über den Tellerrand wird deutlich, dass in unserem nördlichen Nachbarland der Einklang und die gegenseitige positive Bedingung von Kultur und Wirtschaft längst politische Wirklichkeit ist. Die Stadt Sønderborg hat sich mit ihrer klaren Förderung von Kultur zu einem Zentrum der wirtschaftlichen Innovationen und Investitionen in Sønderjylland entwickelt. Auch die Stadt Vejle hat das Potenzial erkannt und baut derzeit das kulturwirtschaftliche Zentrum „biz-art“ für insgesamt 60 Existenzgründerinnen und Gründer aus dem kreativen Milieu auf.
Aus Sicht des SSW macht die Antwort der Landesregierung zur Situation der kulturellen Entwicklung in Schleswig-Holstein sehr deutlich, dass das Wirtschafts- und Beschäftigungspotenzial des Kultursektors in diesem Land immer noch nicht erkannt worden ist. Und das, obwohl die Kultur doch eine Herzensangelegenheit unseres Ministerpräsidenten ist. Außerdem wurde 2004 mit dem ersten Kulturwirtschaftsbericht unseres Landes beschlossen, dass dieser Bericht einmal pro Legislaturperiode fortgeschrieben werden sollte. Das ist bisher nicht geschehen, so dass es höchste Zeit für die Landesregierung wird, wenn der Bericht noch in dieser Wahlperiode eine Rolle spielen soll.
Seit Jahren fordert der SSW eine verbesserte Förderung der Breitenkultur, um so ein lebendiges Schaffen und eine ganzheitliche Teilhabe aus der Mitte der Gesellschaft zu fördern. Dies kann nur über eine institutionelle Unterstützung, also eine strukturpolitische Ausrichtung der kulturellen Förderung erreicht werden. Ohne das zur Verfügung stellen von Rahmenbedingungen wie Räumen und Materialien zum Beispiel in Schulen oder Vereinshäusern, gäbe es keine Orte, wo Kultur gemeinsam entstehen und sich entwickeln könnte.
In Schleswig-Holstein brauchen wir eine konsequente Ermöglichung von Kultur durch Strukturpolitik, die zum einen die kulturelle Vielfalt des Landes unterstützt und zum anderen auch eine Ausdifferenzierung der kulturellen Aktivitäten zulässt. Diese müssen sich in der öffentlichen Wahrnehmung und in den kulturellen Institutionen widerspiegeln.
Dem SSW liegt dabei natürlich vor allem die kulturelle Arbeit der nationalen Minderheiten am Herzen. Die Kompetenzanalyse zu den Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland weist ausdrücklich darauf hin, dass gerade von Seiten der dänischen Minderheit hier eine erhebliche Menge Sozialkapital gesammelt wird, von der auch die Mehrheitsbevölkerung profitiert.
Besonders hervorgehoben werden muss hier der südschleswigsche Kulturverein SSF mit 2.700 organisierten kulturellen Veranstaltungen, die dänischen Büchereien mit 650.000 entliehenen Medien pro Jahr, die Arbeit des Nordfriisk Instituut und natürlich das Museum Danevirke mit 20.000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr.
Aber die dänische Minderheit trägt auch zu einer vielfältigen grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit bei. Dies geschieht nicht nur im Rahmen von Interreg-Projekten, denn darüber hinaus gibt es langjährige Traditionen der Zusammenarbeit, zum Beispiel in den Bereichen Musik sowie Jugend und Sport. Die Minderheiten haben mit anderen Worten eine wichtige Brückenfunktion in das jeweilige Nachbarland. Sehr ärgerlich ist daher, dass sich für die Umsetzung der Kompetenzanalyse praktisch nur die Minderheiten und die mit ihr zusammenarbeitenden Organisationen verantwortlich fühlen.
Der SSW begrüßt die Idee eines Landeskulturentwicklungsplans, dessen Ziel jedoch nicht die Kostenersparnis durch Kooperation sein darf, sondern die Entwicklung von Kreativität und Innovation durch Zusammenarbeit. Außerdem muss gerade in einem Landeskulturentwicklungsplan die strukturelle Förderung der Kultur in Schleswig-Holstein vorangetrieben werden. Hierzu gehört vor allem die Sicherung von Institutionen wie zum Beispiel den Volkshochschulen, Theatern und Bibliotheken. Gerade diese Einrichtungen sichern die Rahmenbedingungen für die kulturelle Entwicklung durch die Bevölkerung dieses Landens. Die kleinen Theater des Landes ermöglichen einen Zugang zur Kultur für alle und brauchen dringend Mittel zur Renovierung und Instandsetzung der Gebäude. Die Spielstätten an der Westküste wie Leck, Husum und Niebüll müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. Aber auch die Bibliotheken des Landes, deren Ausleihzahlen in den letzten zehn Jahren von 9,22 Millionen auf 15,17 Millionen gestiegen sind, funktionieren als zentrale Bildungs- und Kulturinstitutionen in diesem Land. Sie gehören als Kompetenzzentren zur regionalen Grundausstattung und bieten allen Bürgerinnen und Bürgern einen barrierefreien Zugang zu Bildung und Kultur. Wiederum sind es hier die kleinen ehrenamtlich geführten Bibliotheken, deren Anzahl zurückgegangen ist und somit die kleinen Gemeinden weiter kulturell verarmen lässt.
Aus der Antwort der Landesregierung gehen weitere Bereiche hervor, die dringend Unterstützung und Förderung bedürfen, um die kulturelle Vielfalt in diesem Land zu erhalten.
Die Situation der freischaffenden bildenden Künstler und die Finanzierung der Museumslandschaft seien hier nur beispielhaft für Kulturbereiche genannt, für deren Entwicklung wir die Verantwortung tragen. Kultur ist nämlich kein Luxus, Kultur ist Lebensmittel und dementsprechend sollte endlich gehandelt werden.