Rede · 28.09.2005 Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG)

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Bundesrepublik eine Geburtenrate hat, die weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Man kann natürlich vielfach über die Gründe dieses Geburtenrückgangs streiten, aber in einem sind sich viele Experten einig: Die Kinderbetreuung – und damit die Möglichkeit der Eltern „Familie und Beruf“ unter einem Hut zu bringen – lässt in Deutschland sehr zu wünschen übrig. Das gilt insbesondere für die Kinderbetreuung der Null bis Dreijährigen in Kinderkrippen oder bei Tagesmüttern, die den internationalen Standards schon lange nicht mehr genügt. Selbst vergleichsweise Geburtenstarke Länder – wie Frankreich – haben ein besseres Betreuungsangebot für die Null bis Drei-Jährigen vorzuweisen als wir. Auch in den skandinavischen Ländern, z.B. in Dänemark, hat man ein flächendeckendes Kinderbetreuungssystem, das zu einer der höchsten Beschäftigungsquoten von Männern und Frauen in der Welt und gleichzeitig auch zu einer relativ hohen Geburtenrate geführt hat.

In der Bundesrepublik hat es bisher  – auch aus traditionellen Gründen - viele Vorbehalte gegenüber Kinderkrippen gegeben. Da wird vielfach immer noch gesagt es ist nicht gut für die Kinder so früh von der Mutter wegzukommen, obwohl dies aus pädagogischer Sicht schon lange widerlegt worden ist. Nur in den neuen Bundesländern haben wir bisher ein einigermaßen gutes Angebot für die Kinderbetreuung der Null bis Dreijährigen. Diese Entwicklung hat natürlich ihre eigene besondere Geschichte. Doch in diesem Fall sollten wir die neuen Bundesländer als Vorbild nehmen. Hier ist es eher der Normalfall, das „Mama“ und Papa“ beide arbeiten, wenn sie denn eine Arbeit haben. Es muss der Anspruch der Politik sein, in Zukunft Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Eltern die freie Wahl darüber lassen, ob sie nach der Geburt ihres Kindes weiterhin ihren Beruf ausüben wollen oder sich eben selber um die Kinderbetreuung bemühen wollen. Das ist natürlich auch vor allem eine Frage der Gleichberechtigung. Denn am Ende ist es meistens die Ehefrau, die sich Zuhause um die Kinder kümmert. Nur durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen werden wir junge Leute leichter dazu motivieren können, sich für Kinder zu entscheiden.

Die Bundesregierung hat in dieser Frage zum 1.1.2005 einen ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung unternommen, indem sie das Tagesbetreuungsausbaugesetz in Kraft gesetzt hat.
Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz sollen bis 2010 bis zu 230.000 zusätzliche Plätze in Kindergärten, in den Krippen oder bei Tagesmüttern überwiegend für die Null bis Dreijährigen geschaffen werden. Die Zielsetzung können wir sicherlich alle unterstützen. Allerdings muss ich hier leider auf eine entscheidende Schwäche des Gesetzes hinweisen. Die Behauptung, die Kommunen könnten diese neuen Betreuungsangebote durch eine berechnetet Entlastung bei Hartz IV in Höhe von 2,5 Milliarden Euro finanzieren, ist natürlich eine Mogelpackung. Auch wenn der Landesrechnungshof in seinem Kommunalbericht 2005 sagt, dass es noch keine belastbaren Zahlen gibt: Diese Einsparungen werden nicht erreicht werden. Denn selbst die Bundesregierung hat die Anzahl der Hartz IV-Betroffenen völlig unterschätzt und musste gerade jüngst bekannt geben, dass Hartz IV auf Bundesebene zu Mehrkosten von 10 Milliarden Euro in 2004 geführt hat. Wie die Kommunen vor diesem Hintergrund bei Hartz IV sogar Geld sparen können, ist mir jedenfalls schleierhaft. Und das ist das Ärgerliche an dem an sich guten Anliegen der Bundesregierung. Man legt ein Gesetz vor, dass nicht die nötige Finanzierung mitbekommt. Das ist unseriös und unterläuft das richtige Ziel, die Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung in Deutschland entscheidend zu verbessern.

Der SSW fordert daher die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine seriöse Finanzierung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes einzusetzen. Allerdings muss auch die Landesregierung ihre Haushaltspläne für den Kita-Bereich noch mal überdenken. Wenn man die Zuschüsse des Landes auf 60 Mio. Euro deckelt, dann kann man davon nicht gleichzeitig einen neuen Bildungsauftrag für die Kindertagesstätten und sogar auch noch neue Kinderkrippen- und neue Tagesmütterplätze finanzieren. Da werden die 60 Millionen Euro hinten und vorne nicht reichen. Also: Auch die Landesregierung ist gefragt, sich über die Finanzierung von Betreuungsplätzen für die c Null bis Dreijährigen seriöse Gedanken zu machen.

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