Rede · 14.11.2019 Und ewig grüßt die Marschbahn
Wir haben alle Argumente und alle Fakten über Pendlerzahlen, Strafzahlungen und Verspätungen auf der Strecke der Marschbahn schon mindestens einmal gehört. Tausende Pendler sind darüber schon in Rente gegangen. So manches Schulkind, das sich die Füße in Klanxbüll festgefroren hatte, weil der Zug nicht kam, studiert mittlerweile.
Flemming Meyer zu TOP 40A - Zweigleisiger Ausbau der Marschbahn (Drs. 19/1815)
Die Jugendorganisation des SSW hat auf ihrem letzten Parteitag Bullshit-Bingo gespielt. Hatte ein Redner oder eine Rednerin einen erwarteten Satz gesagt, wurde der abgestrichen.
Ich könnte das am Beispiel der Marschbahn-Debatte durchaus wiederholen. Wir haben alle Argumente und alle Fakten über Pendlerzahlen, Strafzahlungen und Verspätungen auf der Strecke der Marschbahn schon mindestens einmal gehört. Tausende Pendler sind darüber schon in Rente gegangen. So manches Schulkind, das sich die Füße in Klanxbüll festgefroren hatte, weil der Zug nicht kam, studiert mittlerweile.
Eine der ertragsreichsten Strecken der Deutschen Bahn ist trotz viel Lob und Kritik weder zweigleisig ausgebaut noch elektrifiziert. Statt dessen haben wir eine Situation, die langsam aber sicher zu einem echten wirtschaftlichen Hemmschuh für die Region Nordfriesland wird. Autozug und Pendlerverkehr, sowie Tagesausflügler und Urlauber: Alles muss durch diesen Flaschenhals – seit neuestem sogar mit zwei konkurrierenden Anbietern. Durch das Beschleunigungsgesetz sollte jetzt endlich der nötige Rückenwind kommen. Doch das scheint jetzt vom Tisch: Ausgerechnet das Umweltministerium findet den klima- und verkehrspolitischen Nutzen des Ausbaus nicht ausreichend fürs Beschleunigungsgesetz. Der Nutzen einer zweigleisigen Marschbahn ist angeblich zu gering. Das muss man erst einmal hinbekommen; nämlich ein umweltfreundliches Projekt mit dem Argument des mangelnden Umweltnutzens zu kippen. Ich hoffe sehr, dass der Antrag der schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten noch die Wende bringt.
Bei aller Aufregung um die hoffentlich korrigierbare Entscheidung der Berliner Fachleute wird allerdings vergessen, dass auch der beschleunigte Ausbau die Probleme erst in einigen Jahren beheben wird.
Was bis dahin bleibt: Dreckige Wagen, Züge ohne Barrierefreiheit, kaputte Toiletten usw. Diese Missstände könnte die Deutsche Bahn schon lange beheben. Tut sie aber nicht. Auch der Einsatz von mehr Lokführern und mehr Werkstattpersonal ist kaum spürbar. Trotzdem kommt es immer wieder zu Verspätungen und verpassten Anschlusszügen.
Damit sind wir wieder beim Bullshit-Bingo; also dabei, dass wir immer wieder Appelle an die Deutsche Bahn richten. Die stellt die Ohren auf Durchzug, wie so ein Teenager, wenn wir hier in Kiel etwas von ihr wollen oder berechtigte Forderungen stellen. Sogar Strafzahlungen bringen nur kleine Erfolge. Schon vor zwei Jahren hatte nach dem Ausfall von 90 alten Wagen Minister Buchholz gezetert: „Wir sind eine Industrienation, die technisch so weit vorne sein sollte, dass ein schienengebundener Personennahverkehr zwischen Westerland und Niebüll stabil laufen kann. Alles andere kann nicht sein, das darf nicht sein, das muss sich ändern.“ Tut es aber nicht.
Die Pendlerinnen und Pendler, die viele Stunden vor und nach der Arbeit in verspäteten Zügen verbringen, haben keine Geduld mehr. Sie glauben langsam nicht mehr an eine Verbesserung. Warum man überhaupt als Urlauber auf Sylt mit einer Ausdehnung von etwas mehr als 30 km ein Auto benötigt und damit einen Autozug, ist Vielen sowieso ein Rätsel. Einige Betroffene haben in einem millionenfach geklickten Video ein Katapult ins Spiel gebracht. Das war natürlich nur Spaß. Wir sollten aber tatsächlich mal in eine andere Richtung denken.
Das betrifft zum Beispiel die Fähre zwischen List und Rømø. Diese Verbindung entlastet die Schienenverbindung durchaus. So gut, dass inzwischen sogar zwei Fähren eingesetzt werden. Die Reederei scheint also gut daran zu verdienen. Allerdings ist die Kapazität der Fähren begrenzt und der Umweg nicht unerheblich. Außerdem sind Umbuchungen und Stornierungen nicht so einfach wie bei der Deutschen Bahn. Eine App existiert beispielsweise noch nicht. Hier wäre es wünschenswert, wenn der Verkehrsminister über die Grenze hinweg denken würde und die Fähren in ein Gesamtkonzept einbeziehen würde. Warum gibt es keine Schnellbusanbindung an die Fähre oder reduzierte Fähr-Tickets für die Pendler? Ich denke, dass wäre lohnenswert.
Eine andere Strategie wäre die bessere Nutzung der Autozüge; diese fahren manchmal nur halbleer hin und her. Warum gibt es keine Konzepte, diese Kapazitäten für die Pendler zu nutzen? Warum gibt es keine Busse auf dem Autozug, mit denen jedes Mal 50 Menschen hin und her kommen?
Wollen wir wirklich messbare Erfolge erzielen, müssen wir aus der Dauerschleife der Bitten und Appelle herauskommen. Und zwar schnellstens.