Rede · 04.04.2003 Verwaltungsstrukturreform

Das Thema Verwaltungsstrukturreform und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein Dauerbrenner auch in den Debatten der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit. Angesichts der ka-tastrophalen Finanzlage der öffentlichen Hand gibt es eine weit verbreitete Haltung bei vielen Me-dien und bei der Bevölkerung, dass gerade bei der Anzahl der Beschäftigten des Landes und der Kommunen ein großes Einsparpotential vorhanden ist. Die Stichworte die dabei oft fallen sind hier Abbau der Bürokratie und Rückbau des Staates um die freigesetzten Ressourcen für die wirt-schaftliche Entwicklung zu nutzen. Wie viel Staat können wir uns noch leisten, ist dabei oft der Te-nor.

So weit die Theorie. Leider ist die Praxis anders und komplexer als so mancher sich so vorstellt. Von daher begrüßt der SSW die Große Anfrage von Bündnis90/Die Grünen zu den Ergebnissen der Verwaltungsstrukturreform in den Jahren 1996 bis 2002. Das gibt dem Landtag die Gelegenheit sich weiter vertieft mit dieser Problematik auseinander zusetzen. Die übergeordneten Ziele der Verwal-tungsreformen sind neben dem finanziellen Einsparpotential auch eine effiziente, transparente und bürgernahe Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger im Lande.
Doch über eines muss man sich in klaren sein: Die meisten Dienstleistungen, die unsere Verwaltun-gen anbieten, sind gesetzlich vorgeschrieben oder auch überwiegend von der Bevölkerung er-wünscht. Das wird bei der oben genannten öffentlichen Diskussion leider oft vergessen.
Denn wenn es drauf ankommt, dann wünschen sich die Menschen doch einen fürsorglichen Staat, der sie unterstützt.
Aber richtig bleibt es dennoch, dass diese notwendigen Dienstleistungen des Staates durch eine mo-derne und effiziente Verwaltung erbracht werden müssen. Im diesem Sinne hat der SSW auch in den vergangenen Jahren die Bestrebungen der Landesregierung beim Modernisierungsprozess des Landes unterstützt. Wir haben dabei aber immer auf die Bedeutung der Bürgernähe der Verwaltung hingewiesen und auch darauf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Prozess mitein-gebunden sein müssen. Ansonsten ist es nämlich nicht möglich vernünftige Ergebnisse zu erzielen. Diese beiden zentralen Punkte haben wir mit dem Satz, „die Verwaltungsstrukturreform des Lan-des muss regional und sozial ausgewogen sein“ beschrieben.

Dass das in der Vergangenheit nicht immer der Fall war, ergibt sich nicht unbedingt aus dieser Gro-ßen Anfrage, aber wurde durch unserem Bericht über den Abbau der öffentlichen Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2001 unterstrichen. Der Landesteil Schleswig war dabei überpro-portional vom Arbeitsplatzabbau betroffen. Deshalb bleiben wir bei unserer Position, dass man bei der zukünftigen Strukturreform auch regionale und soziale Aspekte berücksichtigen muss. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der von der Landesregierung am 25. März vorgeschlagenen Maß-nahmenkatalog zur Weiterführung der Verwaltungsstrukturreformen.

Aber das ist streng genommen hier und heute nicht das Thema. Heute beschäftigen wir uns mit den bisher erreichten. Dabei ist der Bericht so ausführlich und weitgefächert, das es mir sehr schwer fällt in der begrenzten Redezeit auf alle Bereiche seriös einzugehen. Dafür haben wir ja auch noch im Ausschuss Zeit. Erlauben Sie mir daher, dass ich nur auf einige mir wichtige Einzelheiten des Be-richtes eingehen werde.

Aus der Antwort der Landesregierung zu den bisherigen Ergebnissen der Verwaltungsstrukturre-form ergibt sich, dass der Modernisierungsprozess von der Landesregierung in den letzten Jahren in einer sehr umfassenden und vielfältigen Weise vorangetrieben wurde. Deshalb wirkt es auf den ers-ten Blick auch eindrucksvoll, wenn im Bericht von 40 ressortübergreifenden und 180 ressortinter-nen Projekten gesprochen wird. Ob man diese enormen Bemühungen der Landesregierung dann gleich als Vorreiterrolle für den gesamten öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik bezeichnen kann, will ich dahingestellt lassen. Der Bericht zeigt aber, dass man seit 1996 in praktisch allen Be-reichen der Landesverwaltung Modernisierungsvorhaben in Gang gesetzt hat.

Dennoch kann unter dem Strich der Eindruck haften bleiben, dass trotz der großer Anstrengungen die Ergebnisse recht mager sind. Das liegt aber nach unserer Auffassung nicht so sehr an der Vor-gehensweise der Landesregierung, sondern ist vielmehr auf die Komplexität von Verwaltungsstruk-turen im Land zurückzuführen. Das heißt wenn man die langsamen Schritte in diesem Bereich kriti-siert, darf man nicht vergessen, dass die Verwaltungsmodernisierung ein sehr mühsames und zeit-raubendes Geschäft ist. Zum einen müssen die Beschäftigten von positiven Effekten der geplanten Veränderungen überzeugt werden und zum anderen ergibt sich allein aus den in vielen Jahren ge-wachsenen Verwaltungshandeln der Bürokratie auch ein systemimmanentes Hindernis für Refor-men.

Vor diesem Hintergrund zeigt der Bericht, dass die Landesregierung bei ihren Modernisierungsbe-mühungen ein gutes Stück vorangekommen ist. Aber man muss auch realistischer Weise sagen die Illusion, dass man mit diesen Änderungen auf einen Schlag den Landeshaushalt sanieren kann ist unrealistisch. Das Einsparpotential der Verwaltungsmodernisierung ist bei Berücksichtigung aller Belange nicht so groß wie es immer in der öffentlichen Debatte nahegelegt wird.

Das liegt natürlich auch daran, dass man vielfach erst einmal Investitionen in Personal- und Sach-kosten tätigen muss, um die Modernisierung voranzubringen. Schon der Landesrechnungshof hatte in seinem Sonderbericht „Reformvorhaben der Landesregierung; Bilanz der Modernisierung“ darauf hingewiesen, dass eine Wirtschaftlichkeit der geprüften Verwaltungsreformhaben von 1993 bis 2002 nicht unmittelbar nachgewiesen werden kann.

Ein Beispiel ist hier sicherlich die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der Landes-verwaltung. Dieser wichtiger Pfeiler der Verwaltungsmodernisierung, der viele Ministerien umfasst, und die damit verbundene Budgetierung und Controlling hat viele Personalkosten und Investitionen in leistungsfähige EDV-Programme verursacht. Dabei vertritt der SSW weiterhin der Auffassung, dass das gewählte SAP-System nach den vorliegenden Informationen unter Einbeziehung der Wirt-schaftlichkeit und der Kompatibilität mit anderen Bundesländern die bestmögliche Lösung war. Auch wenn wir uns natürlich bewusst sind, dass die Umstände der Vergabe immer noch nicht rest-los geklärt sind und deshalb hier der 2. Untersuchungsausschuss weiterhin am Zuge ist. Aber dieses Beispiel zeigt auch, dass die Einsparpotentiale der Maßnahmen vielfach erst nach vielen Jahren sichtbar werden.

Sieht man sich den aktuellen Stellenbestand der Landesverwaltung an muss man sich auch vor Au-gen halten, dass Einsparungen oder Auslagerung von Stellen auf der einen Seiten durch Neueinstel-lung zum Beispiel bei den Lehrern oder Polizisten auf der anderen Seiten wieder ausgeglichen wor-den sind. Dieses muss man berücksichtigen wenn man kritisiert, dass die Stellen beim Land von 1996 bis 2002 einschließlich der ausgelagerten nur um knapp 700 Netto gefallen sind.

Auch im wichtigen Bereich der Funktionalreform zwischen Land und Kommunen ist der Prozess sehr schwierig. Obwohl 111 Vorschläge zur Verlagerung von Aufgaben vom Land auf die Kommu-nen umgesetzt worden sind, verweist der Landesrechnungshof darauf, dass diese überwiegend nur von geringer Bedeutung waren. Grundlegende und nachhaltige Veränderungen im Aufgabengefüge zwischen staatlicher und kommunaler Ebene sind bisher nicht eingetreten. Die Auswirkungen auf den Landeshaushalt waren deshalb auch begrenzt.

Aber wer dieses Ergebnis kritisiert, muss auch wieder zur Kenntnis nehmen, dass die Funktionalre-form, wenn sie dann einvernehmlich mit Kommunen umgesetzt werden soll – was wir alle befür-worten – auch eine angemessene Zeit braucht.

Um nicht verkehrt verstanden zu werden: Natürlich muss die Landesregierung bei den notwendigen Modernisierungsprozess unbedingt am Ball bleiben und stetig eine Weiterentwicklung in allen Be-reichen anstreben. Und wir im Landtag müssen die Landesregierung immer wieder an ihren eigenen Ansprüchen einer modernen Verwaltung messen. Aber als Parlament dürfen wir uns auch nicht der Illusion hingeben, dass man mit einen Streich durch einen massiven Abbau der Bürokratie alle fi-nanziellen Probleme des Landes lösen kann. Der Modernisierungsprozess braucht seine Zeit damit sowohl die Beschäftigten des Landes als auch die Bürgerinnen und Bürger die ange-strebten Änderungen mittragen und akzeptieren.

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