Rede · 22.11.2007 Weiterbildungskonzept des Landes Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein wie auch in der Bundesrepublik insgesamt, nutzen immer noch zu wenig Beschäftigte die vorhandenen Weiterbildungsangebote. Das führt zu gravierenden Problemen. Bei der letzten Entlassungswelle im Flensburger „Danfoss“-Werk zeigte sich beispielsweise, dass Defizite der letzten Jahrzehnte mittels der Beschäftigungsgesellschaft mühsam nachgeholt werden mussten, um die Entlassenen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Ansonsten wären die Industriearbeiter nicht vermittelbar gewesen.
Dabei war Danfoss bereits eine Ausnahme, gab es doch einen solide finanzierten Weiterbildungsfonds, der die Kosten für Weiterbildung getragen hätte. Dennoch hatte kaum jemand das Angebot genutzt, zu groß waren die Vorbehalte. Wer sich nämlich weiterbildet, setzt sich dem Verdacht aus, den Betrieb schnellstmöglich verlassen zu wollen, was man daran erkenne, dass er noch kurz vorher die Maßnahme mitnähme. Ansonsten gelten Weiterbildungsmaßnahmen als Störfaktor im Betrieb, weil die meisten Angebote eine tage- oder wochenlange Abwesenheit erfordern.
Weiterbildung bedeutet oftmals lange Fahrwege zu entfernten Schulungsorten und mehrtägige Kurse. Die von den Gewerkschaften geforderte „Job Rotation“, also das Besetzen eines durch Weiterbildung freien Arbeitsplatzes durch einen Arbeitslosen, konnte sich bedauerlicherweise nicht durchsetzen. Aus diesen Gründen lehnen die meisten Personalchefs systematische Weiterbildung ab. Sie setzen lieber auf informelle Einarbeitung oder ‚learning on the job’, weil eine anerkannte Qualifikation unter Umständen eine höhere Einkommensgruppe bedeutet würde. Das belegt ein Beispiel: so suchte ein Flensburger Metallbetrieb zwar sogar über das Radio Fachkräfte, will denen aber nur 8 Euro in der Stunde bezahlen. Das geht natürlich nur bei Angelernten – wenn überhaupt.
Nun mag man über diese Auswüchse den Kopf schütteln, aber das Problem liegt nicht in der fehlenden Bereitschaft zur Weiterbildung seitens der Beschäftigten, sondern in einem System, in dem Weiterbildung nach Marktkriterien gehandhabt wird. Wettbewerb und freie Preise entscheiden über die Angebote. Würde ein ähnliches System auch bei der beruflichen Erstausbildung bestehen, gäbe es sicherlich nur einen Bruchteil der Ausbildungsplätze. Wir hätten es mit Scharen angelernter Kräfte zu tun, die unsystematische Qualifikationen mit regional begrenzter Gültigkeit erwürben. Darum muss Weiterbildung anders organisiert werden: Wenn wir Weiterbildung auf ein anderes Fundament, nämlich ein nicht-marktorganisiertes staatliches Fundament stellen würden, wäre das der richtige Schritt zu mehr Qualifikation.
Davon sind wir aber weiter denn je entfernt, denn der bislang größte öffentliche Nachfrager nach Qualifikationsmaßnahmen, die Bundesagentur für Arbeit, erwirtschaftet lieber Milliarden-Überschüsse anstatt in die Weiterbildung der Arbeitslosen zu investieren. Sie fährt ihr Angebot drastisch zurück mit der Folge, dass viele Anbieter schließen mussten oder qualifiziertes Personal entließen. In einigen Landstrichen ist daraufhin die Weiterbildungslandschaft zusammengebrochen.
Dabei würde der arbeitslose Produktionsmitarbeiter, der einen CNC-Kurs macht oder sich in der Logistik weiterbilden lässt, ein gefragter Fachmann werden. Stattdessen spart die Bundesagentur das Geld. Das ist eindeutig die falsche Wahl.
Das an sich sehr informative Weiterbildungskonzept der Landesregierung macht um die eigentliche Frage nach der besseren Organisation einen Bogen. Die fraglos gut arbeitenden Weiterbildungsverbünde sind kein Ersatz für eine durch die öffentliche Hand getragene Infrastruktur. Sie bündeln zwar die Angebote und erleichtern dessen Erschließung, sind aber weit überwiegend passiv: das heißt, dass sich Interessierte an die Anbieter wenden müssen und nicht aktiv, indem sie ihre Weiterbildung direkt im Betrieb anbieten und durchführen.
Natürlich schafft Weiterbildung keine Arbeitsplätze, dennoch ist in einem rohstoffarmen Land wie unserem ein kluger Kopf eine Ressource, die Investoren durchaus locken kann. Darüber hinaus ist es eine Binsenweisheit, dass einem niemand das nehmen kann, was man einmal gelernt hat. Eine solide Wissensbasis verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Darum muss die Weiterbildungs-Infrastruktur nachhaltig verbessert werden. Wir müssen die Anreize, vor allem in Richtung Unternehmen, weiter verbessern, damit diese ihre Beschäftigten weiterbilden lassen und sie in die Weiterbildung drängen. Denn ein gut informierter Beschäftigter kommt schließlich auch dem heimischen Betrieb zu Gute. Diese Erkenntnis muss sich weiter durchsetzen. Weiterbildung liegt im Eigeninteresse der heimischen Wirtschaft und ist kein Hobby einzelner Arbeitnehmer.