Rede · 26.01.2022 Jamaika hat die Chancen der digitalen Schule nicht genutzt
„Normalität“ gibt es für niemanden – ob minder- oder volljährig, geimpft oder ungeimpft.
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 14 + 19 + 24 + 25 - Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes sowie Anträge zu Coronamaßnahmen für Kinder und Jugendliche und Datenerfassung des Landes (Drs. 19/3565, 19/3528, 19/3560, 19/3561)
Wichtig ist mir zur Schulgesetzänderung eines festzuhalten: unsere Schülerinnen und Schüler und alle an Schule Tätigen merken jeden Tag sehr direkt, wie ernst die pandemische Lage nach wie vor zu nehmen ist und wie sich die Welt für sie geändert hat. Daher ist es genau das richtige Signal, wenn wir hier gemeinsam politisch handeln und uns einig sind, dass auch Schule sich ändern muss. So stellen wir sicher, dass Schulabschlüsse, Notenbildung und Abschlussprüfungen der Situation Rechnung tragen. Denn während sich der Inzidenzwert im Land vervielfacht und die verschiedensten Voraussagen angestellt werden, was die Omikron-Variante denn nun wirklich für uns bedeutet, gehen unsere Schülerinnen und Schüler weiter zur Schule und einige bereiten sich langsam aber sicher auf ihre Abschlüsse vor. An sie richten wir uns mit dieses Gesetzesänderung.
Nun umfasst dieser Tagesordnungspunkt noch weitere Anträge, zu denen ich mich natürlich auch verhalten möchte.
Herr Brodehl, sie sorgen sich laut Antragstext um Einschränkungen für geimpfte Kinder und Jugendliche.
Dabei ist dieser Antrag schon eine Art Kunstwerk für sich. Einerseits haben Sie die Taktik Ihrer alten Partei fortgeführt, Zweifel sähen zu wollen und da Probleme zu sehen, wo es keine gibt. Andererseits ist ihr Antrag ein Lob dessen, was die Landesregierung bereits umsetzt. Von daher freue ich mich für Sie, dass sie so zufrieden mit dem aktuellen Kurs sind und denke, Ihre Befürchtungen dürften sich erledigt haben. Eines möchte ich Ihnen aufgrund der von Ihnen gewählten Überschrift aber versichern:
„Normalität“ gibt es für niemanden – ob minder- oder volljährig, geimpft oder ungeimpft.
Beratungsbedarf hingegen hätte ich noch beim Antrag der SPD und sage daher vorab direkt, dass ich mich über eine weitere Befassung im Ausschuss freuen würde.
Zum ersten Punkt: Auch wir sind der Ansicht, dass das Umschalten vom Präsenzunterricht auf Wechsel- und Distanzunterricht den Schulen erleichtert werden muss. Hybride Unterrichtsformate funktionieren nur schlecht, diese Art des Lernens liegt zu Unrecht brach.
Auf die folgenden Punkte blicken wir eher kritisch:
Aus den letzten zwei Jahren haben wir gelernt – einige mag das überraschen – :
unsere Schülerinnen und Schüler wollen in die Schulen. Und aus meiner Sicht müssen wir ihnen das ermöglichen, so lange es irgendwie verantwortbar ist. Das Aussetzen der Präsenzpflicht durch die Eltern war eine Möglichkeit zu Beginn der Pandemie für Schutz zu sorgen. Und für einzelne, beispielsweise vorerkrankte Schülerinnen und Schüler mag das auch heute noch eine gute Perspektive sein.
Generell befinden wir uns jetzt in einer anderen Situation. Viele Schülerinnen und Schüler sind geimpft. Und einige Kinder muss das System Schule im Moment vielleicht sogar vor der Angst oder dem „Querdenken“ ihrer Eltern bewahren.
Wir sollten uns gut überlegen, wie leicht es Eltern gemacht werden soll, Kinder aus dem Schulalltag heraus zu lösen.
Aber man muss kein Coronaleugner und keine Querdenkerin sein, um sich Sorgen um das eigene Kind zu machen, das ist völlig verständlich. Ich höre derzeit von Eltern, dass sie finden, Kindeswohl und Anrecht auf Bildung würden gegeneinander ausgespielt. Und das ist ein Eindruck, der sich nicht festsetzen darf.
Daher muss klar sein, dass der Unterricht im Falle einer Befreiung zu Hause weiter stattfindet.
Digitale Geräte dürfen nicht in den Regalen liegen bleiben, sondern sollen den Kindern nutzen, die von zu Hause aus an Schule teilhaben wollen.
Und da fällt einfach auf, dass diese Landesregierung es versäumt hat, eine rechtliche Grundlage für den digitalen Unterricht zu schaffen. Wir haben dafür gemeinsam mit der SPD einen Antrag vorgelegt, den Sie ersatzlos abgelehnt haben. Sie haben den Bedarf nicht sehen wollen, sie wollten damals die Potentiale in der digitalen Schule nicht nutzen und nun sehen wir wieder einmal, dass das eine Fehlentscheidung war.
Zurück zum Antragstext der SPD:
In einem Punkt sind wir uns wirklich nicht einig. Auf die PCR-Pooltestverfahren möchte der SSW nicht setzen. Das ist schnell mit den Kapazitätsgrenzen der Labore erklärt. Erst Montag haben Bund und Länder gemeinsam beschlossen, bei Engpässen bestimmte Gruppen bei PCR-Tests zu priorisieren. Und das werden nun mal nicht asymptomatische Kinder aus Pooltestungen sein. Weitreichende Klassen- und Schulschließungen wären wohl die Folge, mit jeder Menge frustrierter junger Menschen, die zu Hause sitzen und tagelang auf die Testergebnis warten.
Auch in den zurückliegenden Debatten haben wir als SSW dafür plädiert, das Bedürfnis, an immer weiteren Stellschrauben zu drehen, herunter zu fahren. Und dabei bleiben wir vorerst auch. Lassen Sie uns, zugunsten der Schulen, die Regeln, die wir bereits haben, wirken lassen.
Wir müssen das Infektionsgeschehen weiter beobachten. Aber wir müssen auch die Türen der Schulen offen halten.
Nicht im Sinne einer „Normalität“, aber vielleicht im Sinne einer verantwortbaren Beständigkeit in maximal unsicheren Zeiten.