Rede · 11.10.2006 Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein

Die Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein steht in vielen Bereichen vor großen Herausforderungen. Dies geht klar aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion hervor.

Vordringlich wird deutlich, dass insbesondere der Neubau und die Modernisierung von Wohneinheiten und die damit verbundene Finanzierung die wohl größte Aufgabe in diesem Bereich für die nächsten Jahre darstellen. So prognostiziert die „Wohnungsmarktprognose für Schleswig-Holstein 2020“ für den Zeitraum 2004 bis 2020 einen Neubaubedarf von rund 134.000 Wohnungen - bis 2010 wurde ein Bedarf von rund 70.000 Wohnungen ermittelt. Darüber hinaus wurde prognostiziert, dass die Wohnungsunternehmen zur Erhaltung ihres Wohnungsbestandes planen, bis 2009 insgesamt 150.000 Wohnungen zu modernisieren.
Angesichts der angespannten Haushaltslage ist es daher nur verständlich, dass das Land hier nur flankierend zur Seite stehen kann und dementsprechend hoch ist die Differenz zwischen den prognostizierten Bedarfen und den Angeboten aus der Wohnraumförderung.

Mit der Föderalismusreform verlagert sich künftig die Verantwortung für die soziale Wohnraumversorgung vollständig auf die Länder. Bei dem Zustand der öffentlichen Kassen keine einfache Aufgabe! Lindernd wird sich jedoch auswirken, dass der Bund bis 2013 noch zweckgebundene Kompensationszahlungen zur Fortsetzung einer investiven Wohnraumförderungspolitik zur Verfügung stellt.

Wichtig für uns ist und bleibt aber, dass die Bedürfnisse des sozialen Wohnungsmarktes auch in Zukunft gedeckt werden und dass die Städteplanung dahingehend entwickelt wird, dass gute Lebensgrundlagen für die Menschen geschaffen werden. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum gerade für jene Mitbürger, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, am Markt für sich angemessenen Wohnraum zu finden. Daher begrüßen wir die Aussage der Landesregierung, dass sie auch künftig die Wohnraumförderpolitik fortsetzen wird - im Sinne einer sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Stadtentwicklungspolitik.

Neben der Neubauförderung ist natürlich auch die Modernisierung von Wohneinheiten weiterhin ein wichtiger Faktor der Wohnungsbaupolitik. Denn mit dem Abschmelzprozess sozialer Bindungen bei Wohneinheiten wird es künftig weiter darauf ankommen an anderer Stelle entsprechenden Wohnraum vorhalten zu können, so dass es nicht zu Engpässen bei Wohneinheiten mit Belegrecht kommt.

Ein wichtiger Aspekt bei der Modernisierung von Wohneinheiten ist weiterhin die energetische Erneuerung der Bestände. Gerade angesichts steigender Energiepreise – energiebedingte Wohnnebenkosten sind im letzten Jahr je nach Energieträger um mindestens 25% gestiegen – kommt der Energieeinsparung künftig mehr Bedeutung zu. Denn Nebenkosten werden zunehmend zum Auswahlkriterium für Wohnungen werden. Bei Wohneinheiten mit Belegrecht werden durch die Verbesserung des Energieverbrauchs auch die öffentlichen Kassen auf lange Sicht entlastet.
Hier muss die Landesregierung noch erhebliche Anstrengungen unternehmen, um bei Investoren den Investitionswillen hinsichtlich der Modernisierung und Sanierung von Wohneinheiten anzustoßen. Daher begrüßen wir, dass sie ihre Bemühungen in diesem Bereich künftig verstärken will, um Geld-Anreize zu schaffen.

Neben der sozialen Komponente beinhaltet die Wohnraumförderung aber auch einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor. Gerade in Zeiten schwacher Konjunkturphasen in der Bauwirtschaft sorgt die Wohnraumförderung für zusätzliche Investitionen. So hat die I-Bank im Jahr 2005 mit 64 Mio. € aus Mitteln der Sozialen Wohnraumförderung insgesamt Objektkosten für Eigentumsmaßnahmen und Mietwohnungen in Höhe von rund 223 Mio. € finanziert und damit geschätzte Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 400 Mio. € ausgelöst. Und es wäre wünschenswert, wenn die Landesregierung die erhofften Effekte auch für die Programmjahre 2005/2006 generieren kann. Denn schließlich hat die Förderung von Wohnraum nicht nur positive Auswirkungen auf den Bausektor, ebenso erfolgreich wirkt sich dies auch auf den Dienstleistungssektor im Bereich Wohnungs-, Grundstücks- und Immobilienwirtschaft aus.

Angesicht der demografischen und sozialen Entwicklung in der Bevölkerung kommt neben der Objektförderung künftig mehr als bisher die gezielte Städtebauförderung zum Tragen. Insbesondere mit dem Bund-Länder-Kommunen-Programm „Soziale Stadt“ wird der Versuch unternommen, ganze Stadtteile, in denen Armut und Arbeitslosigkeit vorherrschen, wieder aufzuwerten. Diese Quartiere sollen wieder auf die Höhe der Zeit gebracht werden. Sanierung, Wohnraumaufwertung, Stadtteilzentren, Begrünung und Bürgerbeteiligung sollen aus Problembereichen wieder lebenswerte Lebensräume machen und so auch soziale Probleme bekämpfen. So lautet zumindest die Theorie.

Aus der Antwort der Landesregierung geht hervor, dass das übergeordnete Ergebnis der Zwischenevaluierung des Programms „Soziale Stadt“ zu dem Schluss kommt, dass das Programm ein geeignetes Instrument ist, um den Folgen der wachsenden Segregation entgegenzuwirken. Die Gesamtbewertung macht aber deutlich, dass nach vier Jahren der Programmumsetzung noch keine wesentlichen Verbesserungen der Gesamtsituation in den betroffenen Stadtteilen festzustellen ist.
Soll heißen: Die Soziale Stadt ist vor allem ein Bauprogramm. Aber wenn es um soziale Benachteiligung geht, reden wir nicht nur von Infrastruktur und Wohnumfeldern. Dann geht es auch um Arbeit, um Bildung, um Soziales, um Integration von Einwanderern und um Gesundheitsförderung, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Ohne einen gezielten Einsatz von Mitteln für bestimmte soziale Gruppen werden die Probleme der Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf nicht gelöst. Nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen brauchen Unterstützung, um sich von einem belastenden sozialen Erbe zu lösen. Dafür müssen auch Fördermittel zur Verfügung stehen.
Diesen Fehler hat auch die Bundesregierung erkannt und die Förderung nicht-investiver Projekte zugelassen. Insgesamt wurden bundesweit für das Programmjahr 2006 40 Mio. €, Bundesmittel freigesetzt - für Schleswig-Holstein wurden insgesamt 1,3 Mio. € zugelassen.
Angesichts der Probleme, die wir in den genannten Stadtteilen haben, fällt diese Summe auf einen extrem heißen Stein. Dass damit nur Modellvorhaben gefördert werden, kommt erschwerend hinzu. Daher müssen die Förderrichtlinien breiter gestaltet werden, und es müssen noch weitere Förderprogramme erschlossen werden, wenn man hier Erfolge verzeichnen will.

Angesicht der Tatsache, dass immer mehr Wohnungsunternehmen und damit auch öffentlich geförderter Wohnungsbestand in Schleswig-Holstein von der öffentlichen Hand oder von privaten Eigentümern an national und international tätige Großanleger verkauft wird, ergeben sich Risiken, die derzeit nicht vollends abschätzbar sind. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass Schleswig-Holstein unter den Ländern in Deutschland bei den Verkäufen mit mehr als 800 Wohneinheiten - ohne Berücksichtigung der kleineren Verkäufe - eine herausragende Position einnimmt. Kiel ist vor Berlin und dem Rhein-Main-Gebiet die relativ am stärksten vom Handel größerer Portfolios betroffene Region in Deutschland.
Aus meiner Sicht ist diese Entwicklung sehr beunruhigend. Denn die Gefahr besteht darin, dass durch die Ablösung der sozialen Darlehen in Zukunft sozialer Wohnraum verloren gehen kann oder andere Probleme auftauchen. Der Mieterbund macht deutlich, dass sich in den betroffenen Regionen in Kiel die Versorgung sowie das Mietermanagement problematisch darstellen und Segregationstendenzen bereits zu beobachten sind.

Da sich diese Entwicklung scheinbar nicht ohne weiteres abwenden lässt, ist es wichtig, dass Strategien entwickelt werden, die den sozialen Wohnraum weiter schützen.
Ebenso sehen wir eine bundesgesetzliche Regelung zu Real Estate Investment Trusts – kurz REIT – mit Besorgnis. Diese zumeist börsennotierten Immobilien-Gesellschaften, die sich mit dem Besitz und der Bewirtschaftung von Immobilien beschäftigen, bergen die Gefahr, dass kurzfristige Renditeziele an die Stelle einer nachhaltigen und sozial verantwortlichen Bestandsbewirtschaftung treten.

Natürlich kann das Land den Verkauf von Wohnbeständen nicht verhindern. Die Frage ist aber, welche Alternativen es zum Verkauf gibt. Hier weist die Landesregierung auf verschiedene Modelle hin. Hervorheben möchte ich hierbei das Beispiel der genossenschaftlichen Lösungen. Hier nimmt Schleswig-Holstein eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Insbesondere möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Selbsthilfebauverein Flensburg e.V., der die WoBau Flensburg in diesem Jahr übernommen hat, erfolgreich am Markt agiert. Genossenschaften haben gegenüber Kapitalgesellschaften den Vorteil, dass sie satzungsgemäß an den Erhalt ihrer Bestände und an dementsprechend geringe Eigenkapitalrenditen gebunden sind. Dies ist eindeutig im Sinne unserer Kommunen, da sie mit den Genossenschaften einen langfristigen Partner an ihrer Seite haben.


 

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