Rede · 24.02.2023 Zentraler Teil der Digitalisierung muss eine Bürger-ID sein
„Analoge Formulare digital verfügbar zu machen, ist keine Digitalisierung. Ich fordere die Landesregierung auf, den Bürgerinnen und Bürgern einen barrierefreien, leichten Zugang zu möglichst vielen Verwaltungsprozessen zu ermöglichen. Der Datenaustausch sollte mit einer Bürger-ID beschleunigt und vereinfacht werden; ähnlich der CPR-Nummer in Dänemark.“
Sybilla Nitsch zu TOP 20 - Bericht zum E-Government-Gesetz (Drs. 20/695)
Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine der drängendsten Aufgaben, denen sich die Landesregierung stellen muss. Bislang haben wir aber nur Interessensbekundungen: So verspricht der Koalitionsvertrag, dass die Digitalisierung zum Leitbild aller politischen Verantwortungsbereiche wird. Da ist was los. Aber was?
Tatsächlich gibt es viele Programme und Projekte, die die Digitalisierung vorantreiben sollen. Der Rücknahme des E-Government-Gesetzentwurfes soll ein breit gefächertes Maßnahmenpaket gegenüberstehen. Aber genau da ist der springende Punkt. Genau die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Maßnahmen entpuppen sich als Hindernis auf dem Weg zu einer bürgerfreundlichen, digitalen Verwaltung. Eine Priorisierung ist nicht erkennbar. Ich würde sogar sagen, dass der Wille fehlt, die Digitalisierung nicht nur als eine weitere Herausforderung unter vielen anderen zu betrachten, die es gilt, an das bestehende System irgendwie ranzuklempnern.
Wer digitalisiert, muss neu denken. Und das erkenne ich nicht.
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn ein Antragsformular in eine pdf-Datei umgewandelt wird, die dann zu Hause ausgedruckt und ausgefüllt, eingescannt und verschickt werden muss, ist das keine Digitalisierung. Das ist Verwaltungsabwälzung auf die Bürgerinnen und Bürger. Stattdessen muss das Antragsverfahren im Zuge der Digitalisierung neu überdacht werden: Sind die Daten anderswo verfügbar, können also verknüpft werden? Wie kann der Text barrierefrei werden, so dass auch Menschen mit Behinderungen mitgenommen werden? Wie kann eine digitale Hilfestellung beim Ausfüllen installiert werden? Und dabei meine ich nicht, dass per Mausklick der entsprechende Gesetzestext eingeblendet wird, den sowieso nur Juristinnen und Juristen verstehen. Wie wird das Feedback organisiert? Wer behandelt mein Anliegen und wann ist mit einer Antwort zu rechnen? Diese und andere Fragen stellt man sich in Schleswig-Holsteins Behörden selten oder nie. Damit wird eine Riesen-Chance vertan. Analoge Formulare digital verfügbar zu machen, ist keine Digitalisierung. Ein schlechter analoger Prozess, wird auch durch digitale Hilfsmittel nicht besser.
Ehrlicherweise ist zu sagen, dass die Probleme nicht alle hausgemacht sind; schließlich schenkt uns der Föderalismus viele Verwaltungsebenen, die kaum oder sehr wenig vernetzt sind. Ein Beispiel: Was das Finanzamt weiß, behält es gerne für sich. Auch die Kommunen haben keinen systematischen Austausch; was die Bürgerinnen und Bürger spätestens bei einem Umzug bemerken. Da müssen dann viele Behördengänge persönlich erledigt werden oder Papiere noch einmal eingereicht werden. Da geht dann ein Urlaubstag flöten, den man lieber anders verbracht hätte.
Aber ich möchte nicht nur über Probleme sprechen – diese haben wir schon in zahlreichen Reden immer wieder beschrieben und beklagt. Ich denke, dass wir umgehend eine Lösung benötigen. Ich fordere die Landesregierung auf, den Bürgerinnen und Bürgern einen barrierefreien, leichten Zugang zu möglichst vielen Verwaltungsprozessen zu ermöglichen. Es muss Schluss sein mit immer neuen Systemen und Webseiten. Nicht die Verwaltung darf den Takt vorgeben, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Darum benötigen wir einen bürgerzentrierten Zugang.
Jede Person in Deutschland bekommt seit 2007 eine Steuer-ID. Diese Nummer könnte der Schlüssel sein, um alle Verwaltungsverfahren zu bündeln und zu erleichtern; so sieht es zumindest das Registermodernisierungsgesetz vor. Der Datenaustausch soll mit einer Bürger-ID beschleunigt und vereinfacht werden. Dazu wird eine Schnittstelle eingeführt, die die Kommunikation zwischen den Verwaltungen ermöglicht. Dänemark hat bereits eine Personennummer für seine Bürgerinnen und Bürger und fährt sehr gut damit. Diese wurde ganz zurück im Jahre 1968 eingeführt.
Das läuft so gut, dass auch private Unternehmen wie die Mobilfunkunternehmen die CPR-Nummer nutzen.
Ich fordere die Landesregierung auf, bezüglich der Umsetzung der zentralen Bürgernummer Druck über den Bundesrat zu machen. Der derzeitige Stand ist, dass die Bundesregierung keinen konkreten Zeitpunkt für das Inkrafttreten benennt. Datenschutzrechtliche Bedenken müssen wir ernst nehmen, aber auch zügig lösen. Die Banken machen es vor. Ihnen ist es weitgehend gelungen, ihren Kundinnen und Kunden die Verknüpfung aller Finanzprodukte auf einen Blick zu ermöglichen und dabei die Sicherheit zu gewährleisten. Natürlich gibt es hier auch Probleme; aber wir dürfen uns nicht entmutigen lassen.