Speech · 11.10.1998 Abschaffung der Meldepflicht für Arbeitslose
Der SSW fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Initiative einzubringen, die zum Ziel hat, die am 1. Januar 1998 durch die Aufnahme in das Sozialgesetzbuch - SGB III - eingeführte Präzision der Meldepflicht und Bewerbungspflicht für Arbeitslose so schnell wie möglich wieder rückgängig zu machen.
Seit dem 1. Januar 1998 müssen sich Arbeitslose mindestens jedes Vierteljahr beim Arbeitsamt melden und von Zeit zu Zeit als Beweis der eigenen Arbeitssuche dem Arbeitsamt eine Anzahl von Bewerbungen nachweisen. Der SSW ist der Auffasssung, daß die noch von der alten Bundesregierung eingebrachte Änderung des Sozialgesetzbuches angesichts knapp 4 Millionen registrierter Arbeitsloser in Deutschland eine sinnlose Belastung der arbeitssuchenden Menschen darstellt.
Der neue Finanzminister Oskar Lafontaine hat in Verbindung mit der Kritik an seinem angeblichen Druck auf die Bundesbank wegen der Forderung nach einer Zinssenkung sinngesmäß gesagt: Nicht die Bundesbank ist unter Druck, sondern die Arbeitslosen hier im Lande stehen unter einem immensen Druck wegen ihrer Arbeitslosigkeit und weil viele von ihnen schon seit Jahren arbeitslos sind." Durch die eingeführten Regelungen hat man diesen Druck erhöht und suggestiert somit indirekt, die Arbeitslosen seien selbst Schuld an ihrem Schicksal.
Dabei sehen selbst die Bediensteten des Arbeitsamtes in diesen Regelungen kein Mittel, um auch nur einen einzigen neuen Job zu schaffen. Denn sie beanspruchen zusätzliche Ressourcen der Arbeitsämter, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Kontrolle dieser Regelungen weniger Zeit haben, eine erfolgreiche Arbeitsplatzvermittlung durchzuführen. So weist der Sprecher des Flensburger Arbeitsamtes Wilfried Schramm laut von Flensborg Avis vom 27.10.1998 daraufhin, daß die Meldepflicht beim Arbeitsamt einen erhöhten Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter verursacht." Auch weil dafür keine zusätzlichen Stellen bewilligt wurden.
Auch der SSW tritt dafür ein, daß die Arbeitslosen die Pflicht haben, sich aktiv um Arbeit zu bemühen, und daß sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, wenn sie Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe beziehen wollen. Aber diese Pflicht darf nicht zu einem überflüssigen Ritual verkommen. Der Bewerbungszwang führt beispielsweise dazu, daß viele Bewerbungen nur pro forma geschrieben werden, um den Forderungen des Arbeitsamtes nachzukommen. Die Ernsthaftigkeit von solchen Bewerbungen ist nicht überprüfbar und führt zur Verärgerung bei den Arbeitgebern, die solche Bewerbungen erhalten. Ein Leistungsmißbrauch ist auf diesem Wege trotzdem nicht zu verhindern.
Nach dem Regierungswechsel in Bonn gibt es sicherlich eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen im Bereich der Arbeitsförderung, die auf Zustimmung bei der neuen Bundesregierung stoßen werden. Die jetzigen Regierungsparteien waren selbst gegen viele Bestimmungen der letzten Änderung des Sozialgesetzbuches. Wir gestehen der neuen Regierung selbstverständlich erst einmal die berühmten hundert Tage Zeit zu, um ihre eigenen Vorstellungen darzulegen. Allerdings tritt der SSW dafür ein, daß besonders die Verschärfung des Arbeitsrechts in Form der verstärkten Kontrollen der Arbeitslosen so schnell wie möglich beendet werden muß. Eine Änderung des Sozialgesetzesbuches in diesem Sinne hilft den vielen Millionen Betroffenen unmittelbar, kostet kein Geld und setzt Ressourcen der Arbeitsämter frei, so daß sie sich vermehrt auf ihre Kernaufgabe, die Arbeitsvermittlung, konzentrieren können.
Der SSW setzt sich seit langem dafür ein, daß endlich eine aktive Arbeitsmarktpolitik geführt wird, die den Arbeitslosen nicht nur Pflichten auferlegt, sondern auch verstärkt mehr Rechte zugesteht - beispielsweise im Bereich von Aus- und Weiterbildung, Umschulung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Das alles macht natürlich nur Sinn, wenn es später Beschäftigungsmöglichkeiten für diese Menschen gibt. Deshalb bleibt es ein vorrangiges Ziel, neue Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Eine Verschärfung des Arbeitsrecht - wie sie beispielsweise jetzt in Dänemark durchgeführt wird - macht nur Sinn in einer Situation, wo die Arbeitslosigkeit stark gefallen ist und wo es Anzeichen für einen Arbeitskräftemangel gibt. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Deshalb Bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen.