Speech · 26.01.2000 Abschlussbericht des "Pallas"-Untersuchungsausschusses
Nach nunmehr fast einjähriger Arbeit hat der Untersuchungsausschuss zur Pallas" Havarie seinen Abschlußbericht dem Parlament übergeben. Der SSW hat sich aktiv an der Arbeit des Ausschusses beteiligt und ist schließlich zu einem eigenen Ergebnis in der Sache gelangt, das Gegenstand eines Minderheitenvotums zum Abschlußbericht geworden ist.
Der SSW ist der Diskussion um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Havarie der Pallas" von Beginn an mit Skepsis begegnet. Schon im Dezember 1998 habe ich die Auffassung vertreten, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für die Aufklärung der Umstände um den vorliegenden Fall ein nicht geeignetes Mittel sei. Der nun vorliegende Abschlußbericht hat diese Einschätzung bestätigt.
Das deutsche Staatsrecht definiert Untersuchungsausschüsse als Hilfsorgane mit der Aufgabe, im Rahmen des ihnen erteilten Untersuchungsauftrages, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und dessen Entscheidungen vorzubereiten. Dabei werden Untersuchungsausschüsse grundsätzlich eingesetzt, um Kontrolle über Regierung und Verwaltung auszuüben und um auf diese Weise vor allem behaupteten Mißständen nachzugehen, die in den Verantwortungsbereich der Regierung fallen. Insoweit handelt es sich bei einem Untersuchungsausschuss um ein traditionelles Mittel parlamentarischer Kontrolle, das sinnvoll und existenznotwendig für eine parlamentarische Demokratie ist, wie uns das politische Tagesgeschäft in bedauerlicher Weise unlängst vor Augen geführt hat.
Untersuchungsausschüsse haben also in erster Linie Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Praxis der vergangenen Untersuchungsausschüsse im Bund wie auch im Lande Schleswig-Holstein haben jedoch gezeigt, dass im Vordergrund der Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse vielmehr die politische Auseinandersetzung steht. Insoweit werden der Untersuchungsauftrag und damit eine sachlich orientierte Aufklärung des Sachverhalts verdrängt. Untersuchungsausschüsse werden zu politischen Kampfinstrumenten, die vornehmlich von der Opposition benutzt werden, heißt es dazu bei Prof. von Mutius in seiner Kommentierung zum Schleswig-Holsteinischen Landesrecht.
Der SSW ist der Auffassung, dass schon relativ früh für alle Beteiligten erkennbar war, dass das Ergebnis eines etwaigen Untersuchungsausschusses im Falle Pallas" zu einer politischen Verwertung mit echten Konsequenzen nicht ausreichen würde. Zudem wurde bereits frühzeitig durch die Landesregierung angekündigt, eine Schwachstellenanalyse durch eine unabhängige Stelle durchführen zu lassen, die mittlerweile vorliegt.
Eine derartige Schwachstellenanalyse verbunden mit einem Sachverständigengutachten wäre nach Auffassung des SSW die optimale Lösung gewesen, um dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern des Landes in an der Sache orientierter Weise - frei von jeglicher politischer Wertung und zeitnah zum Havariegeschehen - Rechenschaft über den Fall Pallas" zu geben.
Was hingegen stattgefunden hat, glich vielmehr einer einjährigen Exkursion für Landtagsabgeordnete ins Seerecht und der Nautik, mit dem Ergebnis, dass alle Mitglieder des Ausschusses jetzt Backbord von Steuerbord unterscheiden und sich ein recht anschauliches Bild davon machen können, wie die Nordsee bei Windstärken bis zu 120 km/h aussieht. Festzustellen bleibt aber dennoch, dass uns immer noch der Sachverstand zur Beurteilung eines derartig fachlich wie tatsächlich komplexen Sachverhaltes fehlt.
Festzuhalten bleibt aber auch, dass der Untersuchungsausschuss in der Öffentlichkeit dazu beigetragen hat, sensibel auf alle Probleme, die im Zusammenhang mit Schifffahrt und der Sicherheit auf Nord- und Ostsee stehen, zu reagieren. Wenn diese Sensibilisierung auf Dauer anhalten wird, dann ist dieses sicherlich als Erfolg zu werten, der aber an dem Zweck der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses vorbeigeht.
Auch der zeitliche Rahmen muss für einen Untersuchungsausschuss wesentlich weiter gesteckt werden als für Sachverständigengutachten, ohne dass das Untersuchungsergebnis in objektiver Hinsicht besser, exakter oder umfangreicher ist.
Es muss also die Frage gestellt werden, ob es für alle Betroffenen nicht weitaus befriedigender gewesen wäre, wenn Ergebnisse zu entgegengebrachten Kritikpunkten möglichst schnell hätten erarbeitet und präsentiert werden können.
Dennoch hat sich der SSW aktiv an der Arbeit des Untersuchungsausschusses beteiligt. Davon zeugt die Tatsache, dass ich in einem Minderheitenvotum die Schlussfolgerungen des SSW dargelegt habe.
Für den SSW stand die reine Aufklärungsarbeit im Vordergrund. Dazu gehört die Ermittlung des Sachverhaltes, wie er sich tatsächlich abgespielt hat, sodass die Öffentlichkeit zumindest durch Lesen des Untersuchungsausschuss-Berichtes die Möglichkeit erhält, sich ein objektives Bild von der Situation um die havarierte Pallas" zu machen. Dies schließt jedoch auch ein, die Komplexität des Sachverhaltes darzustellen, ohne ihn unverständlich erscheinen zu lassen. In diesem Punkt hatte der SSW Kritik gegenüber dem Abschlußbericht geäußert, der eine Vermengung der unterschiedlichen Handlungs- und Entscheidungsebenen vornimmt. Daher haben wir einen eigenen Vorschlag zur Systematik unterbreitet.
Mir ist bewußt, dass die Systematik des Abschlussberichts zwischen dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden abgesprochen worden ist. Ich bleibe aber dabei, dass die von mir vorgeschlagenen Systematik die einzelnen Verschränkungen im Bereich der unterschiedlichen Zuständigkeiten, der vertraglichen Verknüpfungen oder der handelnden Organe übersichtlicher und verständlicher darstellt.
Inhaltlich komme ich zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Havarie der Pallas" um einen Unfall auf See gehandelt hat, der durch das Zusammentreffen verschiedener unglücklicher Umstände, begünstigt durch Unterlassungen auf Seiten der Behörden, und Auftreten ungünstigster Wetterbedingungen verursacht wurde.
Ich bin der Auffassung, dass von der Landesregierung in fachlicher Hinsicht nichts unterlassen wurde, was einen anderen Ausgang der Havarie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte erwarten lassen können. Insbesondere die Ölbekämpfung auf See wie an Land waren schließlich erfolgreich.
Hierbei möchte ich auf den besonderen Einsatz der Kommunen hinweisen, die die schwierige Situation an den ölverschmutzten Stränden wie auch den späteren Umgang mit dem Wrack vor der Haustür" beispielhaft bewältigt haben. Von dieser Stelle möchte ich mich daher bei den Verantwortlichen recht herzlich bedanken. Ihnen gebührt Anerkennung dafür, dass schon im Frühjahr vergangenen Jahres wieder normale Zustände an den Stränden der betroffenen Inseln und Kommunen herrschten.
Auf unterschiedlichen Handlungs- und Zuständigkeitsebenen traten indes Probleme und Fehler auf.
Zum einen hat sich auf internationaler Ebene gezeigt, dass die Meldung über die brennende Pallas" von der zuständigen dänischen Behörde nicht unmittelbar an die entsprechende Behörde auf deutscher Seite überbracht worden ist. Das lässt darauf schließen, dass vorhandene Meldewege, die im Wege internationaler Verträge vereinbart sind, nicht oder nur unzulänglich ausgeschöpft und benutzt werden.
Auf nationaler Ebene steht zum anderen fest, dass das Verhalten des Zentralen Meldekopfes (ZMK) - die für das Unfallmanagement innerhalb der Deutschen Bucht zuständige Bundesbehörde mit Sitz in Cuxhaven - zu erheblichen Zeitverzögerungen geführt hatte. Fachleute des Seeamtes Kiel jedoch sehen aber auch in diesem Punkt davon ab, diesem Umstand eine Kausalität in Bezug auf das Ergebnis der Havarie zuzuschreiben, da die übrigen ungünstigen nicht beeinflussbaren Faktoren überwogen hätten. Schließlich war dieser Komplex, der in den Bereich der Bundeszuständigkeit fällt, auch nicht Gegenstand der Untersuchung.
Vom Untersuchungsauftrag jedoch erfasst war die Untersuchung der Zusammenarbeit der landeseigenen Ministerien untereinander.
Hier wurde deutlich, dass vorhandene Verwaltungsvorgaben, die zum Zweck der fachübergreifenden Ausschöpfung von Verwaltungsressourcen geschaffen worden sind, zu spät angewendet wurden. Zu spät erfolgte die Feststellung einer sog. besonderen Lage - mit der Konsequenz, dass auch ein interministerieller Leitungsstab zu spät einberufen wurde.
Hätte doch dieser Stab - bestehend aus Fachleuten des Umweltministeriums, Krisenmanagern und Kommunikationsfachleuten des Innenministeriums sowie Mitarbeitern der Presse- und Informationsstelle der Landesregierung - genau in den Punkten Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmanagement bessere Arbeit geleistet.
Denn der Fall der Pallas" hat gezeigt, was es bedeutet, in einer Medien- und Informationsgesellschaft zu leben. Informationsverteilung in alle Richtungen, das ist, was modernes Krisenmanagement erfordert. Dabei ist die Unterrichtung der Medien über die aktuelle Situation am Ort des Geschehens gleich bedeutend, wie die zur Abarbeitung der Krise notwendige Information über die Lage gegenüber den Betroffenen und den zur Bekämpfung der Krise eingesetzten Kräfte. Modernes Informations- und Kommunikationsmanagement bedeutet eben mehr, als nur die Verteilung von Berichten und die Abgabe von Presseerklärungen. Information nach Innen und Außen ist das, woran es in diesem Fall gefehlt hat. Dieser besondere Umstand ist vorliegend durch das Umweltministerium und seine Mitarbeiter unterschätzt worden.
Es bleibt aber schließlich festzustellen, dass sich auch bei entsprechendem Verhalten der Ausgang der Havarie nicht geändert hätte.
Es wird nun als Konsequenz aus der Pallas" Havarie gefordert, eine einheitliche Küstenwache aufzubauen.
Ich halte diese Konsequenz nicht für zwingend und bezweifle zudem, dass eine Herbeiführung der gesetzlichen Grundlagen hierfür und der Aufbau einer praktikablen und sinnvollen Struktur für eine Küstenwache nicht in einem angemessenen Zeitraum wird erfolgen können.
Die als Beweismittel in den Untersuchungsausschuss eingeführten Unterlagen zeigen nach Auffassung des SSW sehr deutlich, dass die unterschiedlichen Handlungsebenen und Zuständigkeitsbereiche im Laufe der vergangenen Jahre durch wenige vertragliche Vereinbarungen zu einer sinnvollen und praktikablen Struktur verbunden worden sind. Diese Vereinbarungen sind Ergebnis jahrelanger Erfahrungen und erfolgten jeweils in Anpassung an stetig wechselnde Aufgaben. Daher kann schon davon ausgegangen werden, dass die vorhandene Struktur den aktuellen Erfordernissen angepasst ist.
Die erkannten Fehler sind jedoch nicht wegen der Struktur an sich" gemacht worden, sondern beruhen vielmehr auf mangelnder Übung und auf schlechter Kommunikation der beteiligten Stellen untereinander. Derartige Fehler entstehen und treten auf, gleich, welche Struktur oder welchen Namen eine Behörde hat.
Aus diesem Grunde vertritt der SSW die Auffassung, dass diese Strukturen in einem ersten Schritt regelmäßig geübt werden müssen. Erscheinen sie unzweckmäßig zu sein, so sind sie in einem zweiten Schritt anzupassen oder zu optimieren.
Die völlige Umstrukturierung zu einer "Super-Behörde" mit Allkompetenz stellt für den SSW keine Alternative dar.
Aber auch finanzielle Gründe sprechen gegen die Einrichtung einer solchen Küstenwache. Vorhandene Strukturen können oft nur bedingt in eine neue Struktur eingegliedert werden, so dass es oftmals nur bei einer Angliederung bei vollem Bestand der alten Behörde bleibt. Auf diese Weise wird die Behördenanzahl erhöht und weitere Hierarchieebenen geschaffen. Dieses ist wiederum mit erhöhten Personal- und Sachkosten verbunden, deren Nutzen nicht im Verhältnis zu den entstehenden zusätzlichen Kosten steht. Ebenso verhält es sich mit der Einrichtung eines ständigen Führungs- und Einsatzstabes, der zusätzliche hohe Kosten nach sich zieht, ohne einen erkennbaren entscheidenden Vorteil zu gewähren.
Schließlich bestehen aus der Sicht des SSW auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedenken. Die Vereinigung von Kompetenzen des Bundes und der Länder auf eine "Super-Behörde" setzt eine Änderung des Zuständigkeitskataloges der Art. 83 f. GG voraus. Ob dieses überhaupt möglich sein wird, bleibt fraglich, da schon die Umsetzung einer solchen Änderungsinitiative schwierig sein wird. Die betroffenen Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern müssten eigene Kompetenzen zugunsten des Bundes abgeben, was zu erheblichen Problemen führen könnte. Insofern wird es sich um ein langwieriges Verfahren handeln, dessen schließlicher Erfolg noch in Frage steht.
Um daher möglichst schnell zu einem verbesserten Standard hinsichtlich der Abarbeitung von Schiffsunfällen in der Deutschen Bucht zu gelangen, setzt sich der SSW dafür ein, die vorhandenen Strukturen voll auszuschöpfen und zu verbessern.
Dies schließt aber auch ein, dass weiter an der Verbesserung der geltenden Sicherheitsstandards auf Schiffen gearbeitet wird und die Reederhaftung modifiziert wird, mit der Folge, dass die Zustandshaftung über die Besitzaufgabe eines Schiffes hinaus ausgedehnt werden wird.
Weiter sind höhere Haftungssummen seitens der Schiffsreeder einzufordern, die die Kosten für finanziell aufwendige Rettungsaktionen von Schiffen und anderer betroffener Schutzgüter abzudecken vermögen. Das derzeit praktizierte Modell, nach dem der Reeder sich von der Haftung befreien kann oder ggf. nur für einen geringen Prozentsatz der erforderlichen Kosten haftet, kann nicht weiter die Praxis bleiben. Für Verschulden eines Schiffsreeders kann die Gesellschaft nicht unbeschränkt in die Haftung genommen werden.