Speech · 26.04.2018 Alle Kinder haben das Recht auf Bildung und ein selbstbestimmtes Leben

Jette Waldinger-Thiering TOP 7 - Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes

Alle Kinder haben das Recht auf gute Bildung und auf ein selbstbestimmtes Leben. Ich denke, hier sind wir uns grundsätzlich einig. Bildung ist der Schlüssel, wenn es darum geht, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Und ein regulärer Abschluss ist sehr oft auch der Schlüssel zu einem wirklich würdevollen Leben. Nicht zuletzt deshalb ist das Recht auf Bildung in unserer Landesverfassung verankert. Ich sehe es als unsere klare Pflicht, sicherzustellen, dass alle Kinder und Jugendlichen im Land zu diesem Recht auf Bildung kommen. Ohne Wenn und Aber. Und ohne Ausnahmen. Deshalb haben wir die vorliegende Ausweitung der Schulpflicht über eine Änderung des Schulgesetzes eingebracht. 

Die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen, die in Erziehungshilfeeinrichtungen leben, hat vermutlich alle Anwesenden beschäftigt. Sie war ja nicht nur hier im Plenum, sondern auch im Untersuchungsausschuss zu den Friesenhof-Heimen oder am Runden Tisch Heimerziehung Thema. Aus guten Gründen ging es hier um mehr, als um die Frage nach dem Zugang zu Bildung. Und doch beschäftigt mich und meine Partei seit längerem, wie wir die Situation von Heimkindern verbessern können. Auch ganz konkret durch gute Bildung oder einen gelungenen Übergang in eine Ausbildung. 

Es gibt so einige Baustellen im Bereich der Heimerziehung. Aber auch mit Blick auf die Beschulung ist klar, dass längst nicht alles reibungslos läuft. Zwar ist es ungemein schwierig, an genaue Zahlen zu kommen. Aber laut Kinderschutzbund und einer Reihe anderer Experten, werden eben zumindest nicht alle Kinder und Jugendliche aus Heimen beschult. Bei uns sind rund 3000 junge Menschen aus anderen Bundesländern untergebracht. Höchstens 5 Prozent von Ihnen kommen nach Schätzungen nicht zum vollen Recht auf Bildung. Und zwar deshalb, weil unser Schulgesetz für sie nur eine „Kann-Bestimmung“ vorsieht. Auch wenn sie hier schon Jahre leben, können sie eine öffentliche Schule besuchen, können aber auch anderweitig beschult werden. Und da für sie keine Schulpflicht besteht, werden sie auch nicht gezählt.

Verschiedene Landesregierungen mögen also den subjektiven Eindruck haben, dass rege von dieser Kann-Regelung Gebrauch gemacht wird. Genauer weiß es allerdings keine. Unabhängig von der Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen, hat die Gesetzeslage jedenfalls folgende praktische Auswirkung: Einige Schulen nehmen diese so genannten „auswärtigen“ Kinder und Jugendlichen nach einer Einzelfallprüfung in den Regelunterricht auf. Andere nehmen sie auf, beschulen aber auf einer Minimalbasis und erwarten im Übrigen eine Beschulung im Heim. Und wieder andere nehmen generell keine Heimkinder auf, obwohl diese in ihrem Bezirk leben. Die Heimleitung muss also versuchen, den Beweis dafür zu erbringen, dass ein Kind problemlos genug ist, um von der Schule freiwillig aufgenommen zu werden. 

Ehrlich gesagt sind solche Zustände doch nicht nur aus bildungs- und sozialpolitischer Sicht inakzeptabel. Wir meinen, dass das Land hier dringend Klarheit schaffen muss. Denn zum einen mag eine heiminterne Beschulung zwar nicht per se schlecht sein. Aber in vielen Fällen führt sie eben nicht zu einem vergleichbaren Abschluss. Und zum anderen ist die Regelbeschulung auch eine Frage der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Denn der Zugang zur öffentlichen Schule bedeutet auch gesellschaftlichen Anschluss. Diese Form der Teilhabe sollten sich Kinder und Jugendliche aus Heimen doch nicht auch noch erkämpfen müssen. Sie haben es häufig schwer genug.

Ich wiederhole mich gerne und weise ausdrücklich darauf hin: Alle Menschen in unserem Land haben ein Recht auf Bildung. Kein Kind und kein Jugendlicher darf daher vom Besuch einer öffentlichen Schule ausgeschlossen werden. Es mag in Einzelfällen natürlich Gründe geben, die gegen einen regulären Schulbesuch sprechen. Aber grundsätzlich müssen alle im schulpflichtigen Alter, die hier bei uns leben, schulpflichtig sein. Hierdurch haben wirklich alle Menschen im weiteren Bildungs- und Lebensverlauf annähernd gleiche Chancen. Und das muss in unser aller Interesse sein.

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