Press release · 01.03.2013 Befreiung von der Sperrklausel macht die Wahl sogar etwas gleicher

Redebeitrag des Vorsitzenden des SSW im Landtag, Lars Harms, zu den beim Landesverfassungsgericht anhängigen Wahlprüfungsbeschwerden gegen die Landtagswahl: 

 


 


 

Es gilt das gesprochene Wort - 

 


 


 

Ich muss zugeben, es ist schon etwas merkwürdig, hier heute zu sitzen und Zweifel darüber ausräumen zu müssen, ob der SSW die Partei der dänischen Minderheit ist. 

 


 

Wenn man sich die landesweite Berichterstattung früherer Jahre anschaut, fällt auf: Keine Erwähnung des SSW ohne den berühmten Zusatz: Der SSW - die Partei der dänischen Minderheit. Das hat sich auch nicht geändert seit unserer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl.

 

Von einer Dänenampel ist jetzt die Rede. Hin und wieder mal von der Dänenpartei. Ich möchte gar behaupten: Nie zuvor war so vielen Menschen in Schleswig-Holstein, und weit über die Landesgrenzen hinaus, klar, was der SSW ist, und wofür er steht. 

 


 

Gleichwohl nehmen wir die Wahlprüfungsbeschwerden sehr ernst. 

 

Der Nachweis, dass der SSW die Partei der dänischen Minderheit ist, macht gar den größten Teil unseres Schriftsatzes aus. Und lassen Sie mich eines vorweg nehmen. Nicht die Mehrheit beschließt, wer Partei der dänischen Minderheit ist, sondern ausschließlich die Minderheit selbst.

 

Die Behauptung, der SSW dürfe keinesfalls mehr als nur Minderheitenpartei sein, und dass nach 2005 Änderungen der Rechtslage und Tatsachen eingetreten seien, die die Rolle des SSW in Frage stellen, hat uns veranlasst, die historische Schiene akribisch zurück zu verfolgen. 

 

Und auch hier kann ich Ihnen sagen, dass gravierende Änderungen nicht stattgefunden haben. Wir haben uns schon immer zu allen Themen geäußert und werden uns das auch nicht verbieten lassen.

 


 

Die Junge Union, aus der sich vier der Beschwerdeführer rekrutieren, hat eigens eine Kampagne gegen die Befreiung des SSW von der Sperrklausel ins Leben gerufen. 

 

Eine Stimme für den SSW - so heißt es dort - sei 10 Prozent mehr wert als eine Stimme für andere Parteien. 

 

Deshalb fordert die Junge Union, Zitat:  “{...} die Abschaffung der Befreiung von der Fünfprozent-Hürde für...“ - Achtung:  „...die Partei der dänischen Minderheit.“ 

 

Also auch die Junge Union sieht uns als Partei der dänischen Minderheit an, obwohl sie in ihrer Beschwerde genau dieses in Zweifel zieht!

 


 

Im Übrigen: Der SSW musste bei der Landtagswahl 2012 rund 10 Prozent mehr Stimmen als jede andere Partei aufbringen, um ein Mandat zu erlangen. Dafür hätte man nur einfach auf das Wahlergebnis blicken müssen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass die Wahlprüfungs-beschwerden maßgeblich auf falschen Tatsachen basieren. 

 

 

 

Dass kein Einziger der Beschwerdeführer verfolgt hat, wie eng die Bonn-Kopenhagener Erklärungen mit der Befreiung von der 5% Klausel verknüpft sind - und wie groß daher auch die internationale Dimension dieser Frage ist - lässt ernste Zweifel aufkommen, ob hier überhaupt rechtliche Fragen im Vordergrund stehen oder nicht doch parteitaktische Interessen. 

 


 

Die Beschwerdeführer fordern strenge Wahlrechtsgleichheit ein und verkennen dabei komplett, dass nicht die Befreiung des SSW die eigentliche wahlrechtliche Ausnahme ist, die Ungleichheit schafft, sondern die Sperrklausel selbst! 

 

Schon allein deshalb, weil ohne Klausel auch eine Befreiung des SSW von derselben gar nicht nötig wäre.

 


 

So lange das Wahlrecht anhand einer Klausel unterscheidet zwischen Wählerstimmen, die Einfluss auf die Mandatszuteilung haben und Wählerstimmen, denen dieser Einfluss verwehrt bleibt, kann von Wahlrechtsgleichheit de facto keine Rede sein. 

 

Wollte man wirklich Ungerechtigkeit im Wahlsystem abschaffen, so müsste man die Klausel abschaffen. Wollte man Ungerechtigkeit mildern, so müsste man die Hürde unter weiterer Befreiung des SSW senken. 

 


 

Sieht man ganz genau hin, so macht die Befreiung des SSW von der Sperrklausel die Wahl sogar immer ein Stück gleicher. Denn je mehr Wählerstimmen Einfluss auf das Parlament haben, je gleicher ist die Wahl. Die Befreiung des SSW aufzuheben, schafft lediglich neue Ungerechtigkeiten. 

 


 

Bemerkenswert ist hierbei die Stellungnahme der FDP. Herr Kubicki hat extra ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, nur um seine schon zuvor geäußerte Haltung zu bestätigen, ein Grundmandat für den SSW müsse reichen. Ein Gutachten, von dem er sich dann anschließend politisch distanziert. 

 

Das an sich ist schon bezeichnend und zeigt, welch geringe Erfolgschancen er diesem Gutachten selbst zumisst. 

 


 

Es sei ungerecht, sagt Herr Kubicki, dass der SSW an jenen Parteien, die die 5 % Hürde nicht erreichen, einfach vorbeispaziert. Deshalb muss der SSW willkürlich auf ein Grundmandat gestutzt werden. Hinterfragt hat das freilich niemand. 

 

Denn was passiert eigentlich, wenn so verfahren würde? 

 


 

Die Wählerstimmen für Parteien unterhalb der Hürde wären weiterhin wertlos, sie würden immer noch nicht ins Parlament einziehen können. Die Minderheitenpartei SSW wäre willkürlich schlechter gestellt. Und von den freigewordenen zwei SSW-Mandaten würden die großen Parteien profitieren. Womöglich wäre sogar ein Regierungswechsel drin, mag sich Herr Kubicki denken. Mit der FDP, versteht sich. 

 


 

Wir meinen: Herr Kubicki sollte sich schämen. Nach einer Wahl das Ergebnis nachträglich in die gewünschte Richtung drehen zu wollen, das kennt man sonst eigentlich nur aus totalitären Staaten. 

 


 

Schon als man 1955 die Befreiung von der 5% Sperrgrenze beschloss, war man sich im Klaren darüber, dass dies auch zu mehr als einem SSW-Mandat führen könnte – die Beteiligung des SSW war sogar ausdrücklich das Ziel dieser Maßnahme. Nach der darauffolgenden Wahl 1958 saßen dann zwei SSWer im Landtag. Und auch in der jüngsten Vergangenheit – seit 1996 - saß regelmäßig mehr als ein SSWer im Landtag, ohne dass sich Herr Kubicki gerührt hätte. 

 

Für uns ist somit durchschaubar, um was es hier wirklich geht. Die neuen Mehrheiten passen dem Einen oder Anderen nicht, und deshalb will man juristische Spitzfindigkeiten nutzen, um dem SSW zu schaden.

 

So wie wir uns der politischen Verantwortung stellen, so stellen wir uns auch gerne der politischen Debatte. Und das sollte das einzige Mittel sein, um demokratische Parteien zu bekämpfen – wenn man sich denn dieses als Ziel setzen will. 

 


 


 

 

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