Speech · 22.08.2013 Bezahlbarer Wohnraum

Immobilien haben einen zentralen Bezugspunkt; und das ist die Lage. Leere Einfamilienhäuser in Dithmarschen helfen der alleinerziehenden Mutter in Kiel herzlich wenig. Wir haben in Schleswig-Holstein nicht einen Mietwohnungsmarkt, sondern viele regionale Märkte.
Der Innenminister hat darum die Wohnraumförderung in Ballungsgebieten und in Regionen mit Wohnungsmangel in den Vordergrund gestellt. Schleswig-Holstein steht in dieser Beziehung bundesweit ganz gut da. Andere Bundesländer sind aus dem Neubau von Wohnungen weitgehend ausgestiegen. Es ist gut, dass es bei uns nicht so ist. Was mit Fördermitteln geht, das wird auch getan. Aber wir haben natürlich nicht mehr die Zuwächse wie in den 1990er Jahren.
Andererseits ist die Landesregierung nicht der richtige Akteur, wenn es um die Umsetzung von konkreten Maßnahmen bei der regionalen Wohnraumversorgung geht. Regionale Gegebenheiten, Bedarfe und Baulücken kann man gar nicht von Kiel aus steuern. Die Wohnraumplanung und deren Umsetzung ist also das Kerngeschäft der Kommunen. Wohnungspolitische Hilfestellungen können vom Land kommen; die politischen Entscheidungen fallen vor Ort. Allerdings muss die Kommunalpolitik das Problem ernsthaft anpacken.
Im ländlichen Raum haben wir es mit einem besonderen Problem zu tun: Dort sind die Kommunen aufgrund der kleinteiligen Struktur gar nicht in der Lage, die Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, adäquat zu erfüllen. Ich würde es gerne zuspitzen: Die Kleinheit schleswig-holsteinischer Kommunen behindert in vielen Fällen eine effektive Wohnraumförderung. Nehmen wir einmal an, es möchte sich ein Gewerbebetrieb im ländlichen Raum ansiedeln und seinen Beschäftigten ein lukratives Wohnungsangebot machen. Daraus wird nichts werden, solange die betreffende Kommune gar nicht die Planungskapazitäten hat. Die Folge ist, dass es keinen Wohnraum gibt und damit auch keine Investitionen.
Wir haben in einigen Regionen tatsächlich zu wenig bezahlbare Mietwohnungen. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum für Schüler, Studierende oder ältere Einzelmieter. Die Zahl der Haushalte hat im letzten Jahren noch einmal prozentual stärker zugenommen als die Zahl der Wohnungen. Auch ohne Neubau sorgt also allein der gesellschaftliche Wandel für eine wachsende Nachfrage nach Wohnungen. Großfamilien oder Alleinerziehende haben auf dem städtischen Mietwohnungsmarkt schlechte Karten.
Deshalb gilt es hier für die Kommunen Schwerpunkte zu setzen.
Besonders problematisch sieht es in unseren Ferienorten aus. Das aktuelle Mietgutachten für den Innenminister zeigt, dass die touristische Nutzung in einigen Feriengebieten zu Engpässen führt. In Schleswig-Holsteins Tourismusorten liegen die Mieten über dem Landes-Durchschnitt. Da ist Sylt einsamer Spitzenreiter. Während 2012 für nicht-preisgebundene Wohnungen durchschnittlich 6,44 Euro netto kalt fällig waren, musste der Sylter Mieter fast das Dreifache zahlen, nämlich 17,85 Euro. Bei Neubezug liegt Sylt natürlich auch über dem Landesdurchschnitt – hier wird bei jedem Mieterwechsel noch einmal kräftig zugelangt. So wächst das Problem, dass auf Sylt - und zunehmend auch auf Föhr - Menschen, die auf der Insel arbeiten, keine bezahlbare Bleibe finden.
Deshalb muss man gerade hier auf kommunaler Ebene genau darüber nachdenken, ob mögliche Nachnutzungen von Liegenschaften - wie zum Beispiel der Bundeswehrliegenschaften – nicht auch für den sozialen Wohnungsbau reserviert sein sollten. Das setzt allerdings voraus, dass die kommunale Politik den sozialen Wohnungsbau als Politikfeld der Zukunft erkennt und dann natürlich auch in der Lage ist, hier ein Zeichen setzen zu können. Wenn Einzelegoismen von Minikommunen den entgegen stehen, dann stimmt etwas an der Struktur nicht. Auch das muss man sich immer wieder vor Augen halten, wenn wieder einmal ein Projekt gescheitert ist.
Grund- und Nebenmieten erklimmen für viele Schleswig-Holsteiner unbekannte Höhen. Diese Entwicklung kollidiert mit einer sehr moderaten Einkommensentwicklung. Mit anderen Worten: die Erst- und Zweitmiete fressen den Mietern die Haare vom Kopf. Mieterhöhungen können die Familien nur noch ausgleichen, indem sie an anderer Stelle sparen, zum Beispiel bei langfristigen Anschaffungen. Allerdings ist die Dynamik nicht in allen Regionen vergleichbar. Auch hier müssen wir genau hinsehen.
Bezahlbarer Wohnraum ist ein Menschenrecht. Deshalb müssen wir als Land immer die Strukturen hinterfragen, die zu Schwierigkeiten führen, und die kommunale Seite muss dieses Politikfeld wieder neu erobern.

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