Speech · 14.11.2019 Der Schlachthof-Bericht ist eine Bankrotterklärung
Menschen und Tiere leiden. Und das Ministerium fährt eine Informationskampagne mit Flyern. Da ist doch mehr drin: eine Selbstverpflichtung der Branche reicht nicht aus; das zeigen alle Beispiele aus anderen Bereichen. Der Staat muss die gesetzlichen Normen überwachen und durchsetzen. Und genau das ist nicht zu erkennen.
Flemming Meyer zu TOP 44 - Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen (Drs. 19/1510)
Der Bericht dokumentiert die Hilflosigkeit staatlicher Kontrollbehörden. Weil die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen laut Minister Albrecht unübersichtlich sind, überlassen er und seine Fachbehörden den Schlachthofbetreibern die Einhaltung von Standards. Meines Erachtens ist das eine Bankrotterklärung ersten Ranges; und zwar für Tiere und Menschen.
Zuerst die Tiere: Ein Schwein wird auf dem Spaltenboden von einer Muttersau geboren, die nicht einmal die Gliedmaßen austrecken kann. Danach leben die Tiere ohne frische Luft im Stall und werden dann stundenlang zum Schlachthof gefahren, wo Vielen nicht einmal ein schmerzloser Tod gewährt wird. Bevor etwas verbessert wird, sollen die Kapazitäten in Sachen Schweineschlachtung noch weiter erhöht werden. Zu den bereits jetzt jährlich 1,3 Mio. geschlachteten Schweinen sollen noch ca. 400.000 Tiere dazukommen. Schleswig-Holstein, einig Schlachtland. Damit werden die Transportwege weiter verlängert. Die SSW-Forderung nach einer Begrenzung von vier Stunden pro Tiertransport wird bereits heute um ein Vielfaches übertroffen. Und die Transporte werden wohl noch länger werden. Das ist Tierquälerei.
Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt, warnte Christian Morgenstern schon vor hundert Jahren vor Tierquälerei und unethischen Umgang mit Tieren. Seitdem hat sich nicht viel geändert; für die Tiere zumindest. Ich zitiere aus dem Bericht „Es muss sichergestellt sein, dass sprachliche Barrieren nicht dazu führen, dass Anweisungen der amtlichen Tierärzte nicht umgesetzt werden und dies letztendlich zu Tierschutzverstößen führt.“ Die Passivkonstruktion des Satzes verortet die Verantwortlichkeit für tiergerechtes Schlachten allerdings auf ein anonymes Irgendwer. Dabei ist der Staat hier in der Pflicht. Er muss die gesetzlichen Vorgaben durchsetzen. Das erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher von ihm.
Wenn die Behörde Verstöße gegen Tierschutz vermutet, und genau das tut sie, indem sie die begrenzten Kenntnisse der deutschen Sprache als Hindernis erkannt hat, muss sie dem nachgehen und diese beseitigen. Und nicht die Verantwortung an die Schlachthofbetreiber übertragen.
Die Schlachthofbetreiber sagen nämlich, dass ihnen die Hände gebunden seien, schließlich würden nur die allerwenigsten Beschäftigten in einem Schlachthof auch für den Schlachthof arbeiten. Der Rest arbeitet bei Werksvertragsfirmen. So sagt es der Geschäftsführer in Husum, wo nur 35 Menschen festangestellt sind. Die anderen 150 haben einen Werksvertrag.
Die Krankheit des Systems heißt also: Werkvertrag. Der Werkvertrag senkt die Produktionskosten, verlagert die Verantwortung auf ein undurchschaubare Geflecht und entrechtet die Beschäftigten, die nicht durch den Betriebsrat ihres Arbeitsplatzes vertreten werden können. Die zuständige DGB-Vorsitzende Susanne Uhl sagt in einer Pressemitteilung vor einigen Monaten zur Situation im Husumer Schlachthof: „Die Menschen werden durch die schwere Arbeit ausgebeutet und verschlissen – ohne jede Chance die Sprache zu lernen oder am sozialen Leben teilzuhaben.“ Die Rechte der Werksvertrags-Beschäftigten sind an das Werkvertragsunternehmen gebunden, das im Ausland sitzt und nach dortigen Mitbestimmungsregeln agiert. Betriebsräte gibt es nur in Ausnahmefällen.
Werksverträge sind ein Eingriff in den Wettbewerb, weil sie den Faktor Arbeit künstlich verbilligen. Ein breites Bündnis aus Kirchen und Gewerkschaften fordert für Schleswig-Holstein „menschengerechte Arbeits- und Lebensbedingungen“ in den Schlachthöfen.
Nicht die Verstöße sind das Problem, sondern die fehlende Kontrolle. An allen Schachthofstandorten muss der Staatliche Arbeitsschutz fest installiert werden. Die Initiative fordert das erst einmal für ein Jahr. Ich denke allerdings, dass eine scharfe Kontrolle dauerhaft in Husum, Kellinghusen, Bad Bramstedt und in Böklund lange überfällig ist. Die Arbeitgeber haben wiederholt gezeigt, dass sie nur das umsetzen, was ihnen in der Öffentlichkeit nachgewiesen wird. Darum müssen wir eine engmaschige Kontrolle installieren.
Menschen und Tiere leiden. Und das Ministerium fährt eine Informationskampagne mit Flyern. Da ist doch mehr drin: eine Selbstverpflichtung der Branche reicht nicht aus; das zeigen alle Beispiele aus anderen Bereichen. Der Staat muss die gesetzlichen Normen überwachen und durchsetzen. Und genau das ist nicht zu erkennen.