Press release · 19.07.2017 Die Bundesrepublik braucht auch nach dem G-20 Gipfel keine Gesetzesverschärfungen

Lars Harms zu TOP 22 - Rechtsstaat muss politisch motivierter Gewalt konsequent begegnen

Der G20-Gipfel hat nicht nur Hamburg in Atem gelassen, sondern ganz Deutschland. Wir alle haben die Bilder vom Wochenende des G20-Gipfels genau vor Augen. Dabei ist es an dieser Stelle nur zu bedauern, dass die rund dreißig friedlichen Demonstrationen quasi von den Taten von Chaoten in den Schatten gestellt wurden. Mit jedem geworfenen Stein wurden die friedlichen Demonstrationen auch ein wenig kaputt gemacht. Mit jeder geworfenen Flasche und jedem geworfenen Molotow-Cocktail, hat man die friedlichen Proteste ein Stück weit verhöhnt. Und deshalb muss hier zu Anfang ganz klar gesagt sein, dass es die Chaoten und Krawallmacher waren, die die Situation haben eskalieren lassen. Es gibt kein Recht auf Zerstörung von Eigentum und es gibt kein Recht darauf, die körperliche Unversehrtheit von Polizisten oder zivilen Bürgern zu gefährden! Und es gibt auch keine Rechtfertigung hierfür!

Wir alle hier wissen, dass vor zwei Wochen bei unseren Nachbarn in Hamburg ganze Straßenabschnitte in Brand gesetzt, Geschäfte geplündert und Autos angezündet wurden. Polizistinnen und Polizisten wurden bedroht und dabei wurden schwerste Verletzungen oder gar der Tod von den Gewalttätern in Kauf genommen. Die Gewaltspirale hat sich dabei immer weiter nach oben geschraubt. Ein Mob zog durch die Straßen und war teilweise perfekt durchorganisiert. Die allgemeine Ordnung war in einigen Stadtteilen für einige Stunden nicht mehr gegeben. Mittlerweile gibt es zahlreiche Medienbeiträge hierzu, welche einem Katastrophenfilm bisweilen eher ähneln, als einer Reportage. 

Diese Ausschreitungen sind schlichtweg nicht hinnehmbar und es ist daher absolut notwendig, diese Vorkommnisse einsatztaktisch aufzuarbeiten und Konsequenzen daraus zu ziehen, damit in Zukunft eine solche Eskalation unterbunden werden kann. Und dabei ist auch klar, dass die Liste der zu beratenden Punkte länger ist, als nur das reine Unterbinden von Gewalt, was natürlich an sich auch keine ganz unkomplizierte Frage ist. Nun gilt es die vielen Informationen erst einmal zu sammeln und auszuwerten.  

Dabei sollte man zu Beginn vielleicht erst einmal ganz grundsätzlich auf die Ausgangslage blicken. 

Ungefähr 20.000 Polizei- und Spezialkräfte waren im Einsatz, wovon knapp 1.800 aus Schleswig-Holstein kamen. Unter den Beamten waren auch Sondereinheiten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Die Chaoten lassen sich hingegen nicht so genau zählen. Aber es waren viele. Dabei gilt es in einer solchen Situation jedoch nicht nur die friedlichen Demonstrationen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen, sondern auch Anwohner und auch die Teilnehmer des G20-Gipfels. Und all dies gilt es im Zentrum einer Millionenstadt zu bewältigen. Für uns als SSW stellt sich daher die Frage, nach der Tauglichkeit des Austragungsortes. Vorrangig sollte es um die Frage gehen, welcher Ort über die besten Voraussetzungen verfügt. Pragmatismus vor Prestige, so sollte die zukünftige Maxime zur Auswahl von deutschen Austragungsorten lauten! Zudem werden andere Großstädte in Deutschland wahrscheinlich dankend ablehnen, wenn es in Zukunft um eine Standortwahl gehen wird. 

Ein anderer Punkt, der nach unserer Auffassung einer Nachbesprechung bedarf, ist der Umgang mit friedlichen Demonstranten. Ist es wirklich notwendig, ein Zeltlager zu verbieten oder macht es vielleicht doch mehr Sinn, dieses in einem bestimmten Gebiet zu erlauben, um dadurch die Kontrolle und Aufsicht zu bewahren? 

Was in Zukunft auch eine zunehmende Herausforderung für die Sicherheitskräfte sein wird: Zwischen gewaltbereiten Beteiligten und Neugierigen sowie friedlichen Demonstraten zu unterscheiden. Zum einen funktionierten die Krawalle auf bestimmte Gruppen wie ein Magnet, zum anderen wurde durch die Beteiligten eine gezielte Täuschung angewendet, welches die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen zusätzlich verschwimmen ließ. Diese Herausforderung gilt es in Zukunft zu bewältigen. Fest steht schon jetzt, dass es für diese Herausforderung keine einfache Lösung geben wird. Wobei man in diesem Zusammenhang generell von vermeintlich einfachen Lösungen absehen sollte.  

Was wir als SSW ebenso ablehnen ist, die Krawalle in Hamburg politisch für irgendwelche persönlichen Wunschträume einiger Bundesminister zu missbrauchen. Deutschland braucht auch nach dem G-20 Gipfel keine Gesetzesverschärfungen! Die gesetzliche Lage ist vollumfassend und tragfähig. Doch natürlich müssen die Geschehnisse einsatztaktisch nachbereitet werden, denn hinterher weiß man immer, was man noch hätte besser machen können. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, man könne mit neuen Gesetzen in solchen Einsätzen besser reagieren. Allein eine umfassende Einsatz-Analyse, kann dazu führen, beim nächsten Mal besser gerüstet zu sein. Schärfere Gesetze brauchen wir nicht!

Es ist daher ebenfalls zu kurz gedacht, sogenannte gebrandmarkte Veranstaltungszentren schließen zu wollen, um somit den Sumpf auszutrocknen zu wollen. Ein solcher Vorschlag schießt unserer Meinung nach über das Ziel hinaus. Es sei denn, in diesen Veranstaltungsgebäuden haben nachweislich, gezielte Vorbereitungen zu gewaltbereiten Taten stattgefunden. Diese Fragestellung gilt es gegenwärtig zu klären. Grundsätzlich geht es ja auch darum, die Vorgehensweise in Bezug auf Planung und Struktur der gewaltbereiten Personen zu analysieren. Es ist daher völlig richtig, dass auch wir uns als Land Schleswig-Holstein, an der kürzlich eingerichteten Sonderkommission beteiligen werden. Auch gilt es, die Frage nach dem nationalen und internationalen Krawalltourismus zu beleuchten. In dieser Hinsicht müssen die europäischen Partner noch enger miteinander zusammenarbeiten und da macht auch eine gemeinsame Datei Sinn. Wir als SSW verstehen dies auch als Arbeitsauftrag an die Bundesregierung, denn der G-20-Gipfel ist nicht als regionale Angelegenheit zu verstehen. Die Ereignisse rund um den G-20-Gipfel erlauben unserer Meinung nach keine Rückkehr zur allgemeinen Tagesordnung. Dies verdeutlichen auch die bisher rund 10.000 eingegangenen Anzeigen bzw. Hinweise auf mögliche Straftaten. Es gilt daher nun, die Straftäter von Hamburg rechtstaatlich mit aller Konsequenz zur Rechenschaft zu ziehen. 

Neben der Aufklärung von Straftaten gilt es nun auch zu klären, inwieweit der Umgang mit Journalisten und speziell der Entzug der Akkreditierung, begründet und rechtmäßig ist. Bislang gibt es dazu noch eine ganze Reihe an offenen Fragen, welche natürlich auch für Verunsicherung sorgen. 

Alles in allem sind wir uns hier im Hause, glaube ich, über eines einig: Nämlich, dass es noch viele Fragen zu klären gibt und wir als Politik hierzu unseren Beitrag leisten wollen. Wir alle, sowohl als Politik und auch als Gesellschaft sollten uns an dieser Stelle jedoch hüten, alles schwarz-und-weiß zu sehen, auch wenn die Ereignisse die eigene Perspektive nur allzu stark in eine bestimmte Richtung zu drängen scheinen. Die einsatztaktische Aufarbeitung ist von enormer Wichtigkeit. Wir sollten uns daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen, dass es auch zu einer gründlichen und im Anschluss klar kommunizierten Aufarbeitung kommt und dabei sollte die Sachlichkeit im Vordergrund stehen. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch gelingen wird. Auch wir begrüßen vor diesem Hintergrund die Sonderurlaubsregelung, welche durch Innenminister Grote verkündet wurde. Und auch die angekündigten staatlichen Entschädigungshilfen für die Bürgerinnen und Bürger, die Schäden erlitten haben, ist ein wichtiges Teilelement, um den G-20-Gipfel auch vernünftig aufarbeiten zu können. 

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich unseren Polizistinnen und Polizisten sowie allen beteiligten Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein einen aufrichtigen Dank aussprechen. Ihnen gebührt unsere volle Anerkennung, denn sie haben ihren Kopf dafür hingehalten, dass Menschen demonstrieren konnten und dass die Bürgerinnen und Bürger so gut wie irgend möglich geschützt wurden! 

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