Speech · 28.08.2020 Es gibt noch unendlich viel anzupacken bis zur digitalen Verwaltung

„Es fehlt in Deutschland an allen Ecken und Enden an der Ausstattung: es fehlen Schnittstellen, es fehlen moderne Geräte, es fehlt an qualifiziertem Personal und vielem mehr.“

Lars Harms zu TOP 29 - Umsetzungsstand des Onlinezugangsgesetzes (Drs. 19/2283)

So soll es später überall aussehen: Gastgeber in St. Peter Ording, die die Tourismusabgabe zahlen müssen, können das bequem online erledigen. Voraussetzung ist die Einrichtung eines Kontos im entsprechenden Portal des Landes. Dann aber erhält man innerhalb von zehn Minuten seinen Bescheid. Fragen werden direkt auf der Seite beantwortet und sind mit einem Click erreichbar. Die Seite und das Portal hat das Land eingerichtet. Ebenfalls auf der Seite findet man die Kontaktdaten des entsprechenden Ansprechpartners im Amt Eiderstedt und die gesetzlichen Grundlagen bzw. Satzungen zur Tourismusabgabe. Aber das ist noch ein Einzelfall. 
So hörten wir letzte Woche aus dem Landkreis Lauenburg, dass 200 handschriftliche Aussteigekarten von Fluggästen noch auf eine Auswertung warten. Einen Onlinedienst mit einem entsprechenden Datenaustausch zwischen den Bundesländern und Kreisen gibt es an den Flughäfen nicht, so dass die Kontaktaufnahme nicht immer gewährleistet werden kann. Infektionsketten können also nicht zeitnah unterbrochen werden. 
Mir fallen noch viele andere Verfahren ein, die man digital oder online besser machen könnte. Doch es fehlt in Deutschland an allen Ecken und Enden an der Ausstattung: es fehlen Schnittstellen, es fehlen moderne Geräte, es fehlt an qualifiziertem Personal usw. Und vom Recht auf einen Glasfaseranschluss sind wir noch himmelweit entfernt. Darum halte ich die Ankündigung der Landesregierung, dass 2022, also übernächstes Jahr, alle Verwaltungsleistungen digital abgefragt werden können, für überehrgeizig und unrealistisch. 
Schaue ich mir die Onlineformulare der Stadt Husum an, kann ich ermessen, wie weit der Weg bis zu einem bequemen Onlinezugang der Bürgerinnen und Bürger für Verwaltungsverfahren in Wirklichkeit noch ist. Möchte ich beispielsweise die kostenlose Schülerbeförderung beantragen, finde ich zwar die entsprechende pdf-Datei auf der Seite, muss dann aber das Formular ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben und im ausdrücklich geforderten geschlossenen Umschlag in der Schule oder bei der Stadt abgeben. 
Das ist kein Online-Zugang, sondern eine Formularbibliothek, die die nochmalige Eingabe der Daten durch einen Beamten oder Verwaltungsangestellten erforderlich macht. Kurz gesagt: so geht es nicht. Ich weiß nicht, wie schnell meine Daten aus dem Formular gespeichert werden und wann mein Fall bearbeitet wird. Ich kann auch eventuell auftretende Ausfüllprobleme nicht direkt ausräumen. Das heißt, wenn ich als Bürger etwas nicht verstehe, muss ich doch den umständlichen Weg ins Amt wählen: ich muss mich anmelden und eventuell einen halben Tag Urlaub nehmen. Immerhin stehen ca. 40 Formulare auf der Internetseite der Stadt Husum. Das ist mehr als bei vielen anderen Gemeinden. 
Genau im Ausbau dieser Struktur liegt sicherlich die Herausforderung: wie bekomme ich Dienstleistungen online, wenn die kleine Verwaltung vor Ort schon mit dem Routinegeschäft gut zu tun hat? Die konkrete Unterstützung durch das Land ist hierbei von Nöten. Dabei möchte ich aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass die kommunale Selbstständigkeit auf diesem Wege nicht angetastet werden darf. Die Kommunen müssen weiterhin Herr des Verfahrens bleiben; ansonsten würde sich das Onlinezugangsgesetz als trojanisches Pferd entpuppen, das über den zentralen Onlinezugang die Kompetenzen der Kommunen aushebelt.
Einmal von dieser Frage abgesehen, sehe ich noch eine Baustelle. Ich befürchte, dass die Bürgerinnen und Bürger, die keinen digitalen Zugang haben, benachteiligt werden. Ich denke da an die Stadtbibliotheken, die ihre Nutzerplätze derzeit aus Hygienegründen gesperrt haben. Da wir kaum noch Internetcafés haben, sperren wir also diejenigen ohne Internetzugang in Schleswig-Holstein von der Nutzung der Online-Dienstleistungen aus. Diese soziale Komponente dürfen wir nicht außer Acht lassen. 
Auch ist es der Landesregierung bislang noch nicht gelungen, alle Schülerinnen und Schüler mit einem Online-Angebot zu erreichen. Dementsprechend groß wird der Aufwand zur Umstellung auf digitale Verfahren sein. Wenn die Landesregierung nur die Verfahren umstellt, aber keinen technischen Zugang zu den Verfahren anbietet, ist das zutiefst undemokratisch. Hier müssen wir schleunigst, am besten gemeinsam mit dem Bund, eine Lösung finden. Man sieht also, es gibt noch unendlich viel in diesem Bereich anzupacken.

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