Speech · 25.03.2009 Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung der HSH Finanzfonds AöR
Seit Wochen überschlagen sich die Berichterstattungen der Medien über die HSH Nordbank, so dass mittlerweile kaum mehr jemand nachvollziehen kann, was eigentlich Sache ist. Den einen Tag heißt es, erhebliche Zweifel am Rettungsplan der Bank werden geäußert; am nächsten Tag wird angedeutet, die HSH stehe kurz vor der Abwicklung.
Dass so viele unterschiedliche Informationen auf dem freien Meinungsmarkt gehandelt werden konnten, lag nicht zuletzt daran, dass weder die Landesregierung noch der Vorstand der HSH Nordbank dazu imstande gewesen sind, ihre - wie Landtagspräsident Kayenburg es so passend bezeichnete - „nebulösen“ Vorstellungen mit konkreten Zahlen zu untermauern; geschweige denn dem Parlament Gutachten oder geprüfte Alternativen zur Restrukturierung der Bank zeitnah zur Verfügung zu stellen. Was bleibt, ist der Eindruck, dass der Aufsichtsrat wiederholt, was der Vorstand vorgibt. Und genau dies lässt jegliche - notwendige - Distanz zwischen der Landesregierung und der HSH Nordbank vermissen.
Die testierte Jahresbilanz der Bank wird zum Beispiel erst Mitte April vorliegen - zu einem Zeitpunkt also, wo die Entscheidung über die HSH-Rettung schon längst getroffen ist. Für den Aufsichtsrat der Bank ist dies anscheinend kein Problem, weil es auch für den Vorstand kein Problem darstellt. Andererseits muss sich Finanzminister Wiegard nunmehr vom Magazin der „Spiegel“ vorwerfen lassen, dass er dem Parlament die Unwahrheit gesagt hat, weil die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG nicht - wie von ihm behauptet - eine umfassende Sonderprüfung, sondern nur die übliche Jahresabschlussprüfung für das Geschäftsjahr 2008 durchgeführt hat. Ganz zu schweigen davon, dass die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages von der Auszahlung der 200 Millionen Euro Dividende an Stille Einleger erst nach der gemeinsamen Finanzausschuss-Sitzung von Hamburg und Schleswig-Holstein am 17. Februar erfuhren und gestern zur Kenntnis nehmen mussten, dass die Ausschüttung jener Dividende Zeitungsberichten zufolge von der EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen gekippt worden sei.
Daher sage ich für den SSW: Was uns in den letzten Monaten geboten wurde, hat weder unser Vertrauen in die Landesregierung noch in den Vorstand der HSH Nordbank gestärkt. - Wobei der dilettantische Umgang der Bank mit der geplanten Auszahlung der 200 Millionen Euro Dividende bei uns das Fass zum Überlaufen gebracht hat! Zumal die Sprecher der Bank in der Finanzausschuss-Sitzung am 19. Februar den Hinweis des Kollegen Kubicki, bei der BayernLB habe die EU die Zahlung einer solchen Dividende untersagt, arrogant zurückwiesen.
Für den SSW stellt sich somit nach wie vor die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten die Landesregierung zur Rettung der HSH Nordbank eigentlich hatte und wie sie mit diesen Optionen umgegangen ist, so dass wir heute in eine Situation gedrängt werden, in der es keine Alternativen mehr gibt, und wir nach dem Motto „Vogel friss oder stirb“ handeln müssen.
Bereits Ende 2008 hatte der SoFFin der HSH Nordbank bekanntlich Garantien von 30 Milliarden Euro genehmigt. Mit dieser Garantie wurde die Auflage verbunden, bis Ende Februar 2009 ein neues Geschäftsmodell, eine Ausgliederung der Altlasten sowie eine nachhaltige Kapitalaufstockung auf 7% vorzuweisen, um die gesamten 30 Milliarden in Anspruch nehmen zu können.
Das neue Geschäftsmodell liegt jetzt vor; es soll zukunftsfähig und tragfähig sein. Darüber hinaus hat die HSH die Einrichtung einer Abbaubank beschlossen, in der die toxischen Papiere der Bank mit der Zeit vermodern sollen. Und letztlich hat die Bank zusammen mit den Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Hamburg einen Vorschlag zur Rekapitalisierung der Bank entworfen: Das Modell 3 + 10 soll es richten - der vorliegende Gesetzentwurf also.
Seit Ende November 2008 streiten wir nun darüber, ob das Land Schleswig-Holstein sich ein Rettungspaket überhaupt leisten kann und wenn nicht, warum der SoFFin bei einer systemisch relevanten Bank nicht für die Kapitalaufstockung zuständig sein kann. Heute wissen wir: Diese Debatte ist eine Scheindebatte, da die Entscheidung darüber, ob Schleswig-Holstein es sich leisten kann, 1,5 Milliarden Euro in die HSH zu stecken und weitere Garantien von 5 Milliarden Euro zu geben, anscheinend bereits im November getroffen wurde.
Denn vieles deutet darauf hin, dass sich die Bank und die Landesregierungen schon damals darüber einig waren, dass Schleswig-Holstein und Hamburg für die Kapitalaufstockung zuständig sein sollten - nicht weil diese beiden Länder das Geld hätten, sondern weil ihnen die Bedingungen des SoFFin nicht passten. Genau dies geht deutlich aus dem Protokoll der Finanzausschusssitzung am 17. Februar in Hamburg hervor. Dass Finanzminister Wiegard vor diesem Hintergrund nicht klar und deutlich sagt, dass der SoFFin für die Rekapitalisierung einer gesunden Kernbank zur Verfügung steht, sollte uns daher nicht wirklich verwundern. - Um dies konkret zu erfahren, mussten Vertreter des SoFFin und des BaFin erst nach Kiel zitiert werden. Das ist für den SSW nicht hinnehmbar.
Dass die Landesregierung und die HSH seit Monaten eine dermaßen desolate Informationspolitik betreiben, erklärt sich daher von selbst. Der Kabinettsbeschluss liegt seit Ende Februar vor - da scheint es der Landesregierung schlichtweg egal zu sein, ob die Abgeordneten dieses Landes informiert sind oder nicht.
In der letzten Woche haben Herr Dr. Rehm und Herr Sanio als Vertreter des SoFFin und des BaFin im Finanzausschuss eindrucksvoll erklärt, dass es zum vorgestellten HSH-Rettungspaket zwar Alternativen gibt; diese aber niemandem zu empfehlen sind. Eine kontrollierte Abwicklung der HSH könnte niemals kontrolliert vonstatten gehen. Ebenso sind die Konsequenzen einer Insolvenz nicht nur für die deutsche Bankenwelt, sondern vor allem auch für die restlichen Landesbanken unüberschaubar. Weder Schleswig-Holstein noch der Bund haben ein Interesse daran, die Bankenwelt nach der Pleite von Lehmann Brothers oder den Verlusten der Hypo Real Estate weiter herauszufordern. Am Ernst der Lage und der Dringlichkeit der HSH-Rettung gibt es aus Sicht des SSW daher überhaupt nichts zu bezweifeln.
Die weiteren Ausführungen der beiden Bundesvertreter waren wage: Prinzipiell sei vieles möglich - zum Beispiel, dass das Geschäftsmodell zukunftsfähig und tragfähig sei. Prinzipiell verbaue das Modell keine in die Zukunft gerichteten größeren Lösungen.
Es stellt sich aber kein Experte deutlich hinter das vorgeschlagene Geschäftsmodell. Sogar die Sparkassen haben zwar dem Geschäftsmodell im Aufsichtsrat zugestimmt, versuchen aber gleichzeitig ihre Anteile an der Bank loszuwerden. Das würden die Sparkassen nicht tun, wenn sie vom Geschäftsmodell der HSH wirklich überzeugt wären und einen zukünftigen Gewinn durch die Bank erwarten würden.
Und auch unser eigener Wirtschaftsminister hat in der Presse - trotz eines Maulkorbs - wiederholt sein schlechtes Bauchgefühl zum HSH-Rettungspaket zum Ausdruck gebracht und auch in der Finanzausschusssitzung am 19. März sehr zurückhaltend formuliert, dass sich das Modell am Markt erst beweisen müsse. Dass er anschließend eifrig zurückruderte, sagt nur etwas über Kabinettsdisziplin und nichts darüber aus, dass er sich eines Besseren hat belehren lassen: Er stehe zur Entscheidung der Landesregierung und habe - obwohl er das Modell nicht geprüft hat - keinen Grund daran zu zweifeln, wenn die Bank sich dies zutraue.
Bis heute gibt es somit keine Stellungnahmen oder Expertenaussagen dazu, ob das neue Geschäftsmodell der HSH Nordbank überhaupt tragfähig ist. Sicher ist nur, dass wir mittlerweile keine Alternative mehr haben. Aus Sicht des SSW können wir als Abgeordnete aber nicht einfach nach dem Prinzip Hoffnung entscheiden, ohne zu erfahren, wohin die Reise geht. Auch die Versicherung von Herrn Nonnenmacher, dass das Modell 3 + 10 ausreicht, um die Bank sicher in den Hafen zu bringen, hilft wenig weiter, wenn er gleichzeitig betont, dass es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass die Finanzwelt nicht morgen erneut zusammenbricht.
Außerdem liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Garantien der beiden Länder in Anspruch genommen werden, nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden bei 40%. Der Bankenexperte Wolfgang Gerke hat dazu am 15.03. in der „Welt am Sonntag“ bereits gesagt, dass dies nach Bankermaßstäben ein extrem hohes Ausfallrisiko sei. - Ausfallrisiken von mehr als 5% gelten schon als sehr hoch, so dass zumindest in Hamburg eifrig spekuliert wird, ob die Übernahme einer solchen Bürgschaft überhaupt zulässig ist. In Hamburg dürfen Bürgschaften und Garantien der Haushaltsordnung nach nämlich nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden muss.
Zusammenfassend stehen wir also vor der Entscheidung, einem Rettungspaket für die HSH Nordbank zuzustimmen, ohne zu wissen, was dabei auf uns zukommt. Das Rettungspaket könnte ausreichen, um die sehr wahrscheinlichen Verluste der HSH in den nächsten Jahren aufzufangen. Es könnte aber auch ganz anders kommen, so dass Herr Nonnenmacher spätestens im Herbst erneut mit seinem Klingelbeutel vor der Landtagstür steht.
Die Auswahl der Kernkompetenzen Schifffahrt, Luftfahrt, erneuerbare Energien und Firmenkundengeschäft erscheinen bei der derzeitigen Wirtschaftslage nicht besonders überzeugend. Herr Nonnenmacher selbst gibt an, dass es seit September 2008 keine neue Order in der Schiffsfinanzierung gibt und dass alte Geschäfte gestreckt werden sollen, um weitere Verluste zu vermeiden. Auch die Ausweitung des Firmenkundengeschäfts ist in Schleswig-Holstein nur bedingt möglich, da nur 60-80 Unternehmen dafür zur Verfügung stehen, wenn die Konkurrenz mit den Sparkassen zu vermeiden ist.
Für den SSW steht fest, dass die Landesregierung in den letzten Monaten nicht zwischen den Interessen des Landes und den Interessen der HSH Nordbank unterschieden hat, so dass es jetzt nur noch darum gehen kann, Schlimmeres zu verhindern. - Oder wie Herr Sanio es in der Finanzausschuss-Sitzung am 19. März plastisch formulierte: Rechnen Sie mit dem Schlimmsten und stellen Sie sich darauf ein, dass Sie enttäuscht werden.
Was passiert also, wenn die positiven Szenarien nicht halten und die HSH Nordbank trotz des Rettungspakets weitere Verluste einfährt? Oder anders gesagt: Wie können wir unser Land in Zukunft vor der HSH Nordbank retten?
Bündnis 90/Die Grünen haben nach Meinung des SSW mit ihren Anträgen bereits einen Schritt in die richtige Richtung getan. Denn langfristig muss geklärt werden, wie die Landesregierung zum Modell der Landesbanken steht und welcher Einsatz in Zukunft für deren Absicherung vonnöten sein wird. Hierzu gehört auch die grundlegende Analyse, welche Bedeutung die HSH Nordbank für die schleswig-holsteinische Wirtschaft hat und ob wir diese Bank in überwiegend öffentlicher Trägerschaft überhaupt weiter brauchen. Auch die Diskussion von Fusionsmöglichkeiten; die Übernahme der Sparkassen-Anteile durch das Land zum aktuellen Marktpreis und vor allem auch, wie lange das Land seine Trägerschaft noch bewahren möchte - und kann - sollte voran gebracht werden. Und nicht zuletzt steht nach wie vor die Frage nach den personellen Konsequenzen dieser katastrophalen Entwicklung im Raum.
Aber um dem Gesetzentwurf zur Rettung der HSH Nordbank zuzustimmen, stellt der SSW weitere Bedingungen. Erstens darf es aus unserer Sicht kein Vorteil für die Bank sein, ob eine weitere Kapitalaufstockung durch den SoFFin oder durch die Eigner erfolgt. Mit anderen Worten: Die Bedingungen des SoFFin müssen auch die Bedingungen des Landes sein.
Nur so lässt sich verhindern, dass Schleswig-Holstein per Automatismus und weil die Bedingungen des SoFFin so unangenehm sind, auch in Zukunft für die HSH Nordbank in die Bresche springt - und damit seinem eigenen Bankrott immer näher kommt. Vor allem die Dividendenausschüttungen gehören damit der Vergangenheit an, ebenso wie die Zahlung von Boni und horrenden Managergehältern.
Zweitens brauchen wir die Versicherung der Landesregierung, dass bei weiteren Verlusten der HSH Nordbank die Unterstützung des SoFFin in Anspruch genommen wird. Diese Versicherung haben wir bisher nicht bekommen – obwohl der Vertreter des SoFFin letzte Woche wie gesagt deutlich hervorhob, dass er für die Rekapitalisierung einer gesunden Kernbank durchaus zur Verfügung steht. Diese Aussage nützt uns aber gar nichts, wenn nicht sicher gestellt wird, dass die Landesregierung dieses Angebot auch in Anspruch nimmt.
Heute wissen wir, dass die Landesregierung Ende November 2008 eine in Pflichtnahme des SoFFin nicht weiter verfolgte, da die Bedingungen den Anteilseignern Schleswig-Holstein und Hamburg - und insbesondere der Bank - nicht attraktiv erschienen. Wer versichert uns also, dass dies nicht wieder passiert? Wenn die HSH Nordbank so hohe Verluste einfährt, dass die geplante Rekapitalisierung nicht ausreicht - wer kommt dann für eine erneute Rettung der Bank auf?
Dies ist für den SSW weiterhin die entscheidende Frage, auf die wir auch in der gemeinsamen Sitzung der zuständigen Ausschüsse am vergangenen Donnerstag keine Antwort erhalten haben. Dass der SoFFin zu Liquiditätsbürgschaften bereit steht, wissen wir jetzt. Dass dies nicht für die Absicherung von Altlasten gilt, sondern nur für eine gesunde Kernbank, wissen wir auch. Entscheidend ist und bleibt aber die Antwort auf die Frage, ob das Land den SoFFin auch in Anspruch nimmt, wenn es mit der HSH Nordbank weiter bergab geht. Deshalb unterstützen wir die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen, dass die Vorraussetzungen für eine Kapitalaufstockung mit dem SoFFin schnellstmöglich geklärt und die erforderlichen Schritte für die Umsetzung dieser Forderung kurzfristig eingeleitet werden müssen.
Der SSW wird dem vorliegenden Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung daher auf keinen Fall zustimmen.