Speech · 19.06.2002 Gesetz zur Neuordnung der Fachkliniken
Nichts repräsentiert die Entwicklung der modernen Psychiatrie mehr als die Abwendung von den großen psychiatrischen Krankenhäusern. Von einer Irrenanstalt, die nicht ganz zu Unrecht mit Gummizellen, Zwangsjacken und Beruhigungsspritzen verbunden wurde, hat sich die Psychiatrie langsam aber sicher zu einer gemeindenahen, individuellen, therapeutischen und sozialen Psychiatrie gewandelt.
Eine logische Folge der Dezentralisierung in der Psychiatrie ist, dass die zentralen Kliniken mit ihren großen Langzeitbereichen geschrumpft sind und weiter schrumpfen. Diese Entwicklung begrüßen wir vorbehaltlos.
Aber sie hat natürlich Folgen für die Kliniken und ihre Angestellten, die auch berücksichtigt werden müssen. Zudem ist es nicht sinnvoll, alle Patientinnen und Patienten dezentral zu behandeln. Deshalb geht es für uns auch darum, den früheren Landeskrankenhäusern ordentliche Rahmenbedingungen für ihre weitere Existenz zu sichern.
Dazu gehört, dass die Fachkliniken strukturell so eingerichtet werden, dass sie wirtschaftlich und effektiv arbeiten können. Dieses war schon der Sinn des Fachklinikgesetzes, und eben dies ist auch der Sinn des vorliegenden Gesetzentwurfs. Die Kliniken in Neustadt und Heiligenhafen werden in der psychatrium Gruppe zusammengelegt, um besser für neue Herausforderungen gerüstet zu sein. Das unterstützen wir.
Eigentlich ist diese Neuordnung der Fachkliniken im südlichen Landesteil ein politisch wenig spektakulärer Vorgang - wäre da nicht gleichzeitig der Aufschrei der Beschäftigten und der ver.di gegen die Abgabe der dezentralen Versorgung gewesen. Wir meinen aber nicht, dass die bisherige Versorgung von Patienten aus Kiel und Lübeck in den Fachkliniken jetzt irgendwelche Ansprüche der psychatrium Gruppe auf die dezentralen Abteilungen in diesen Städten begründen. Die Fachkliniken haben bei der Dezentralisierung kein Vorgriffsrecht, wenn es um die Trägerschaft der dezentralen Versorgung geht, wie es die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft gefordert haben.
Wir haben auch ein großes Problem damit, dass die psychatrium Gruppe damit quasi ein Monopol auf die klinische psychiatrische Versorgung in der Region erhalten würde. Bei allem Verständnis für die Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meinen wir: Die dezentrale Versorgung funktioniert am besten, wenn örtliche, in die lokalen Strukturen eingebundene Träger die gemeindenahe Psychiatrie übernehmen - so, wie es zum Beispiel auch in Flensburg geschehen ist. Gerade in Verbindung mit der neulich abgeschlossenen Verlegung von Behandlungskapazitäten von Schleswig nach Flensburg hat sich gezeigt, dass in einem guten Dialog die Probleme einer solchen Dezentralisierung gemeinsam bewältigt werden können. Was im Landesteil Schleswig geklappt hat sollte auch in Holstein möglich sein.