Speech · 24.08.2011 Keine weitere Verschärfung der dänischen Grenzkontrollen
In einem sind wir uns alle einig. Eine permanente, technologisch hochgerüstete Zollkontrolle an den Grenzübergängen zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist keine gute Idee. Sie widerspricht nicht nur dem Grundgedanken der offenen Grenzen, die in vielerlei Hinsicht eine schützenswerte europäische Errungenschaft sind. Sie ist auch schädlich für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und das kulturelle Zusammenwachsen der deutsch-dänischen Grenzregion. Wir haben im letzten Jahrzehnt erlebt, dass Dänen und Deutsche enger zusammengerückt sind, weil Barrieren mühsam abgebaut und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verstärkt wurde. Mit neuen Kontrollen und Grenzanlagen werden psychologisch wie materiell neue Barrieren errichtet. Deshalb haben wir gegen den Beschluss Dänemarks protestiert, wieder permanente Grenzkontrollen einzurichten.
Der Landtag hat bereits am 26. Mai fraktionsübergreifend, ja sogar einmütig dafür geworben, dass die dänische Regierung ihre Entscheidung überdenkt. Diese Botschaft ist in Dänemark auch sehr wohl angekommen. Die Einmischung aus Kiel ist trotz ihres diplomatischen Tons so manchem – nicht nur in der Dansk Folkeparti – extrem sauer aufgestoßen, aber die Botschaft wurde gehört. Die innenpolitische Diskussion in Dänemark, in der der SSW eine prominente Rolle gespielt hat, und der außenpolitische Druck aus Deutschland und Brüssel haben Wirkung gezeigt. Ein Teil jener Parteien, die zuerst den Beschluss begrüßten, vor allem die oppositionellen Sozialdemokraten und Sozialisten, hat schnell die Meinung geändert. Aber auch im Regierungslager ist erkennbar etwas geschehen, seitdem die Frage der Grenzkontrolle im Frühjahr über Wochen politisches Topthema in Dänemark war. Der Bau von Gebäuden und Scannern wurde auf die Zeit weit nach der Wahl verschoben und wird hoffentlich nie erfolgen. Die Zollkontrollen, die heute wirklich durchgeführt werden, sind sporadisch und wenig intensiv. Sie entsprechen ganz offensichtlich nicht dem, was die Regierung angekündigt hat, und was die Befürworter der Grenzkontrollen erwarten. Insofern hat die kritische Auseinandersetzung in der dänischen Öffentlichkeit bereits etwas erreicht.
Trotzdem – und das bleibt entscheidend – ist der Beschluss nicht zurückgezogen worden. Es bleibt das offizielle Ziel der dänischen Regierung, „permanente“ Zollkontrollen einzurichten und feste Grenzstationen zu bauen, die nicht nur mit Zöllnern bemannt sondern auch mit Videoüberwachung, automatischen Kennzeichenscannern und Röntgenscannern ausgerüstet werden. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich gelinde gesprochen pikant, dass die dänische Regierung ausgerechnet jetzt eine große Anlage zur Verkehrslenkung an der Autobahngrenze Ellund/Frøslev einrichten will.
Diese Anlage wurde schon 2008 geplant und hat ursprünglich nichts mit dem Grenzkontroll-Beschluss von 2011 zu tun. Isoliert betrachtet geht es hier um eine technische Anlage, die auch ohne die permanenten Grenzkontrollen Sinn macht. Der Aufbau von Leuchttafeln und Absperrungen wurde 2008 beschlossen, um bei besonderen Gefährdungslagen zeitbegrenzt intensive Polizeikontrollen durchführen zu können. Er sollte außerdem die Arbeit der Zöllner sicherer gestalten, die auch schon vorher dort stichprobenartig kontrolliert haben – aber dafür jedes Mal über die Autobahn turnen mussten, um eine provisorische Verkehrslenkung einzurichten. Dies ist eindeutig durch den Schengener Vertrag gedeckt. Diese Anlage könnte sogar dazu beitragen, den Verkehr über die Grenze flüssiger zu gestalten, weil sie die bisherige permanente Drosselung ersetzt und die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Zeiten beschränkt werden kann, an denen kontrolliert wird. Soweit die isolierte Betrachtungsweise.
Aber natürlich passt diese Anlage nur allzu gut ins Bild, dass Venstre, Konservative und Dansk Folkeparti mit ihren neuen Grenzplänen gezeichnet haben. Demnach soll auf der Autobahn der Verkehr verlangsamt und zumindest zeitweise, möglicherweise auch permanent, durch einen sechsspurigen Kontrollbereich geleitet werden. Auch dafür wären die Leuchttafeln und Absperrungen gut geeignet. Wir können also bei der heutigen Bewertung der Anlage nicht ignorieren, dass wir uns politisch in einer anderen Situation befinden.
Für Schleswig-Holstein hat diese dänische Anlage eine besondere Qualität, weil sie notgedrungen südlich der Grenze gebaut werden muss. Wenn die Auto- und LKW-Fahrer auf der dänischen Kontrollfläche gleich hinter der Grenze zum stehen kommen sollen, müssen sie schon in Deutschland auf die Bremse treten. 2008 war dies aber noch kein Problem und sowohl die Bundesregierung als auch die CDU-SPD-Landesregierung haben den Wunsch der Dänen unterstützt. 2011 ist dies nun ein Problem. Aber vielleicht ist es auch eine Chance. Denn es gibt dem Land Schleswig-Holstein die Möglichkeit, in einen Dialog mit der dänischen Regierung einzutreten und ernst genommen zu werden. Eben aus diesem Grund hält der SSW nichts davon, hier und heute zu beschließen, dass die Landesregierung die Absprache mit Dänemark brechen und die Genehmigung dauerhaft zurücknehmen soll. Die Landesregierung muss der dänischen Regierung erklären, dass Schleswig-Holstein diese Anlage nicht unterstützt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese für dauerhafte Kontrollen genutzt wird. Sie sollte der dänischen Regierung klarmachen, dass Schleswig-Holstein keine Bauarbeiten diesseits der Grenze wünscht, solange diese Frage nicht geklärt ist. Das reicht allemal.
Es gibt noch einen guten Grund, weshalb es fehl am Platz ist, undiplomatisch vorzupreschen und die Genehmigung zum Bau der Anlage zurückzuziehen. Innerhalb der nächsten 12 Wochen wird in Dänemark eine Parlamentswahl stattfinden. Egal, ob diese nun vom linken oder rechten Block gewonnen wird, sind Änderungen am Grenzkontrollbeschluss durchaus wahrscheinlich. Auch vor diesem Hintergrund möchte ich davor warnen, diesen Konflikt jetzt zu überhitzen. Der dänische Beschluss zur Einrichtung von permanenten Grenzkontrollen war dadurch gekennzeichnet, dass er die außenpolitische Wirkung ausgeblendet hat und rein innenpolitisch motiviert war. Es wurde einfach ignoriert, dass eine Grenze immer zwei Seiten hat. Wir sollten jetzt nicht denselben Fehler begehen. Deshalb möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Wer glaubt, dass er irgendwas zur Problemlösung beiträgt, indem er seinen europapolitischen Heiligenschein putzt oder in Richtung Landesregierung „Skandal!“ ruft, der handelt fahrlässig. Dies ist auch nicht der richtige Platz, um allgemeine Frustrationen über den Einfluss der Rechtspopulisten auf die dänische Regierungspolitik und auf die Politik vieler Parteien in Dänemark los zu werden.
Wer wirklich erreichen will, dass Dänemark dauerhaft die permanenten Grenzkontrollen und den Bau von Grenzanlagen beerdigt, der verzichtet jetzt besser darauf, diese Debatte über eine an sich harmlose Anlage zur Verkehrslenkung auf die Spitze zu treiben und den Landtag auseinander zu dividieren. Denn damit riskiert man, in Dänemark genau das Gegenteil zu erreichen. Wir sollten nicht jenen Kräften in die Hände spielen, die immer wieder gern den Eindruck vermitteln, dass das größere Deutschland sich immer noch gern mit aller Macht in die Politik der kleinen Nachbarn einmischt, wenn sie ihm nicht in den Kram passt. Das sind nämlich dieselben Kräfte, die gar nicht Grenze genug bekommen können.
Und ein letztes muss klar sein: Wenn Dänemark seine Pläne für eine permanente Grenzkontrolle zurückzieht, dann spricht nichts gegen die Einrichtung einer Anlage zur Verkehrslenkung, die für sporadische Kontrollen oder auch in besonderen Lagen genutzt werden kann. Entscheidend ist nicht die Technik, sondern wie sie genutzt wird. Wir wollen nicht, dass die Anlage bei Ellund/Frøslev zu einem Baustein in einer permanenten Grenzkontrolle wird. Dieses Ziel sollte unser Handeln bestimmen.
Der erste Beschluss des Landtages vom 26. Mai wurde einstimmig beschlossen. Wir haben uns fraktionsübergreifend dafür eingesetzt, dass Dänemark den Beschluss zur Einrichtung permanenter Grenzkontrollen, zum Bau von Kontrollgebäuden und zur massiven Installation von Überwachungstechnik an den Grenzübergängen umsetzt. Darin lag seine Stärke und das hat ihm auch nördlich der Grenze eine besondere Durchschlagskraft verliehen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns auch in der aktuellen Sache um einen gemeinsamen Standpunkt bemühen.