Speech · 07.06.2007 Strafvollzug in Schleswig-Holstein
Der SSW hat in der Diskussion über die Ausgestaltung des Strafvollzugs immer eine mäßigende und vernunftorientierte Position eingenommen. Ich betone das, weil gerade in diesem Politikfeld die Boulevardmedien durch ihre einseitige Berichterstattung eine aufgeheizte Stimmung zu erzeugen wissen. Da ist dann von Wegschließen und Schlimmerem die Rede. Von dieser Stimmungsmache sollten wir uns nicht unsere Entscheidungen diktieren lassen. Ich sage das ausdrücklich vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse, die nicht als Vorwand für einen unsozialen Strafvollzug herangezogen werden sollten, und nichts anderes ist das Wegsperren ohne Perspektive.
Die Föderalismusreform hat den Ländern die Aufgaben für den Strafvollzug übertragen. Kritiker befürchten einen Billigknast, der von privaten Unternehmen allein aus Profitkalkül betrieben wird. So eine Aufgabenübertragung wird es in Schleswig-Holstein nicht geben. Der SSW wird einer Privatisierung des Strafvollzugs auch niemals seine Stimme geben.
Die Zusammenarbeit der Länder in Sachen Strafvollzug begrüßen wir ausdrücklich. Dennoch wird es die Zukunft zeigen, wie sich die neue Kompetenzaufteilung auswirken wird. Strafvollzugpolitik bemisst sich eher nach Jahrzehnten, denn nach Legislaturperioden.
Die rot-grüne Landesregierung hat ein großes Investitionsprogramm für die Haftanstalten angeschoben, das nun weitergeführt wird. Noch im Jahre 2000 musste die damalige Justizministerin teilweise katastrophale Zustände in den Haftanstalten einräumen. Übrigens hatte damals auch die FDP-Fraktion eine entsprechende Anfrage gestellt. Seitdem hat sich aber viel getan. Der SSW unterstützt die Modernisierung der Haftanstalten als einen Beitrag zur Resozialisierung. Enge Knäste überfordern das Personal und führen zu Gewalt. Die Zahlen aus der Großen Anfrage belegen eindrücklich die Anstrengungen des Landes, diese Defizite zu beheben. Die Anstalten im Land sind nun einmal in ihrem Kernbestand durchschnittlich 100 Jahre und älter und können nur mit erheblichem Aufwand baulich umgestaltet werden. Eine Neiddebatte, nach der es Gefangene besser hätten als mancher Mieter, erledigt sich angesichts der immer noch notwendigen Unterbringung in Dreierzellen, wie in Flensburg, sicherlich von selbst.
Gerade Jugendliche, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben, müssen eine zweite Chance erhalten, um nach Verbüßung der Strafe mit einer entsprechenden schulischen oder beruflichen Perspektive selbständig leben können. Den Ausbau entsprechender Angebote, vor allem in Neumünster, begrüßt der SSW ausdrücklich. Angesichts immer längerer Haftzeiten bieten qualifizierende Maßnahmen eine gute Grundlage für ein neues Leben. Dass die Freizeitangebote parallel ausgebaut werden, weil gerade Jugendliche bei Leerzeiten auf dumme Gedanken kommen, ist der richtige Weg und sollte weitergeführt werden.
Dass auch bald die jugendlichen weiblichen Gefangenen im Land inhaftiert werden, statt im niedersächsischen Vechta, ist gut und richtig. Eine wohnortnahe Inhaftierung erleichtert es den jungen Frauen sicherlich, den Anschluss an ihr Umfeld und ihre Familie zu behalten. In die gleiche Richtung geht die Erhöhung der Besuchszeiten auf monatlich vier Stunden.
Ich möchte aber auch betonen, dass es nicht sein kann, dass Jugendliche erst nach einer Straftat überhaupt Förderung erhalten. Die nach wie vor hohe Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine der wesentlichen Ursache der Jugendkriminalität. Im Mai war jeder sechste Arbeitslose im Agenturbezirk Flensburg unter 25 Jahre alt. Beschäftigungslos und perspektivenlos geraten Jugendlichen mit dem Gesetz in Konflikt und machen eher Bekanntschaft mit dem Strafvollzug als ihnen lieb ist. Einzelfälle zeigen erschreckende Wertedefizite bei den Tätern, die die Strafwürdigkeit ihrer Taten auch noch vor Gericht leugnen.
Diese Defizite kann eine aufsuchende Sozialarbeit auffangen. Deren Mittel wurden aber ausgerechnet im letzten Haushalt um ein Drittel gekürzt. Diese Kürzung ist ein Beispiel kurzsichtiger Politik: Wenn Beratung und Sozialarbeit zurückgestrichen werden, steigt die Wiederholungsgefahr. Gerade im Jugendstrafvollzug ist das eine unheilvolle Entwicklung. Hier wird gute Arbeit von Kompetenzkonflikten zwischen Sozial- und Justizministerium zerrieben. Lobenswerterweise hat dieses Problem die Große Anfrage zutage gefördert! Wir müssen hier schnellstmöglich auf Änderung drängen.
Eine aktuelle Debatte möchte ich allerdings nicht unerwähnt lassen: das Personalmanagementkonzept der CDU. Die Landesregierung hebt in ihrer Antwort hervor und belegt dies im Weiteren durch Fakten, dass die Mitarbeiter im Justizvollzug stark belastet sind. Ich hätte mir allerdings eine greifbare Zahl gewünscht, die die Belastung quantifiziert. Dennoch kann man schwarz auf weiß nachlesen, dass keinerlei Stellenabbau vorgesehen ist. Dabei sollten wir es auch belassen. Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass weder ein Stellenpool, noch ein Seiteneinstig beim Strafvollzugsdienst infrage kommt.
Im Jugendstrafvollzug benötigen wir sogar mehr Stellen. Die Antwort verweist hier vor allem auf den Bedarf an sozialtherapeutischen Fachkräfte; aber auch die Verlängerung der Besuchszeiten wird mehr Personal nötig machen.
Das Personal in den Haftanstalten ist hoch motiviert, was unter anderen an der enormen Fortbildungsbereitschaft abzulesen ist. 865 Stellen im Justizvollzug stehen jährlich mindestens 1.200 Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen gegenüber. Ich finde das absolut lobenswert und ein beispielhaftes Verhalten. In anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sucht man dergleichen. Andererseits deutet die ausweichende Antwort zur Aufwandsentschädigung für Diensthundeführer (Seite 131) eine gewisse Unflexibilität im Bereich personeller Veränderung an. Es handelt sich um die Anschaffung und Ausbildung anstaltseigener Drogenspürhunde. Neue Aufgaben werden, so scheint es zumindest, nicht so schnell in Bestehendes aufgenommen, wie es möglich wäre.
Haftanstalten sind, das habe ich bereits ausgeführt, per se Organisationen, die sich nur langsam verändern. Im Sinne einer modernen Resozialisierung und Personalführung sollten, nach sorgfältiger Abwägung selbstverständlich, die Prozesse in den Anstalten beschleunigt werden. Defizite, denen sich die Fachleute in den Anstalten durchaus bewusst sind, sollten schneller behoben werden können. Dabei kommt es natürlich auf den Flankenschutz durch eine Politik an, die sich nicht von aktuellen Geschehnissen treiben lässt. Dafür steht der SSW bereit!